Alltag mit Ahne

Surfpoet Ahne erzählt: »Ich fang noch mal von vorne an«

Für viele junge Menschen, die in Berlin zu den wöchentlich stattfindenden Lesungen der »Surfpoeten« gehen, ist Ahne schlicht »Kult«. Das Unwort ist insofern aufschlussreich, als es klarstellt: Hier geht es um Fan-tum und um (noch so ein Wort mit Aufstieg- und-Fall-Biografie) Pop. Deshalb ist auch klar: Entweder man mag Ahnes Geschichten, oder eben nicht. Warum aber gilt für so viele Menschen ersteres?
»Ich fang noch mal von vorne an« enthält eine Vielzahl kurzer Texte, in denen sich Absurditäten, Skurrilitäten, ja: Debilitäten des Alltags zu Geschichten fügen, die in den wenigsten Fällen wirklich welche sind. Was die Texte stattdessen zusammenhält, sind Assoziationen, Sprachspiele, Übertreibungen und ein schnodderig-schrulliger Stil, der gleichzeitig an Helge Schneider, Max Goldt und Rocko Schamonis »Studio Braun« erinnert. Die Funktionsweise ist – »Dilettantismus« (FAZ) hin oder her – ziemlich durchdacht: Mit einem Minimum an Begriffen, oft nur mit einem Wort, wird beim Leser ein kollektives Alltagswissen abgerufen, das schon im nächsten Nebensatz mit einem ungewöhnlich bis absurden Moment kombiniert wird, wodurch ein komischer Effekt erzielt wird, welcher dann beliebig weit übertrieben werden kann: »Atomkraftgegner von Greenpeace oder Robin Wood haben sich an die Gleise gekettet oder sogar ins Gleisbett einbetoniert. Das muss man sich mal vorstellen. Was, wenn man den Zug einfach zurückfahren würde irgendwo anders hin und die armen Menschen da einfach in Beton gegossen, als Mahnmal sozusagen hinterließe«.
Dieses Verfahren mündet letztendlich in eine wirklich lustige universelle Ironie, der nichts heilig zu sein scheint, die aber an ihre Grenzen stößt, wenn sich Themen der Verhohnepipelung versperren, beispielsweise »09/11«. Die Schäden halten sich allerdings in Grenzen: Das betreffende Stück ist eher belang- als geschmacklos geraten.
Die im Sinne der Komik funktionierenden Stücke (und das sind fast alle) sind mehr als Ulk. »Weil er mit der SED nicht klarkam, kam 1989 die Wende und er wurde arbeitslos. Darüber hat er sich gefreut und ein Haus besetzt«: Was der Klappentext hier als Ahnes Kurzbiografie anbietet, das hört sich leicht, weil komisch an, enthält aber das durchaus dramatische kollektive Schicksal jener, die zum Zeitpunkt des Mauerfalls gerade erst die Schule verlassen hatten. Keine Henselschen »Zonenkinder« von 13 Jahren, sondern 20jährige, in deren Biografie das Jahr 1989 weitaus radikalere Konsequenzen hatte. Zahlreich sind die Stellen, an denen bei aller Komik ein Bewusstsein von der Härte des Lebens und der Geschichte mitschwingt, etwa wenn es um DDR-Gefängnisse, ausbleibende »blühende Landschaften« oder um Arbeitslosigkeit geht. Immer wieder bahnt sich ein durchaus »ernster« Realitätsgehalt seinen Weg durch den Schnodderton des Komischen. Dem Schweren das Leichte abringen: nicht die schlechteste literarische Tradition.

Ahne: Ich fang noch mal von vorne an, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003, 250 S., 8,90 EUR.