Back in town: Martin Kippenberger

Regisseurin Angela Richter unternimmt am Schauspiel Köln

eine Geistbeschwörung des rheinischen Enfant terrible

Frau Richter, über Martin Kippenberger gibt es ein unentwirrbares Knäuel aus Legenden und Anekdoten. Bis heute wird er als das Aushängeschild für die Golden Eighties, die Glanzzeit der Kölner Kunstszene, reklamiert. Sie haben monatelang über den Mann recherchiert und Interviews mit Zeitzeugen geführt. Wie war er denn nun?  Herausgekommen ist ein sehr schillerndes Bild. Manche habe ihn auch gehasst. Alle konnten sich darauf einigen, dass »Kippy« sehr laut und auffällig war. Sein Charisma erinnert an Jeff Koons — nur in der zynischen, deutschen Variante. Köln war in den 80ern das Tor zur Welt, eine sehr kreative Zeit. Hier haben sich alle getroffen, das kann man sich fast nicht mehr vorstellen. Selbst in Berlin ist das heute nicht so geballt. 

 

Wie würden Sie Ihr Theater-Projekt beschreiben?

 

Im Grunde ist es eine Art offene Recherche. Ich versuche, das System Kippenberger zu verstehen. Mir geht es nicht nur um seine Persönlichkeit, sondern auch darum, dass Kippenberger exemplarisch für die Legendenbildung um einen Künstler steht. 

 

Der letzte Stufe der Vermarktung?...

 


Es ist ein typischer Effekt auf dem Kunstmarkt: wenn jemand stirbt, steigen die Preise. 

 

Was fangen Sie auf der Bühne mit der Masse an Material an, das Sie gesammelt haben?

 

Die Vielstimmigkeit seines Lebens wird sich collageartig auf unterschiedlichen Ebenen spiegeln. Mein Ideal wäre, dabei nur gesprochenes Wort zu benutzen, auch als Hommage an Kippenbergers Sprache. Zwar war er Legastheniker, aber eigentlich habe er Literatur während des Sprechens live hergestellt, wie sein Freund  Diedrich Diedrichsen ge-sagt hat. Allerdings erfordert der Rahmen noch eine andere Sorte von Text. Ein großer Teil des Stücks wird jedoch aus den Zeitzeugen-Interviews bestehen. Einige Szenen aus seinem Leben werden wir »reenacten«. Im Moment ist es so, dass wir auf der Probe alle mal Kippenberger sind (lacht).

 

Wie wichtig ist es, sich der Mystifizierung zu erwehren?

 

Bei diesem Projekt versuche ich mich in Kippen-bergers Gedankenwelt und Sprache herein zudenken, mich diesem Ex-zess des Moments anzunähern. Wir versuchen herauszufinden, wie der geht. Den wollen wir herauf-be-schwö-ren, auch diese Zeit — aller-dings ohne nostalgisch zu werden. 

 

So ein Exzess lässt sich schlecht nachspielen. So ein Nachäffen — da hätte man gleich verloren.

 

Ich will versuchen, mich dem mit eigenen Mitteln anzunähern. Die Musik zum Beispiel kommt von Melissa Logan von den Chicks on Speed. Auch weil Melissa alles andere als nostalgische Musik macht, kann das exzessiverweise mehr mit Kippenberger zu tun haben, als wenn wir nur abspielten, was er mochte. 

 

Wieviele Fans hätte »Kippy« heute auf Facebook?

 

Er persönlich wäre da vermutlich nicht gewesen. Er hätte seine Assistenten für sich posten lassen. Aber was Künstler heute machen — sich zu überlegen, wie sie sich für den Markt positionieren — hat Kippenberger bereits in den 70ern getan. Er hat sein Büro eröffnet und für sich Werbung gemacht — nach dem Motto, wenn mich die Museen oder Galeristen nicht entdecken, dann entdecke ich mich erst einmal selbst. 

 

Für Ihre letzten Stücke, alles Uraufführungen, haben Sie wie jetzt den Text aus Ihren Recherchen destilliert. In »Assassinate Assange« etwa, das im November auch am Schauspiel zu sehen sein wird, haben Sie aus Gesprächen mit Assange und dokumentarischem Material ein Stück über das mediale Spektakel um ihn entwickelt. Zuvor haben Sie aber auch mal Tschechows »Kirschgarten« inszeniert oder »Jeff Koons« von Rainald Goetz. Hatten Sie keine Lust mehr auf dramatische Texte?

 

Für mich wurde das irgendwann eine Sackgasse. Ich habe mir selbst diese Texte nicht mehr geglaubt. Ich hab mich gefragt, was will ich eigentlich mitteilen? Dann gab es einen Wendepunkt — als ich meine ersten Recherchearbeiten gemacht habe. Das fand ich sehr befriedigend. Vielleicht kann man sagen, dass ich jetzt so eine Art Gonzo-Journalismus am Theater mache, in den ich meine eigene Phantasie einbringe. 

 

Sie haben in den 90ern in Hamburg bei Jürgen Flimm Regie studiert, in der Zeit des Hypes um die dortige Subkultur, aus der auch Künstler wie Jontahan Meese oder ihr Mann Daniel Richer stammen. Viele Arbeiten haben Sie in der freien Szene, am Hau, FFT oder auf Kampnagel, realisiert. Jetzt hat der neue Intendant Stefan Bachmann Sie für die nächsten zwei Jahre als Hausregisseurin am Schauspiel verpflichtet. Warum die Entscheidung für das Stadttheater?

 

Als Stefan Bachmann mich gefragt hat, hab ich gedacht, wenn am Stadttheater arbeiten, dann mit ihm. Und ich finde Köln irgendwie toll. In den 90ern war ich hier viel unterwegs, in der Kunst- oder Musikszene im Umfeld von Justus Köhncke oder Kai Althoff. Es gab ein wahnsinnig gutes Nachtleben. Das war sehr hedonistisch. 

 

Und heute?

 

Für die Recherche bin ich jetzt auch viel ausgegangen (lacht), das Sozialisieren gehört zum Arbeitsprozess. Ich habe auch schon Läden gefunden, die ich mag. Ich gehe zum Beispiel gerne ins King Georg. Über diese Arbeit lerne ich die Stadt kennen und das ist gut.