Die Mäzene von morgen

Die jungen kunstfreunde simulieren eine Panik im Museum,

rücken Künstlern auf die Pelle und chillen nach der Führung

Georges Méliès — das klingt nach frühem Film. Doch was die Besucher im 4. Stock des Wallraf-Richartz-Museums zu sehen bekommen, hat mit Kino nichts zu tun. 1883 malte Méliès das »Bildnis eines Mannes«, das einen Männerkopf zeigt, der durch eine Leinwand bricht. Peter Marx, Direktor des Instituts für Medienkultur und Theater, nimmt das Gemälde als Aufhänger für seine kurze Führung zur Frage »Was ist ein Bild?«. In einem einstündigen Parcours werden Bildstrategien seit Mittelalter untersucht. Die Atmosphäre ist locker, es werden ungezwungen Fragen gestellt. Danach setzt man sich noch im Museumscafé zusammen.

 

»Kunst trifft Uni« heißt die Reihe, in der Professoren ihre ästhetischen Favoriten einem jungen Publikum vorstellen. Es ist eines von mehreren Formaten, die sich die »jungenkunstfreunde« des Wallraf-Richartz-Museums und des Museums Ludwig ausgedacht haben, um »junge Menschen für das Museum zu begeistern«. So beschreibt Christina Neuhaus das Ziel der Besucherorganisation. Die 31-Jährige, gerade aus der Elternzeit zurück, bildet zusammen mit der 26-jährigen Constanze Zawadzky das Zentrum. Gemeinsam mit einem Team von 15 bis 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern gestalten sie ein Programm mit fast fünfzig Veranstaltungen im Jahr. Dass die Truppe ernst genommen wird, zeigt sich schon daran, dass sie über ein eigenes Büro im Wallraf-Richartz-Museum verfügt — etwas schlauchartig zwar und mit Blick in den Innenhof, aber immerhin. Dort sieht es nach Arbeit aus, denn die ist auch nötig, um Menschen zwischen 18 und 28 Jahren Kunst nahezubringen. »Das ist die Zielgruppe, die am schwierigsten zu bekommen ist«, sagt Christina Neuhaus. Das hat mit veränderten Bildungsbegriffen, gewandeltem Freizeitverhalten, aber auch den zeitintensiven Bachelor- und Master-Studiengängen zu tun. Mit normalen Führungen ist es da nicht getan. Direkte Ansprache an der Uni und Kommunikation über Social Media ist Pflicht. Bei den Führungen durch aktuelle Ausstellungen in fast allen Kölner Museen zählt neben dem Was vor allem das Wie der Präsentation: Die Führungen werden von Gleichaltrigen und vor allem dialogisch durchgeführt, danach gibt’s ein Get-together. Viele Mitglieder nutzen nämlich die jungenkunstfreunde einfach zum Netzwerken.

 

Als Lockmittel dient auch die Begegnung mit »Persönlichkeiten aus der Kunstszene«. So hat man Gert und Uwe Tobias im Atelier besucht oder mit Julia Scher eine Führung zu »Kunst und Sicherheit« gemacht, bei der eine Panik im Wallraf-Richartz-Museum simuliert wurde. »Das Programm muss interessant, darf aber nicht zu wissenschaftlich sein«, fasst Neuhaus zusammen. Darüber hinaus veranstalten die Kunstfreunde die »Junge Kunstnacht«, bieten mit »Painting Movies« eine Filmreihe an, vermitteln in »Kunst Basics« Grundwissen und begeben sich mit »kulturspur« auf Kunst-Sightseeing durch einzelne Stadtviertel — alles durchweg bestens besucht.

 

»Jungekunstfreunde« sind das Produkt eines heilsamen Schocks, der 2002 ihrer Mutterorganisation, den »Freunden des Wallraf-Richartz-Museums und des Museums Ludwig e.V.«, in die Glieder fuhr. Damals fanden Betriebswirtschaftler der Uni Köln heraus, dass das Durchschnittsalter der Freunde bei 64 Jahren liegt — und dass Kunst bei der Freizeitgestaltung junger Menschen keinerlei Rolle spielt. »Der Verein braucht dringend junge Leute«, resümiert Vorstandsmitglied Kit Piehler die damalige Stimmung. So rief man 2004 die Initiative jungekunstfreunde ins Leben, die heute 625 Mitglieder hat, und ein Jahr später »stART« für Berufstätige von 28 bis 48 Jahren. Die Offensive in Sachen »Audience Development« hat sich ausgezahlt. Die Gesamtzahl aller Freunde, ob jung, alt, privat oder berufstätig, hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Das weiß auch Wallraf-Chef Marcus Dekiert zu schätzen: »Die jungenkunstfreunde sind für unser Haus sehr wichtig« — auch weil klassische Gemäldegalerien es weit schwerer hätten, junges Publikum anzuziehen als Museen für zeitgenössische Kunst.

 

Die Kölner Initiative ist kein isoliertes Phänomen. Ob in Hamburg oder Stuttgart, fast überall entstanden Anfang des Jahrtausends junge Organisationen der Kunstvermittlung, die zum Teil sogar mäzenatisch ausgerichtet sind. »Es ist ein unglaublicher Trend«, sagt Kathrin Erggelet, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Fördervereine Deutscher Museen für bildende Kunst. Und weil die Altersgruppe 18 plus einen blinden Fleck der Museums-Pädagogik bildet, kümmern sich die Freundeskreise um sie. Denn: »Das sind schließlich die Mäzene von morgen«, so Kathrin Erggelet.