Foto: Manfred Wegener

Aus Gründen des Machterwerbs

Schwarz-Grün beschließt die Bebauung des Rennbahngeländes im Kölner Norden

Welchen Politikern soll man denn eigentlich noch vertrauen?«, fragt sich Engelbert Weber verbittert. Der Vorsitzende des »Niehler Bürger- und Heimatvereins« kämpft seit Jahren gegen die Bebauung eines Teils der Kölner Galopp-Rennbahn in Weidenpesch, die als Sauerstofftank des Kölner Nordens gilt, der unter der bundesweit berüchtigten Müllverbrennungsanlage und den Ford-Werken zu leiden hat.

Rennbahnbebauung hatte oberste Priorität

Als die schwarz-gelbe Koalition in Köln zerbrach, hatte Weber eigentlich fest damit gerechnet, das leidige Thema wäre endlich vom Tisch. Umso größer dann die Enttäuschung, dass die Rennbahnbebauung zur Bedingung für das Zustandekommen eines Koalitionsvertrages zwischen den Grünen und der CDU wurde. Wie sich die Vorsitzende der grünen Ratsfraktion Barbara Moritz erinnert, hatten die Pläne für CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann oberste Priorität und galten als unverhandelbare Basis für alle weiteren Gespräche. Das grüne Selbstverständnis wurde dabei so stark strapaziert, dass die Nippeser Bezirksvertreterin Eva Bukow ihr Mandat niederlegte und bei den Grünen austrat. Die Rennbahnbebauung sei »ein schmerzhafter Kompromiss«, gesteht Barbara Moritz ein. Doch immerhin werde jetzt »nur die Hälfte der ursprünglich geplanten Häuser gebaut«. Für Engelbert Weber jedoch ist klar: »Die Grünen haben aus Gründen des Machterwerbs die Rennbahn verkauft«.

Ausgleichsgeschäfte

Die Frage, warum denn die Rennbahnbebauung für Rolf Bietmann so wichtig ist, sorgte in der Folge für Spekulationen. So mutmaßte die taz in ihrer Köln-Ausgabe, das umstrittene Projekt sei ein »Ausgleichsgeschäft für den geplatzten GAG-Deal«, für den das Bankhaus Sal. Oppenheim ein Gutachten erstellte und dessen stellvertretender Aufsichtsratvorsitzender, Georg Baron von Ullmann, als Präsident des Kölner Rennvereins fungiert. Als Bauherr stünde der Esch-Oppenheim-Fonds bereits fest. Bietmann weicht Fragen aus. Sein Stellvertreter Karl-Jürgen Klipper habe mit Moritz den Bereich Stadtentwicklung lediglich in einer kleinen Gruppe besprochen. Der Kompromiss trage überdies »vielen Anwohnerbedenken Rechnung«.

Bebauungsversuche seit 1974

Der Streit um die Rennbahn geht mittlerweile in die 29. Saison. Bereits 1974 machte das so genannte Timmermann-Gutachten, das in der Folge noch häufig zitiert wurde, »stadtklimatische und grundwasserwirtschaftliche« Einwände gegen eine Bebauung des Geländes geltend, das unter Landschafts- und Denkmalschutz steht. Als der Kölner Rennverein 1986 Teile des Geländes als Bauland verkaufen wollte, führte das Timmermann-Gutachten zur Ablehnung des Vorhabens durch das Oberverwaltungsgericht in Münster. Weil das Gutachten danach im Kölner Stadtrat »verloren ging« und jahrelang verschollen blieb, wagte der Rennverein im Jahr 1995 einen erneuten Bau-Vorstoß. Doch auch dieser brachte nicht den gewünschten Erfolg. Die CDU, damals in der Opposition, sprach sich vehement gegen die Pläne aus. Man teilte die Vorbehalte des Kölner Umweltamtes, das die Rennbahn als »herausragendes Biotop« sieht, dessen Verlust nicht auszugleichen wäre.

Sinneswandel bei der CDU

Der Kölner Rennverein jedoch gab nicht auf: Vor zwei Jahren standen schon wieder 4,2 Hektar »attraktives Bauland« des 55 Hektar großen Rennbahn-Areals zum Verkauf, auf dem man 235 Wohnungen errichten will. Die CDU, mittlerweile in der Regierungsverantwortung, entwickelte plötzlich Sympathien für den Bebauungsplan und konnte jetzt auch die Argumentation des Rennvereins nachvollziehen, der den Verkauf eines Teiles der Rennbahn für das finanzielle Überleben der gesamten Anlage als notwendig ansieht. Was aber möglicherweise auch an einer großzügigen Parteispende der Oppenheim-Tochter Neptuno Verwaltungs- und Treuhand GmbH gelegen haben mag. In deren Rechenschaftsberichten von 1998 und 2000 tauchen Spenden in Höhe von umgerechnet rund 50.000 beziehungsweise 100.000 Euro auf.

Bürgerproteste

Zur Offenlegung der Bebauungspläne im letzten Sommer formierte sich geharnischter Bürgerprotest. Animiert vom Bürgerverein »Grüne Lunge« artikulierten 1.500 RennbahnanwohnerInnen ihren Zorn, und deshalb schob der Stadtentwicklungsausschuss die Entscheidung zunächst hinaus. Thomas Burghard, Sprecher der »Grünen Lunge«, erinnert sich an eine Podiumsdiskussion am 13. November 2002, auf der selbst Bietmann der Bebauung gegenüber »skeptisch« war. Die Grünen waren ohnehin »immer dagegen«. Leere Worte, wie sich jetzt zeigt. Die Bebauung – Moritz und Bietmann sei Dank – ist nun beschlossene Sache. Die »Grüne Lunge« jedoch hat einen langen Atem: Zur Not will die Bürgerinitiative vor das Oberverwaltungsgericht in Münster ziehen.