Fiese Texte, fiese Bilder

In NRW werden Internet-Access-Provider angewiesen, den Zugang zu rechtsextremen Internetseiten zu sperren. Teile der linken Internet-Community halten das für Zensur.

Ob Satanismus, Pädophilie, Rechtsextremismus, Terrorpläne, Raubkopien oder Hardcore-Pornos: Fiese Texte und fiese Bilder finden sich zuhauf im Internet. Milliarden von internationalen Seiten sind schwer zu kontrollieren, und als globales Medium unterliegt das Internet auch keiner eindeutigen Gerichtsbarkeit. Um dennoch eine etwaige Handhabe gegen strafrechtlich relevante Inhalte zu haben, schlossen die Innenminister der Bundesländer 1997 den Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV). Zumindest als Auftrag beinhaltet der Vertrag die Einigung, gegen die Anbieter einschlägiger Inhalte vorzugehen mit dem Ziel, solche Seiten unzugänglich zu machen.

Mitverantwortung der Access-Provider

Anbieter allerdings gibt es verschiedene: Zum einen diejenigen, die den Inhalt anbieten (Content-Provider), also die Autoren und darunter gegebenenfalls auch die eigentlichen Schurken. Oft sind sie anonym oder im Ausland und damit von der deutschen Justiz nicht zu erreichen. Zum anderen gibt es die Anbieter, die den Webspace für die Seiten zur Verfügung stellen (Service-Provider); gerade bei Nazi-Seiten sind diese oft in den USA beheimatet und auf rechtsextreme Inhalte spezialisiert – sie werden von US-Gesetzen (»free speech«) geschützt. Zuletzt gibt es noch die Anbieter für den Zugang auf die Seiten (Access-Provider) – sie stellen die Verbindung her zwischen Home-PC und Webseite. Der Mediendienste-Staatsvertrag weist ihnen deshalb eine Mitverantwortung im Verbreitungsprozess von Webseiten-Inhalten zu.

Einwände der Provider vor Gericht gescheitert

Bisher passierte allerdings nicht viel. Seit letztem Jahr jedoch weist die Düsseldorfer Bezirksregierung unter Regierungspräsident Jürgen Büssow, die die Medienaufsicht für ganz NRW inne hat, vermehrt Zugangs-Provider mit Sitz in NRW an, bestimmte Seiten zu sperren. Einige Provider klagten dagegen, da sie ihrer Meinung nach »lediglich einen Dienst ähnlich der Telefonleitung der Telekom« zur Verfügung stellten, also eine Art Transportmittel ohne Kontrollmöglichkeit der Inhalte. Eine In-Pflichtnahme sei deshalb unverhältnismäßig, mit technischem Aufwand verbunden und überdies bestünde das Risiko, dass Kunden zu anderen Zugangs-Providern wechselten, die keinerlei Sperren vornehmen müssten. Diese Einwände sind vor den Gerichten jedoch stets gescheitert, zuletzt vor dem Oberverwaltungsgericht Münster.

Mündige Bürger

Bis jetzt drehten sich die Streitigkeiten bei elf (!) Gerichtsverfahren um lediglich zwei Internetadressen. Es handelt sich dabei um die Neo-Nazi-Seiten einer Gruppierung namens »stormfront« und um die Seiten des einschlägig bekannten US-Neo-Nazis Gary Lauck. Dass die Inhalte dieser Seiten gegen einige deutsche Gesetze verstoßen, liegt auf der Hand. Dennoch kritisiert der Chaos Computer Club (CCC) stellvertretend für viele Internet-User eine Sperrung des Zugangs zu solchen Seiten als Zensur. »Als mündiger Bürger möchte ich mir selbst über so was mein Urteil bilden«, erläutert Lars Weiler, Pressesprecher des CCC in Düsseldorf die Kritik. »Wenn ich mir so eine Seite anschaue, muss ich sie ja willentlich aufrufen; mir wird also nichts vorgesetzt, was ich nicht sehen will wie zum Beispiel bei Zusendung einer Broschüre oder meinetwegen E-Mail.« Zudem seien die Maßnahmen technisch »lächerlich«, denn »wer die gesperrten Seiten unbedingt sehen will«, so Weiler, »findet sie dann unter anderer Adresse«. Um rechtsextremer Propaganda entgegenzuwirken, sei eher die Stärkung von Medienkompetenz der Internet-User vonnöten, »doch für solche Bildungsprojekte hat das Land wohl kein Geld übrig«.

Vertrauen auf Engagement der Netzgemeinschaft

Der zuständige Regierungsdirektor Jürgen Schütte weist die Vorwürfe zurück: »Wir tun das nicht etwa willkürlich, sondern gehen dabei unserem Auftrag nach, wie er im Mediendienste-Staatsvertrag geregelt ist. Im Übrigen: In anderen Medien darf nach deutschen Gesetzen auch nicht alles verbreitet werden.« Die Bezirksregierung als ausführendes Organ sei in diesem Fall nicht der richtige Ansprechpartner für die Kritik, und wer Informationsfreiheit vor den Schutz etwa der Menschenwürde stellen wolle, müsse das politisch diskutieren.
Diese Diskussionen, wie sie von Seiten des CCC oder auch auf www.odem.org oder www.netzzensur.de geführt werden, sind nicht neu. Seit Jahren gilt auf Internetseiten eine blaue Schleife (»blue ribbon«) als Zeichen gegen jegliche staatliche oder wirtschaftliche Einflussnahme, Zensur oder Kontrolle im Internet. Internet-Idealisten vertrauen dabei auf das Engagement der Netzgemeinschaft gegenüber kriminellem Missbrauch.
Dieses Vertrauen haben Politiker, Polizei und Geheimdienste angesichts des enormen kriminellen Potenzials des ungehemmten Informationsaustausches nicht. Internationale Vereinbarungen sind jedoch auf Grund großer kultureller Unterschiede und verschiedener Rechtsauffassungen alsbald höchstens auf EU-Ebene zu erwarten. Das NRW-Modell aber dürfte bald bundesweit Schule machen. Um dabei Inhalte effektiver ausschalten zu können, will man sich nun auch mit den Anbietern von Suchmaschinen auseinander setzen.