Glaube, Triebe, Hoffnung

Im März feierte das Museum Schnütgen Wiedereröffnung in der sanierten Cäcilienkirche – doch auch über seine Zukunftsperspektive entscheidet

der geplante Museumsneubau am Neumarkt. Hier sollen direkt nebenan zusätzliche Räume bezogen werden. Cordula Walter besuchte die neupräsentierte Sammlung sakraler Kunst und unterhielt sich mit der stellvertretenden Direktorin Dagmar Täube.

 

Sogar der Name hat sich
gewandelt, hat sozusagen einen Dreher bekommen: Das Schnütgen-Museum heißt jetzt wieder Museum Schnütgen, wie schon 1910 bei seiner Einweihung. Der Domkaplan Alexander Schnütgen hatte damals seine große Sammlung von Skulpturen, Schatzkunst, liturgischen Gewändern und Glasfenstern der Stadt Köln angeboten, unter der Bedingung, dass dafür ein Museumsgebäude bereitgestellt wird. Diese hochkarätige, im Laufe der Jahre durch Schenkungen und Neuerwerbungen stetig ergänzte Kollektion bestand weitgehend aus sakraler Kunst vom frühen Mittelalter bis zum Ausgang des Barock. Schnütgen bekam seinen Bau, damals noch einen Anbau an das Kölner Kunstgewerbemuseum am Hansaring. 1956 zog die Sammlung dann in die romanische Cäcilienkirche.

Innovatives Ausstattungs- und Beleuchtungskonzept

Nun die gefeierte Wiedereröffnung, nach eineinhalbjähriger Sanierungsphase. Was hat sich verändert? Blickt man von der Westempore in den Kirchenraum, zeigt sich das Mittelschiff wohltuend leer. Die farbigen Fenster, die großen Kranzleuchter und die braun-beigen Vitrinen wurden entfernt. So wollte es das »innovative Ausstattungs- und Beleuchtungskonzept« laut Katalog. Dazu gehören höhere, grau glänzende Vitrinen sowie »Downlights« in der Decke, die gleichzeitig Bewegungsmelder und Videokameras enthalten. Auch das reflektierende Lichtband über dem gesamten Mittelschiff fügt sich in die technisch-graue Farbigkeit, mit der der romanische Innenraum drastisch an das profane Jetzt angepasst wurde – allzu drastisch, wo man dem Raum die »Modernisierung« aufzwang. Der mächtige Stahlbalken, der zur Unterbringung der Technik in den Chorbogen eingespannt ist, erscheint da fast nostalgisch, erinnert er doch an die provisorisch gesicherten Mauerwerke der Nachkriegszeit.

Unmittelbares Auge-in-Auge

Für die Funktionalität des musealen Ausstellungsraumes, sprich für die Betrachtung der Exponate, sind die architektonischen Eingriffe schon eher ein Gewinn. Dahinter steht das offensichtliche Bestreben, mittels konsequenter Modernisierung die sakrale Patina abzukratzen und die Sammlung auch einer jüngeren Klientel zugänglich zu machen. Wer sich bislang von Madonnen und Heiligen so gar nicht angesprochen fühlte, der könnte durch deren präzise Beleuchtung und das unmittelbare Auge-in-Auge offener werden für die Kirchenkunst. Die perfekte Sicherheitstechnik ermöglicht eine Nähe und damit Intimität, wie es kein auf Abstand gehaltenes Meisterwerk zu tun vermag.

Individuelle Führung unter Beteiligung aller Sinne

Da lässt sich leicht ein Faible für romanische Skulptur entwickeln oder vertiefen: Bei der Betrachtung des Lächelns der »Muttergottes mit dem Bergkristall«, der würdevollen »Ollesheimer Madonna«, der trotzig-stolzen »Heiligen Margarethe« oder der ruhigen Monumentalität der »Sonnenburger Figuren«. Die Sammlung Schnütgen enthält zweifellos ganz wunderbare Stücke.
Das Team des Museums weiß, dass dieser Hort allein die Barriere zwischen mittelalterlicher Kirchenkunst und einer
säkularisierten Gesellschaft nicht aufheben kann. Deshalb gibt es auch eine Reihe begleitender
Veranstaltungen, die inmitten der Sammlung regelmäßig stattfinden: Konzerte, Lesungen, Vorträge und weitere Neugier stiftende Angebote, auch dazu dient die neue Technik samt Konzertbeleuchtung und Lautsprechern. Schließlich liegt man mit »Crossover« im Trend. Zusätzlich verfügt das Museum Schnütgen jetzt über ein supermodernes multimediales Besucherinformationssystem, mit dem man sich individuell und unter Beteiligung aller Sinne führen lassen kann - testen! Wird beispielsweise das Saxophon-beseelte »Officium« von Jan Garbarek durch die Kostbarkeiten der Schatzkammer geadelt, oder umgekehrt?
In der Krypta zuletzt kann man sich mit künstlerischen Todesängsten und -sehnsüchten konfrontieren lassen. Beispielsweise mit einem »Memento Mori« aus der Schweiz, um 1520, das den Verfall des menschlichen Körpers ganz schonungslos schildert. Kaum mehr mittelalterlich, aber schön schaurig.
Die Neupräsentation in dem sanierten Kirchengebäude ist der erste Schritt beim Relaunch des Museums: Für Teil zwei wartet man auf den Neubau.

