Energetische Haus-Sanierung: Arm, aber grün

Die Kosten der Energiewende werden für sozial Schwache zunehmend zum Problem. Immer mehr Vermieter sanieren ihre Häuser und legen die Kosten dafür auf die Mieter um

Die Idee ist einfach: Vermieter sanieren ihre Häuser und legen die Kosten dafür auf die Mieter um. Die sparen später dann Energie und Geld. Am Ende sind alle glücklich: Der Vermieter, weil er sein Haus auf den neuesten Stand der Technik gebracht hat, der Mieter, weil er Heizkosten spart und die Umwelt, weil weniger Energie verbraucht wird und der Ausstoß von CO2 zurückgeht.

 

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Eine von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten der Sanierung von Wohngebäuden deutlich über den Einsparungen liegen. Die KfW will bis 2050 Investitionen in energetische Sanierung unterstützen: isolierte Außenwände, neue Dächer und Fenster, effektivere Heizungen. Den Investitionen in Höhe von 507 Milliarden Euro stehen dabei allerdings gerade einmal 361 Milliarden Euro eingesparte Energiekosten gegenüber. Und selbst diese Schätzung könnte noch zu günstig ausfallen: Durch neue Fördermethoden werden die Kosten nicht so stark steigen wie lange vorausgesagt – auch wegen in Deutschland umstrittener Methoden wie dem sogenannten Fracking, das international den Energiemarkt radikal verändert.

 

Die Differenz geht zu Lasten der Mieter. Ermöglicht hat das eine noch von der schwarz-gelben Bundesre­gierung im Mai dieses Jahres verabschiedete Änderung des Mietrechts. Durch verbesserte Möglichkeiten der Abschrei­bung wollte man die Bereitschaft der Vermieter zur Sanierung erhöhen. Sie können bis zu elf Prozent der Sanierungskosten jährlich auf die Miete umlegen. Auch der Wechsel des CDU-Koalitionspartners hat daran kaum etwas geändert: Die SPD hat durchgesetzt, dass nur noch zehn Prozent der Sanierungskosten im Jahr auf die Mieter abgewälzt werden dürfen. »Das ist kaum mehr als eine kosmetische Änderung«, sagt Jürgen Becher, Sprecher des Mietervereins Köln. Der Deutsche Mieterbund hatte gefordert, dass die Kosten der energe­tischen Ge­bäudesanierung gerecht zwischen Mietern, Vermietern und Staat aufgeteilt werden. CDU und SPD folgten dem Vorschlag nicht.

 

»Durch das Mietrecht kann eine durchschnittliche Wohnung von rund 70 Quadratmetern schnell um 100 bis 150 Euro pro Monat teurer werden«, sagt Becher. »Der Mieter spart aber nur 50 Euro an Energiekosten und zahlt also ordentlich drauf«. Die energetische Sanierung ist längst zu einem Gentrifizierungs-Booster geworden: Schon die Belastung durch die Sanierung wollen sich viele nicht zumuten, und die danach höheren Mietpreise können sich viele nicht leisten. Die energetische Sanierung macht es möglich, dass Mieter verdrängt werden – das wollten viele Vermieter immer schon. Nun können sie das tun und sich gleichzeitig als Vorkämpfer einer ökologisch korrekten Welt feiern lassen. Wer die Mieter seines Hauses auswechseln will, packt es in Styropor, setzt dreifach-verglaste Fenster ein und baut automatische Lüftungssysteme mit Wärmetauschern. Eine Ausstattung, die sich viele nicht mehr leisten können.

