Unsere kleine Stadt

Wenn schon, denn schon richtig vor die Wand: Die Ausfälle von OB Fritz Schramma und der kulturpolitische Schlingerkurs der letzten Monate gipfeln im »Fall Mundel«

Spiegel: Haben Sie jemals
mit Schramma über Ihre Pläne
gesprochen?
Mundel: Inhaltlich hat er mir nur
eine Frage gestellt: ob ich der Karnevalsveranstaltung der »Cäcilia Wolkenburg« in der Oper weiterhin Gastrecht gewähren würde.
Spiegel: Was haben Sie geantwortet?
Mundel: Schramma hat selbst die Antwort gegeben: Wenn nicht,
sei das Gespräch hiermit beendet.
(Der Spiegel, 5.5.2003)



In der konkurrenzlos führenden Kölner Tageszeitung findet Kultur auf der Rückseite des Sportteils statt. Den sportlichen Ehrgeiz der Kulturpolitik scheint das nicht zu beflügeln. Oder eben doch. Während der örtliche 1. Fußballclub bereits vorschnell wieder in die höchste Klasse aufgestiegen ist, tut die Kultur-Stadt alles, um
sich in vergleichbarer Geschwindigkeit, aber entgegengesetzter Richtung aus dieser endgültig zu verabschieden. Die spielentscheidende Frage hieß: Wie verliere ich mein Gesicht als verlässlicher Verhandlungspartner einer (so genannten) Kulturmetropole? Was sich OB Fritz Schramma geleistet hat, als er die Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer anwies, die bereits von ihm öffentlich zugesagte Berufung Barbara Mundels als neue Intendantin der Kölner Oper ab 2005 wieder abzusagen (telefonisch und ohne Angabe von Gründen), quittierten die überregionalen Referenzbücher gnadenlos: »Eine deutsche Kulturkapitale dankt ab« schrieb die F.A.Z. Die Süddeutsche hielt fest, dass Schramma »unter Missachtung aller demokratischen Spielregeln« gehandelt habe. Die heißen im Sport Fair Play.

Mutlose Maßnahmen

Nach über zweijähriger Suche hatte sich Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer im Dezember letzten Jahres für Barbara Mundel als neue Opernintendantin entschieden. Auch wenn Mundel nicht als Opernprofi gilt, erschien die Wahl kulturpolitisch richtig. Sie konnte auf Arbeits- und Leitungserfahrungen in renommierten Drei-Sparten-Häusern wie Basel und seit 1999 in Luzern als Intendantin verweisen. Mindestens genauso wichtig wie Fachkenntnis des Kandidaten ist ohnehin die Aufgabe von Stadtverwaltung und Politik, die städtischen Bühnen überregional wieder zu positionieren. Und das geht, wie jüngst nicht nur der renommierte Theaterkritiker Bernd Sucher innerhalb eines Experten-Hearings zur Perspektive der Kölner Bühnen meinte, nur mit risikofreudigen Maßnahmen. Mundel wurde öffentlich gelobt von Freunden eines avancierten Theaterbegriffs wie Matthias Lilienthal. Und noch der F.A.Z.-Opernkritiker Gerhard R. Koch schrieb, dass Mundel in Luzern »zwar an innerschweizerische Grenzen stieß« – das Abo-Publikum brach ihr Medienberichten zufolge weg –, »aber auch durch Mut und Qualität beeindruckte«.

»Ignoranter Politikstil«

Schrammas Absage ist mehr als eine vertane Chance. Der von ihm produzierte »Fall Mundel« belehrte alle eines Besseren, die gehofft hatten, dass aus dem Desaster der letzten Monate wenigstens gelernt wurde. Er bestätigt im Nachhinein die NZZ, die aus schweizerischer Fernsicht mit ein paar Detailfehlern, aber Blick fürs Wesentliche die Kölner Haushaltsmisere betrachtete: Geldmangel gebe es derzeit in vielen Kommunen, aber »die Kölner Kulturpolitik wäre kaum überregional ins Gerede gekommen, ginge es nur um Etatkürzungen und gefährdete Projekte und nicht auch um die Art, wie Entscheidungen verordnet, kommuniziert und durchgesetzt werden. Finanznot ist eines. Ein ignoranter oder aggressiver, in jedem Fall ungeschickter Politikstil ist das andere.« Inzwischen könnte man sich die angehängte Relativierung schenken.

Kulturausschuss vorgeführt

Es bleibt der Schaden. Von einem Brief, in dem die namhaftesten Akteure und Intendanten des deutschsprachigen Theaters (unter ihnen Frank Castorf, Gerard Mortier, Christoph Marthaler) Schramma aufforderten, zu der ursprünglichen Verabredung mit Mundel zurückzukehren, wird dieser sich wohl kaum beeindrucken lassen. Der Kulturausschuss, der als politisches Organ einstimmig für Mundel entschieden hatte, fühlt sich vorgeführt. SPD, Grüne und FDP wollen einen Sonderausschuss einberufen, in dem der OB Rede und Antwort steht. Die CDU tut Schramma den Gefallen, alles Marie Hüllenkremer zuzuschieben, die angeblich eigenmächtig gehandelt habe.
Barbara Mundel erwägt einen Rechtsstreit mit der Stadt. Die möglicherweise entstehenden Kosten könnten Schramma einen Strich durch die Rechnung machen. Als Begründung für die Rücknahme der Berufung hatte er nämlich Einsparungen im Haushalt angegeben, die seine neueste Sparliste auf insgesamt 725.000 Euro beziffert. Doch ob es wirklich nur finanzielle Günde waren, die Schramma aufs diplomatische Glatteis führten? Hinter den Kulissen gab es besonders in der CDU erhebliche Bedenken gegen eine »experimentelle« Intendanz Mundel.

Intendant ohne Erfahrung

Und jetzt? Politik und Verwaltung verhandeln bis zum Haushaltsbeschluss im Juli über die neueste Sparliste Schrammas. Dabei wird es um sicherlich notwendige Einsparungen, aber erneut um demokratische Spielregeln gehen: Zählt der im schwarz-grünen Koalitionsvertrag festgehaltene politische Wille, oder vollstreckt der OB im Alleingang Entscheidungen und liest weiter die Sportseiten.
Neuer Opernintendant wird übrigens der bisherige Operndirektor Christoph Dammann. Er ist 39 Jahre alt und hat noch keine Intendantenerfahrung. Dafür ist er promovierter Musikwissenschaftler, und – was in Köln eben Wunder wirkt – er kennt, so Schramma, »das Haus und seine Strukturen bereits sehr gut«. Wie war das noch mit dem Tellerrand?