J.D. Salinger »Three Stories«

In der Princeton University in New Jersey lagert eine vor mehr als 60 Jahren geschriebene unveröffentlichte Kurzgeschichte. Wer sie lesen möchte, muss sich zunächst ausführlich identifizieren, die Hände waschen und wird dann in einen kleinen Lesesaal geführt. Während man liest, steht ein Universitätsangestellter unablässig hinter einem. »The Ocean Full of Bowling Balls« gehört zu den legendären unveröffent­lichten Werken des US-amerikanischen Autors J. D. Salinger. Dessen Werk war bislang überschaubar: ein Roman von Weltformat, drei Novellen und ein paar hundert Gramm Kurzgeschichten. Seit Ende November ist das Ouevre um 41 Seiten reicher: Unbekannte stellten illegal drei Kurzge­schich­ten ins Netz, darunter die erwähnte. Fans werden nicht ­enttäuscht: »The Ocean Full Of Bowling Balls« gehört zu Salingers besten Kurzgeschichten, kann sich mit Glanzstücken wie »A Perfect Day For Bananafish« messen. Im Mittelpunkt der metaphysisch durchtränkten Geschichte stehen zwei Caulfields (Vincent und Kenneth), es geht ums Schreiben und den Akt der Imagination, auch Holden Caulfield taucht auf. Aber — darf man das? Einfach so veröffentlichen, obwohl der Autor anders verfügt hat? Ein klares Ja. Nach dem Willen des 2010 verstorbenen Salinger hätten wir ansonsten bis 2060 warten müssen. Für die meisten dann doch zu lang.