 

Das wissen sie auch bei der Rheinergie. Jährlich rund 10.000 Haushalten stellt Kölns größter Energieversorger den Strom ab, weil sie die Rechnungen nicht bezahlen. Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit Trägern der freien Wohlfahrt wie Diakonie und Caritas sowie der ARGE und der Schuldnerberatung wird seit Jahren verhindert, dass die Zahl der Betroffenen nicht noch steigt. Aber immer häufiger zahlen Kunden ihre aufgelaufenen Stromrechnungen in Raten ab, springen Behörden ein, wenn nicht mehr gezahlt werden kann. Und es sind nicht nur Privatleute, die unter den steigenden Energiepreisen leiden: »Die Preise sind für einzelne Branchen zu einer großen Belastung geworden«, sagt Rüdiger Krischok, der Leiter des Forderungsmanagements bei der Rheinenergie. »Für kleine Bäckereien zum Beispiel wird es durch hohe Energiepreise immer schwerer.«

 

Die Hälfte des Strompreises machen mittlerweile Steuern und Abgaben aus. 1998 war es nur ein Viertel.Der Stromkunde bezahlt heute eine Abgabe zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, subventioniert Sonnen- und Windenergie durch die Umlage zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), zahlt zudem eine pauschal gestiegene Stromsteuer und eine Offshore-Umlage, mit der Windräder auf hoher See noch zusätzlich gefördert werden. »Die Politik erhöht die Umlagen, die Preiserhöhung kommt dann von uns. Wir kommen beim Strompreis langsam aber sicher zu einer Steuer- und Abgabequote wie beim Benzin«, sagt Krischok.

 

Hinzu kommt: Köln wächst, und die Mieten steigen. Begehrt sind renovierte Altbauwohnungen in Quartieren wie Ehrenfeld, der Südstadt, dem Belgischen Viertel, aber auch zunehmend in Sülz und Mülheim. Für alle, die wenig Geld haben, ist die Situation katastrophal. »Die Kölner Innenstadt können sich Familien oder Normalverdiener kaum noch leisten«, sagt Mietervereins-Sprecher Becher. Singles und Doppelverdiener-Paare bestimmen hier längst das Bild. Für alle anderen wird es auf dem Wohnungsmarkt immer enger. Die Stadt will daher nun, dass künftig jede dritte Neubauwohnung eine geförderte Wohnung ist. Das Bündnis »Recht auf Stadt« fordert 5000 neue Sozialwohnungen im Jahr. ­Sozialwohnungen kosten, je nach Einkommen der Mieter, zwischen 6,25 Euro und 7,25 Euro kalt im Monat. Mit Nebenkosten liegt der Quadratmeterpreis am Ende zwischen 8 und 10 Euro — auch die geförderten Wohnungen sind also alles andere als preiswert.

 

In Österreich ist das anders: Dort entstehen Sozialwohnungen für eine Miete von fünf Euro. »Dort sind die Ökostandards niedriger«, sagt Becher, »in Deutschland aber zahlen die Mieter für Energiesparmaßnahmen, die sich für sie selbst nie rechnen.« Und wenn die Mieter dann nicht zahlen können, springt der Staat ein — und da der nicht genug Geld hat, werden einfach weniger geförderte Wohnungen gebaut.

 

Es liegt aber nicht nur an immer strikteren Energiesparverordnungen (ENEV), dass Bauen teurer geworden ist. Vor 20 Jahren konnte nach Angaben der GAG, der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Köln, eine geförderte Wohnung noch für 900 Euro den Quadratmeter gebaut werden. Zurzeit sind es 1700 Euro. »Durch die festgelegten Mietpreise ist die Einnahmenseite bei der Kalkulation beschränkt. Nähern sich die Baukosten immer mehr diesen Einnahmen an oder übersteigen sie sogar, lässt sich der öffentlich geförderte Wohnungsbau nicht mehr wirtschaftlich darstellen. In Regionen mit hoher Nachfrage wie in Köln kommt es deshalb zu einer Verschiebung vom öffentlich geförderten zum frei finanzierten Wohnungsbau«, sagt GAG-Sprecher Jörg Fleischer. Das Ende der ­Entwicklung ist seiner Meinung nach noch nicht erreicht. Die nächste ENEV wird dafür sorgen, dass dieser Preis ab 2016 um weitere 200 Euro steigen wird. Sozialer Wohnungsbau wird dann kaum noch möglich sein, so Fleischers Fazit.