Foto: Manfred Wegener

Mondlandschaft und Unterwassermonster

Conny Crumbach hält Ausschau auf der Sophienhöhe

 

Wie ein gigantischer rechteckiger Sandkuchen steht der Berg in der flachen Landschaft. Als hätte hier irgendwann ein Riese mit Förmchen gespielt. Von weitem erkennt man die schachbrettartige Bepflanzung: Planquadrat an Planquadrat hat man verschiedene Baumgruppen nebeneinander gesetzt. Doch im März sind nur die Tannen grün. »Die forstwirtschaftliche Rekultivierung und die Erschließung eines Wanderwegenetzes von mehr als 70 km Länge hat die Sophienhöhe zu einem beliebten Ausflugsziel gemacht. Beeindruckend ist die Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt und der weite Ausblick auf die Landschaft. Bei klarer Sicht ist der Kölner Dom erkennbar.« Die Beschreibung des Vereins Jülich-Information zum Rheinbraun-Rekultivierungsprojekt »Sophienhö-he« klingt nach Idylle, unberührter Natur und attraktivem Naherholungsgebiet.

Ausflug ins Bizarre

Doch ein Ausflug zu diesem Ort ist eher etwas für Freunde des Bizarren. Hier wird in beeindruckender Weise das Ausmaß der landschaftlichen Veränderung durch den Braunkohletagebau deutlich: Die Sophienhöhe ist eine Außenhalde, aufgeschüttet aus den Erdmassen, die die Braunkohlebagger vor mehr als 20 Jahren aus dem Tagebau Hambach buddelten. 200 Meter ragt sie über die umliegenden Rübenäcker empor.
Es gibt zwei Zugänge für einen Aufstieg. Wir entscheiden uns für den geheimeren, ohne Infotafel und Café, und damit zugleich für den direkten Aufstieg zum »Hochplateau«. Der Weg führt über ausgetretene Holzstufen steil hinauf. »Nicht gerade rentnerfreundlich«, merkt Sandra an, die allerdings noch knapp 35 Jahre vom Ruhestand entfernt ist. Wir anderen drei japsen beim Treppensteigen untrainiert vor uns hin.

Künstliche Ruhe

Ungewöhnlich still ist es auf dem Weg, einsam und verlassen. Obwohl es Samstagnachmittag ist und die Sonne scheint, treffen wir kaum Menschen. Lediglich ein paar Mountainbikefahrer kreuzen auf den breiten Sandstraßen, die ebenfalls nach oben führen, unseren Weg. Die Ruhe ist erholsam und wirkt doch künstlich. Es scheint, wir sind auf dem Planeten »Nature In Progress« – ökologisch wertvoll, aber irgendwie zu offensichtlich auf dem Papier konzipiert. Nach einer Dreiviertelstunde wird es flacher, und wir laufen auf den breiten Sandwegen Richtung Aussichtspunkt.
Wir machen Halt an einem Biotop mit Schilfbepflanzung, von denen es auf der Hochebene der Sophienhöhe einige gibt, und sind zum ersten Mal von der Natur begeistert. Stefan, unser Käfer- und Wassertierexperte, kommt extra wegen dieser Biotope und ihrer Artenvielfalt hierher. Mit Käscher und Einmachglas ausgerüstet, begibt er sich prompt auf die Jagd und präsentiert uns ein Unterwassermonster: einen Gelbrandkäfer. Uns ist er etwas unheimlich. Er hat die Größe einer Kakerlake, und wir erfahren, dass er seine Feinde – kleine Fische und Frösche – mit einem lähmenden Hormon aus seiner Wehrdrüse unschädlich macht. Wir lassen ihn lieber in seinem Biotop und laufen weiter zum Aussichtspunkt.

Mondpanorama und schwarze Löcher

Dort erwartet uns eine wahre Mondlandschaft: Sandhügel, auf denen man Urlaubsfotos aus der Wüste Gobi nachstellen könnte. Die Sicht ist klar und der Ausblick beeindruckend, wenn auch nicht unbedingt »herrlich«, wie Rheinbraun es beschreibt. Unter uns liegt der Tagebau Hambach. Wir sehen die riesigen Ausmaße eines schwarzen Lochs, das irgendwann mal Landschaft war. Links stehen die Kohlekraftwerke, die weißen Qualm in den blauen Himmel blasen.
Während das Hambacher Loch nicht mehr in die Breite wächst, wird man im benachbarten Tagebau Garzweiler II noch weitere Ortschaften abgraben.
Auf dem Rückweg machen wir einen Abstecher nach Otzenrath, das 2006 von der Landkarte verschwinden soll, falls Garzweiler II tatsächlich weiterhin genehmigt wird. Bereits jetzt entsteht ein paar Kilometer entfernt Neu-Otzenrath. Kommt man von der Autobahn, fährt man links in den alten Ort, in dem bereits einige Häuser leer stehen, und rechts, etwa einen Kilometer vom Ortseingang entfernt, direkt auf den Bagger zu. Und nach der Fahrt durch das Dorf und an den Rand des Tagebaus fragen wir uns, wie viele Dörfer wohl Teil des so genannten Abraums sind, aus dem die Sophienhöhe aufgeschüttet wurde.

Info
Karten- und Infomaterial zur Sophienhöhe: Rheinbraun bzw. RWE, Stichwort »Sophienhöhe«, Stüttgenweg 2, 50935 Köln, Tel. 480-0
Internet
www.juelich-information.de (allgemeine Infos zur Sophienhöhe und Angebote von Führungen)
www.ostwindfreunde.de (Infos zu Para-Gliding an der Sophienhöhe)
www.bund-nrw.de/braunkohle-garzweiler.htm (Chronik über Ereignisse und politische Auseinandersetzungen zum Thema Braunkohle und Tagebau)
Anfahrt
Sophienhöhe: Mit dem PKW über die A4 Richtung Aachen, am Kreuz Kerpen auf die A61 Richtung Mönchengladbach. Ausfahrt Bergheim-Elsdorf auf der B55 Richtung Jülich, dann rechts Richtung Titz, links Richtung Welldorf. Vor Welldorf durchquert man den Ort Güsten. Dort biegt man nach ca. 150m links in die Straße »Buschfeld« ein. Auf einer kleinen Brücke überquert man die B55 und erreicht den Fuß der Sophienhöhe.
Otzenrath: Wie oben auf die A61 Richtung Mönchengladbach. Am Kreuz Jackerath auf die A44 Richtung Grevenbroich. Ausfahrt Otzenrath.