Foto: Manfred Wegener

Auf Knien durchs Ordnungsamt

Kneipen, die ihre Kundschaft mit Musik bedienen, haben wieder einmal Probleme mit der Stadt. Doch die Wirte beginnen, sich zu wehren.

Kölner Kneipen, Clubs und andere Lokale gerieten in den letzten Wochen und Monaten mehr und mehr unter behördlichen Druck. Das Ordnungsamt hat seine Nachtstreifen erhöht und Läden wie Apropo, Elektra, Päff, Red Cat Lounge oder Umbruch die Daumenschrauben angelegt. Das Sonic Ballroom musste nach einigem Hin und Her (siehe StadtRevue 4/03 und 5/03) endgültig schließen.
Auf Initiative des Kölner Autors Christoph Heitmann fand daraufhin eine Demonstration gegen die Kölner Ordnungspolitik statt, auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Ordnungsamt wurde eingereicht. Kölner Wirte, die sich seinem Protest anschließen wollten, sollen angeblich durch indirekte Drohungen von Ordnungsbeamten namentliche Beschwerden zurückgezogen haben. Doch der Widerstand formiert sich: VertreterInnen von z.B. Blue Note, Loft, Stadtgarten und Subway verlangen einen Runden Tisch. Andere aus dem Umfeld von »IG Gastro« (der Wirteversammlung des Kwartier Lateng) strengen einen Musterprozess an.

»Natürlich gibt es da eine Grauzone«

Hintergrund ist in allen Fällen der Vorwurf, gegen die Konzession zu verstoßen. »Erlaubnis zur Betreibung einer Schankwirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit« – so lautet die amtliche Bezeichnung der gängigen Konzession, die rund 95 Prozent der Kölner Wirte haben. »Wenn Musik als Leistung im Vordergrund steht, dann ist das eine Betriebseigentümlichkeit, und dann brauchen sie eine Musikgaststättenkonzession«, argumentiert Heinz Brockert, Leiter des Bezirksamtes in der Herkulesstraße. Dafür benötigt man nach Lesart des Amtes Schallisolierungen, Schallgutachten und Nutzungsänderungsanträge beim Bauamt – das bedeutet Kosten von 5.000 Euro bis zu mehreren 10.000 Euro, je nach Schallisolierung. Bei echten Musikclubs vielleicht nachvollziehbar, für die Studentenkneipe an der Ecke jedoch nicht.
»Natürlich gibt es da eine Grauzone«, gibt Amtsleiter Brockert zu. Tatsächlich ist im Gaststättengesetz von 1970 eine solche »Musikgaststätte« gar nicht geregelt. Mit dem Bundesgesetz hat der Gesetzgeber nähere Bestimmungen den Ländern und Kommunen überlassen – um bei einer so sensiblen Frage wie dem Feiern in Kneipen regionalen Gewohnheiten Raum zu lassen. In der Praxis bedeutet das einen weiten Ermessensspielraum für die Ordnungsbehörden, der durch interne Dienstanweisungen, z.B. von der Bezirksregierung, genutzt werden kann.

Rechtsfreier Raum

»Sie können das als Rechtsunsicherheit betrachten, eigentlich geht es hier aber um Flexibilität«, erläutert Saskia Niemann von der IHK Köln. »Wenn Sie da etwas genauer regeln wollen, laufen Sie Gefahr, den Wirten anderweitig Freiraum zu nehmen.«
In der Praxis lässt das Kölner Ordnungsamt von diesem Freiraum zurzeit eher wenig übrig: Die Beamten greifen manchmal schon ein, wenn mehr als 20 CDs, zwei CD-Spieler oder gar ein Mischpult in der Kneipe vorhanden sind. So ziemlich jedes irgendwie musikalisch geprägte Lokal in der Innenstadt begibt sich also in rechtsfreien Raum. »Aber in der Regel drücken wir ja so lange die Augen zu, wie keine Beschwerden kommen«, behauptet Brockert. Wer sich aber aus welchem Grund beschwert, wird dabei nicht hinterfragt und ist für die Wirte in der Regel nicht zu erfahren. Nur zufällig fielen Dauerbeschwerer in der Südstadt auf, die auf diese Weise eine Mietminderung erreichen wollten. In anderen Fällen kann auch die Konkurrenz von der Kneipe gegenüber eine Beschwerde lanciert haben.

Klüngel im Spiel?

Welche Kneipen härter und welche weniger hart angefasst werden, scheint genauso im Ermessen des Amtes zu liegen wie die eigentlichen Regelungen. Inwieweit es eine Rolle spielt, wie sympathisch den Beamten das Publikum eines Lokals ist, wie gut der Draht des Konkurrenzbetriebes zur Verwaltung ist oder ob Klüngel im Spiel ist, lässt sich nicht nachweisen. Doch rechtliche Grauzonen lassen sowohl der Verwaltung als auch der Fantasie großen Spielraum.
Deutliche Worte findet Hubert Heller, alteingesessener Gastronom im Kwartier Lateng und Interessenvertreter der IG Gastro und der Kölner Sektion des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes: »Nach anderthalb Jahren relativer Ruhe gehen die zurzeit unglaublich hart vor. Da dreht ein Ordnungsamtsmitarbeiter durch.« Wer das für ihn ist, daran lässt er keinen Zweifel: »Bei dem Brockert gehen Sie auf Knien über’n Fussboden ins Büro und unterm Teppich wieder raus.«

Der Fall Sonic Ballroom

Es fragt sich, wie im gegenseitigen Einvernehmen der rechtliche Freiraum gestaltet werden kann, wenn im Ordnungsamt autoritäre Haltungen bevorzugt werden. Auch im Falle des Sonic Ballroom hatte der betroffene Wirt Roman Pauels über mangelnde Gesprächsbereitschaft und äußerst undiplomatisches Verhalten der Ordnungsbeamten geklagt.
Einigen Kneipiers ist die Ungewissheit der eigenen Lage im Spannungsfeld von rechtlicher Grauzone und autoritärer Behördenwillkür zu viel. Mit Rückendeckung seiner Wirtskollegen will Lutz Persel, Inhaber des Umbruch, nun einen Musterprozess gegen die Musikgaststättenregelung führen.