Interview

StadtRevue: Die Sanierung des Museum Schnütgen ist erfolgreich abgeschlossen. Inwiefern würde Sie ein Baustopp des Kulturzentrums am Neumarkt noch treffen?

Dagmar Täube: Zur Kulturpolitik kann ich nicht Stellung nehmen. Ich kann nur soviel sagen: Wir glauben fest daran, dass der Neubau entstehen wird. Das wurde ja auch in den Reden bei der Eröffnung von Herrn Vesper und Herrn Schramma noch einmal bestätigt. Für uns ist es lebensnotwendig, dass gebaut wird. Wir haben unsere Konzeption deutlich auf den Neubau hin ausgerichtet und planen non-stop weiter. Das ist ja auch ein Zeichen, was wir setzen können. Wir sind sehr froh, dass Frau Hüllenkremer voll hinter uns steht.

Wie fühlt man sich neben einer riesigen Baugrube? Bis vor kurzem befand sich Ihr Haus noch in guter Gesellschaft von Kunsthalle und Kunstverein. Hat deren Wegfall Auswirkungen auf die Besucherzahlen im Museum Schnütgen?

Da haben wir noch keine Erfahrungswerte. Im Moment kommen viele Besucher, weil wir nach fast 18-monatiger Schließung gerade wiedereröffnet und das auch umfassend beworben haben.

Was haben Sie durch den Abriss des Josef-Haubrich-Forums konkret verloren?

Bis auf das Depot der Steinskulpturen befanden sich unsere sämtlichen Depots in einem unterirdischen Gang unter der Kunsthalle. Diese Werke sind jetzt bei einer Spedition eingelagert. Außerdem besaßen wir dort noch einen Lagerraum.

Was verspricht sich das Museum Schnütgen von den viel beschworenen Synergie-Effekten, die mit dem Kulturzentrum am Neumarkt entstehen sollen?

Mit dem gemeinsamen Eingang, den wir mit den anderen Nutzern von der Cäcilienstraße aus hätten, wären wir näher an den Neumarkt angebunden. Außerdem glauben wir, dass wenn mehrere verschiedene Kunstinstitutionen in einem Gebäude untergebracht sind, die einzelnen Einrichtungen eine größere Präsenz in der Stadt erhalten. Das Museum Schnütgen hat international und in der Fachwelt einen sehr guten Ruf, aber bei den Kölner Bürgern ist es nicht ganz so bekannt, wie wir es uns eigentlich wünschen.

Wie ist das Museum Schnütgen in den Neubau eingeplant?

Wir sind mit einer neuen Ausstellungshalle vorgesehen, die sich an unser jetziges Foyer anschließt. Dort wird unsere sehr große Sammlung an Steinskulpturen und Glasmalereien, die wir bisher nur in Auszügen zeigen konnten, unterkommen. Den an diesen Saal anschließenden Gang werden wir als Kreuzgang-ähnliche Situation präsentieren, mit unseren Kapitellen aus dem ehemaligen Kreuzgang von St. Gereon und sehr schönen Glasfenstern aus dem Kloster Altenberg. Das bisherige Foyer wird dann frei für unsere Textilien und Handschriften und das Kirchenmobiliar.

Mit anderen Worten: Ohne die versprochene Fläche im Kulturzentrum ist in der Cäcilienkirche jetzt ein großer Teil der Sammlung gar nicht zu sehen?

Richtig, eine ganz kleine Auswahl an Glasmalerei und Steinskulptur gibt es im Eingangsbereich, als Hinweis und Appetithappen auf das, was die Besucher später im Neubau erwartet.

Wird sich nur Ihr Ausstellungsbereich mit dem zukünftigen neuen Museumskomplex vergrößern?

Nein, wir bekommen auch neue Restaurierungswerkstätten und Depots. Und richtige Büroräume für alle Angestellten. Wie Sie sehen, sitzen wir hier sehr beengt in der Bibliothek, die ja auf Anfrage auch öffentlich ist. Der gesamte logistische Bereich wäre dann endlich auf neuestem technischem Stand.