Das Verschwinden des Philip S.

Das ist auch eine Kölner Ge­schichte, und sie wird lebendig gehalten, bis heute. Aber von den anderen, den Siegern. Das Kölner Polizeipräsidium in Kalk liegt am Walter-Pauli-Ring. Walter Pauli war ein junger Polizist, der 22-jährig in der Nacht des 9. Mai 1975 bei einem Schusswechsel auf einem Gremberger Parkplatz starb. Der junge Mann, der ihn tödlich traf und der in dieser Nacht selbst erschossen wurde — wobei vieles darauf hindeutet, dass er von der Polizei regelrecht exekutiert wurde —, heißt Philip Werner Sauber. Ein militanter Untergrund-Kämpfer, der unter anderem Namen beim Motorenhersteller Klöckner Humboldt Deutz arbeitete und dem wohl ­der Aufbau einer Fabrikguerilla vorschwebte.

 

Aber eigentlich war Philip Sauber, der als Student aus der Schweiz ­ins aufgewühlte Westberlin der späten 60er Jahre kam, Filmemacher und Fotograf. In dieser Zeit war er der Geliebte und Freund Ulrike Ed­schmids. Edschmid hat ihm ein Erinnerungsbuch gewidmet. »Das Verschwinden des Philip S.« erzählt von der Bohème, der Radikalisierung der Szene nach der Erschießung Benno Ohnesorgs und von den Versuchen Saubers, sich in dieser Lage zu orientieren —  neue kollektive Lebensformen zu schaffen, Kunst und Politik vielleicht doch noch miteinander zu versöhnen, bis hin zu seiner Verstrickung ins Fantasma, in der Bundesrepublik ließe sich der Kampf gegen das System bewaffnet führen.
Eine linke Geschichte? Auch. Aber was Edschmids Bericht, den sie durchaus camouflierend Ro­man nennt, auszeichnet, ist gerade die private Dimension, die ergreifend nüchterne und knapp präzise Schilderung ihrer Liebe, aus der Sauber sich mehr und mehr zurückzog. Edschmid schreibt das nicht, aber man denkt es sich beim Lesen fast automatisch: So vernagelt muss man erst mal sein! Sauber merkt vielleicht gar nicht, wie groß auch die Zuneigung von Edschmids Sohn zu ihm gewesen ist. Oder schlimmer noch: Er ordnet sie seiner Verhärtung unter. Einer Verhärtung, die von der anderen Seite gewollt wurde: Als »Terroristen« ließen sich die eins­tigen antiautoritären Linken treffsicher stigmatisieren.
Die Schüsse trafen Philip Sauber in den Rücken, hinter dem Walter-Pauli-Ring verbirgt sich ein immer noch nicht vollständig aufgearbeiteter Polizeiskandal. Edschmid erzählt nicht von dem Fall, sondern liebevoll distanziert vom Leben Saubers.