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Verschwiegenheit ist Pflicht

Cross Border Leasing und kein Ende. Nach Messehallen und Straßenbahnen soll jetzt die Kölner Wasserversorgung an ein US-Unternehmen gehen

Man nehme: ein kommunales Wassernetz nebst Wasserwerken. Übertrage die Besitzrechte für Jahrzehnte an ein US-Unternehmen, das sich, völlig legal, enorme Steuervorteile in Übersee verschafft. Lasse sich einen Bruchteil dieses Geldes überweisen. Und werde augenblicklich Mieter der guten alten Wasserrohre.
Was nach einem Rezept aus dem Kochbuch für Bekloppte klingt, wird derzeit in Köln vorbereitet, wenn auch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei birgt das von der GEW RheinEnergie AG geplante Cross Border Leasing (CBL) hohe Risiken (siehe INFO-Kasten unten).

Drei-Phasen-Modell

Eingehen will RheinEnergie das Geschäft, wenn »garantiert« 25 Mio. Euro damit verdient werden können. So hat es der Aufsichtsrat in der Sitzung am 16. Juli letzten Jahres beschlossen. Nach kurzer Debatte stimmte das Gremium damals »dem beabsichtigten Cross Border Leasing bezüglich der Wassernetze der GEW RheinEnergie AG im Grundsatz zu.« Das geht aus der internen Beschlussvorlage hervor, die bei drei Enthaltungen angenommen wurde.
Abgesegnet wurde ein »Drei-Phasen-Modell«, das von der Festlegung der rechtlichen wirtschaftlichen Struktur und Auswahl des Investors über Vertragsverhandlungen bis zur »Nachbereitung« reicht. In diesem Prozess soll ein externer Arrangeur die Federführung übernehmen, was durchaus nicht unüblich wäre. Bereits vor der Aufsichtsratssitzung hatte der Unternehmens-Vorstand mit fünf interessierten Banken »entsprechende Sondierungsgespräche geführt«.

»Attraktive Rendite« für den US-Investor

Den Zuschlag bekam – was RheinEnergie nicht dementiert – die Deutsche Bank. Ihre Rolle: »Beratung im Projekt, die Projektleitung und -steuerung sowie die Auswahl von Beratern«. Letztere sollen unter anderem die Risiken des angestrebten Deals minimieren – die Risiken für RheinEnergie, wohlgemerkt: Dass der US-Investor eine »attraktive Rendite« einfahren wird, gilt offenbar als ausgemachte Sache. Jedenfalls wird es ausdrücklich in dem Beschlusspapier vermerkt.
Zunächst aber entstehen Rhein-Energie Kosten: Bereits in der ersten Phase fallen diese, so das Papier, »in zum Teil erheblichem Umfang« an. Intern geht man von bis zu 3 Mio. Euro aus. Die Summe dürfte aber eher zu niedrig
angesetzt sein: Als im Sommer 2000 der Versuch scheiterte,
Aachens Müllverbrennungsanlage zu verleasen, hatte die Printenstadt bereits 9,5 Mio. Euro bezahlt: an Arrangeure und Berater.

Fehlende Transparenz

Christoph Preuß, Pressesprecher von RheinEnergie, schweigt sich zur Kostenfrage lieber aus. Und auch in Zukunft will das Unternehmen nicht mehr Transparenz zulassen. Vertragseinsicht vor Unterschrift? Zum Beispiel für Stadträte? Preuß: »Da Verträge immer Details aus der Schutzsphäre des Unternehmens beinhalten, werden diese grundsätzlich nicht veröffentlicht.« Das
ist reichlich bemerkenswert für ein Unternehmen, das sich faktisch in städtischer Hand befindet: als 80-prozentiges Tochterunternehmen der GEW AG, die zum kommunalen Stadtwerkekonzern gehört.
Aber die Stadt hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidung der RheinEnergie AG. Das hatte sich offenbar Kooperationspartner RWE ausbedungen: »Auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrages musste verzichtet werden, weil die RWE-Gruppe, die mit 20 Prozent an der GEW RheinEnergie AG beteiligt ist, ihre Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmen wahren wollte.« Auch der Stadtrat habe »keine Möglichkeit«, auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen. So besagt es die Antwort der Stadtkämmerei auf eine Anfrage der PDS-Ratsgruppe.

Komplizierte Verträge

Aber die kölschen Honoratioren im Aufsichtsrat? Können sie wenigstens ihrer Kontrollpflicht in Sachen CBL nachkommen? Eher nicht. Selbst OB Fritz Schramma (CDU) und Konsorten sollen nur die »Eckpunkte des Vertragswerks ... zur Beschlussfassung vorgelegt« bekommen. Das haben sie selbst wortwörtlich so beschlossen, als sie dem Deal zustimmten – ein durchaus gängiges Procedere bei den englischsprachigen, bis zu 2000 Seiten starken Verträgen.
Zumindest ein Aufsichtsrat würde gerne mehr wissen: Martin Börschel, Chef der SPD-Ratsfraktion. Er wartet darauf, vom Unternehmens-Vorstand »zum Sachstand« informiert zu werden. Das habe seine Fraktion schriftlich erbeten. Aber: »Eine Antwort ist noch nicht erfolgt«.
ATTAC und PDS Köln befürchten derweil, dass sich der Aufsichtsrat bereits Mitte Juni für einen Investor entscheiden könnte. Doch RheinEnergie-Pressesprecher Preuß dementiert: Man müsse erst Beurteilungskriterien finden und stecke daher noch »rein in einer Meinungsbildungsphase«.

INFO

Cross Border Leasing

Nach deutschem Recht bleibt die Kommune bei Cross Border Leasing (CBL) Eigentümer einer verpachteten und dann zurückgeleasten Anlage. Nach US-amerikanischem Recht jedoch der US-Investor – nur deshalb kann er einen Steuervorteil einstreichen. »Es kann nur einen Eigentümer geben«, wendet Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler ein, »Prozesse sind da quasi vorprogrammiert.«
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) fordert, dass Kommunen den vom Investor erhaltenen Betrag bis ans Ende der Vertragslaufzeit verzinslich anlegen müssten – als »Vorsorge für die finanziellen Folgen von Vertragsstörungen.« Die Anlagen werden für viele Jahrzehnte an einen US-Investor verpachtet (»Hauptmietvertrag«), aber nur für für einen Bruchteil dieses Zeitraumes zurückverleast an die Kommune. Für den Rest der Zeit könnte der Investor an andere Interessenten vermieten oder verpachten.
Auch könnte der Stadt Köln in rund 30 Jahren schlicht das Geld fehlen, um ihr Wassernetz zurückzukaufen. ATTAC Köln befürchtet daher eine »Privatisierung durch die Hintertür«.
In Frankreich, so wurde jüngst auf einer ATTAC-Veranstaltung in Deutz gewarnt, sei die Wasserqualität nach der Netz-Privatsierung merklich gesunken. Die Preise jedoch seien um 150 Prozent angestiegen.
Zudem könnte der Wert des Kölner Netzes etwa durch Wassersparmaßnahmen sinken. Dann würde der Investor Schadensersatzansprüche nach US-Recht geltend machen.


Veranstaltung

ATTAC hat für den 15.6 um 15 Uhr eine Protestveranstaltung vor der GEW-Hauptverwaltung in Ehrenfeld, Parkgürtel 24, angekündigt.