Foto: Manfred Wegener

Über den Mindestlohn können wir nur lächeln?

CineCologne fasst vier Kölner Film­festivals unter einem Dach zusammen: ein Gespräch mit den Machern über Chancen und ­Probleme der Digitalisierung, fehlende Leinwände in Köln und den jährlichen Kampf ums Überleben

Welche Probleme erwachsen Filmfestivals durch die Digitalisierung?

 

Joachim Steinigeweg: Wir vom Kinderfilmfestival Cinepänz hatten in den letzten Jahren das Problem, dass Kinos oft schon gar keine analogen Filme mehr spielen konnten. Dann haben wir Blue-Rays oder DVDs ge-beamt, also nicht die optimale Qualität. Inzwischen scheint sich die Situation dahingehend zu verbessern, dass die internationalen Rechte-inhaber DCPs, also Festplatten, zur Verfügung stellen, die dem Qualitätsstandard für digitales Kino entsprechen. 

 

Michael Aust: Ich sehe einen großen Vorteil in der Digitalisierung. Für Soundtrack Cologne ermöglicht sie das Festival überhaupt erst, weil wir auch an anderen Orten als im Kino spielen können. Wir zeigen vor allem Blue-Rays, weil man dann unkompliziert in einem Raum einen Beamer aufbauen kann.

 


Man nimmt also Abstriche in der Qualität in Kauf?

 

Aust: Wir spielen Musikdokumentationen, die fast immer digital gedreht worden sind. Ich glaube, dass es für das Kinogefühl in unserem Fall oftmals wichtiger ist, dass der Ton stimmt.

 

Stephan Sarasi: Wir spielen ja nur im Filmhaus Kino, das ich zusammen mit Felix Seiffert momentan im Rahmen einer Zwischennutzung betreibe. Wir haben bei unserem Debütfilm-Festival Exposed daher keine Möglichkeit, DCPs abzuspielen und können momentan als Zwischennutzer für eine Umrüstung auch keine Förderung beantragen. Wir behelfen uns mit Blue-Rays — was manchmal schon ein bisschen weh tut. Das Problem ist natürlich auch: Die Umrüstung kostet mit Einbau ca. 60–?80.000 Euro, aber du weißt nicht, ob in fünf Jahren nicht ein neuer Kinostandard gilt mit besserer Auflösung. Ein 35mm-Projektor hat dagegen 50 Jahre gehalten.

 

Johannes Duncker: Bei Kurzfilmen ist die Frage, wie geht man mit den unterschiedlichen Dateiformaten um? Wenn ein File läuft, heißt das noch lange nicht, dass das nächste geht. Wenn man eine 35mm-Kopie hat, weiß man, die ist ok, bei einem File kann es sein, dass der Film nach der Hälfte wegen eines Dateifehlers abbricht. Beim Budget unseres Kurzfilmfestivals Unlimited ist die Arbeit nicht zu leisten, alle Dateien in das gleiche Format zu konvertieren, sodass man eine gleichbleibende Qualität garantieren kann. Das Ende des analogen Kinos bedeutet für uns allerdings auch eine Ersparnis an Versandkosten. Wir sind froh über jeden Film, den wir nicht zurückschicken müssen.

 


Steigen jetzt insgesamt die Kosten oder fallen sie?

 

Aust: Transportkosten werden gespart, auf der anderen Seite entstehen immer mehr Filme nur noch für den Festivalmarkt, was dazu führt, dass die Kosten für Vorführungen massiv ansteigen.

 


Weil viele Filme gar nicht mehr in die reguläre Kinoauswertung kommen, wird versucht, über Festivalvorführungen Geld einzunehmen?

 

Sarasi: Genau. Die Weltvertriebe versuchen so, zumindest einen Teil der Kosten zu decken. Aber 1000 Euro für drei Vorführungen können wir nicht zahlen.

 

Eine aktuelle Studie über die Auswirkung der Digitalisierung auf filmkulturelle Institutionen in NRW kommt zum Ergebnis, dass in Köln zwar landesweit am meisten Veranstaltungen stattfinden, aber es um die In-frastruktur am schlechtesten bestellt ist. Was fehlt?

 

Sarasi: Es fehlt in Köln an Kinos. Schön wäre es, wenn es einen Ort gäbe mit drei bis fünf Leinwänden, ein Festivalzentrum mit schönem Café, wo Filme von Soundtrack Cologne, Unlimited und Exposed laufen und vorher ein Kinderfilm von Cinepänz. Ein Ort, wo sich die Leute aus den verschiedenen Sparten über den Weg laufen. Aber es ist überhaupt nicht absehbar, dass es so etwas irgendwann einmal in Köln geben wird.

 

Aust: Wir versuchen dieses Jahr rund, um den Neumarkt eine Art Festivalzentrum aufzubauen: Wir teilen uns den Kölnischen Kunstverein mit der neuen Veranstaltung Videonale Scope und einer Tagung des Filmbüro NRW und bespielen die Fritz-Thyssen-Stiftung, das Gloria und das Rautenstrauch-Joest-Museum. Ich glaube, dass da ein Festivalgefühl aufkommen kann. Zusätzlich zeigen wir aber auch noch Filme im Odeon und in der Filmpalette.

 


Christine Bernau: Wir möchten bei Unlimited an Off-Orten spielen, aber nicht ausschließlich, der Wettbewerb soll in einem Kino bleiben. Das wäre dieses Jahr nicht möglich gewesen, würden alle CineCologne-Festivals zeitgleich spielen.

 

Cinepänz und Unlimited haben sich in den letzten Jahren verkleinert, weil Mittel weggefallen sind. Gibt es eine Sicherheit für den Bestand der Festivals in der jetzigen Form und Größe?

 

Sarasi: Es gibt keine Sicherheit. Wir von Exposed sind von der jährlichen Projektförderung durch die Stadt abhängig. Man muss jedes Jahr neu begründen und aufwändige Anträge und Abrechnungen erstellen. Bei den Summen, die wir bekommen, stehen Aufwand und Ertrag eigentlich in keinem Verhältnis mehr.

 

Aust: Die Förderstruktur wandelt sich bei uns jedes Jahr und damit auch die inhaltlichen Vorgaben durch die Förderer. Wir haben einmal überschlagen, dass wir ca. ein Drittel unseres gesamten Geldes nur für die Verwaltung der Förderung ausgeben, also Antragstellung, Abrechnung, usw. Das steht wirklich in keinem Verhältnis mehr. Außerdem ziehen die Förderer die Regeln immer enger. Es wird hinter vorgehaltener Hand auch gesagt, dass es auch darum geht, es den Leuten möglichst schwer zu machen, um sie von den Fördertöpfen abzuhalten.

 

Steinigeweg: Es wird zudem immer kleinteiliger geprüft. Wir hatten vor einem halben Jahr eine Rückzahlungsaufforderung aus dem Jahr 2006, plus Zinsen. Vieles kann man auch gar nicht abrechnen: Wenn ich etwa einem Regisseur, der extra zum Festival angereist ist, einen Bildband über Köln schenken will, dann sagt mir meine Verwaltung: geht nicht!

 


Welche Probleme ergaben sich in den letzten Jahren durch die späten Haushaltsverabschiedungen in Stadt und Land?

 

Steinigeweg: Eigentlich müsste die Stadt spätestens jetzt über die Förderbeträge für 2014 entscheiden, damit wir planen können. Stattdessen kommt der Bescheid dann teilweise, während das Festival schon läuft. Das macht das Arbeiten eigentlich unmöglich, weil man ja selber auf -volles Risiko gehen muss.

 

Sarasi: Das ist ja auch der Grund, warum so viele Veranstaltungen im Herbst sind. Nur dann hat man überhaupt eine Chance, vielleicht einen Bescheid zu haben, dass man sein Geld bekommt.

 

Aust: Was es in den letzten Jahren auch immer schwieriger macht, ist, dass es immer weniger Fördertöpfe für den Kinobereich gibt: Die RheinenergieStiftung Kultur, die CineCologne glücklicherweise unterstützt, fördert Kooperationen, aber man kann maximal vier Jahre gefördert werden, die SK-Stiftung fördert gar keine Kinoveranstaltungen mehr, auf Bundesebene fallen Ende des Jahres die Mittel der Filmförderanstalt weg. Ich könnte noch mehr Beispiele nennen.

 

Steinigeweg: Wir hatten mal als CineCologne bei einer Stiftung einen -Termin, da hieß es: Ihr macht ja nichts Innovatives. So etwas hört man auch von anderen Stiftungen: Man muss immer ein neues Kaninchen aus dem Hut zaubern, um wieder an Geld zu kommen. Dass es schon eine Qualität an sich ist, dass es regelmäßig ein Festival gibt, diese Erkenntnis dringt nicht durch.

 


Wäre es nicht ein Signal, zu sagen: Wir lassen die Festivals ausfallen, weil unter den Bedingungen sinnvolle Arbeit nicht möglich ist?

 

Aust: Was passiert dann? Die Leute in der Kulturpolitik oder Verwaltung verlieren sicherlich nicht ihre Jobs, wenn es keine Filmfestivals mehr in Köln gibt. Ich muss aber auch unserer Branche vorwerfen, dass wir zu wenig Lobbyarbeit in den letzten Jahren gemacht haben. Eine ganze Generation von Festivalmachern hat sich immer klein reden lassen, ohne ein-mal den Mund aufzumachen. Wir haben allerdings auch nicht die Kapa-zitäten, so ein Lobbying zu betreiben, das wir im Grunde genommen mit voller Kraft machen müssten, um in vier, fünf Jahren davon zu profitieren.

 


Zu welchen Formen der Selbstausbeutung führt das?

 

Aust: Sagen wir es so, über die Mindestlohndebatte können wir nur traurig lächeln: In dem Moment, wo das durchgesetzt würde, könnten wir zumachen. Es verdient bei uns einfach niemand Mindestlohn.