Ja!

Das Bier ist auf jeder Party irgendwann alle. Überhaupt ist nirgends ein Happy End garantiert. Manch einen, der darüber nachsinnt, mag eine schwere, drückende Sorge anfallen. Um sie abzuschütteln, verfällt er auf den Vorsatz, fortan nur noch das Schlimmste zu erwarten. Eine selbstbetrügerische Gaukelei der Gedanken, die heilsam wirken soll: Denn entweder wird man zu seinen eigenen Gunsten eines Besseren belehrt und ist froh. Oder man hat, falls die Katas-trophe mit bleiernem Donner hereinbricht, immerhin Recht behalten: Siehste, ich hab’s ja immer geahnt, dass Gesine Stabroths »beste Freundin Tine« zu wenig Bier für ihre Party kauft...

 

Abgeklärt, erfahrungssatt und unbeeindruckt will erscheinen, wer solcherart beständig schwarzsieht; nicht von ungefähr dient die Sonnenbrille als Insigne dieser Coolness. Dem Frohgemuten unterstellt man, er trage jene sprichwörtliche rosafarbene Brille — unsichtbar zwar, aber dennoch albern. Dem Schwarzseher ist der Optimist eine komische Figur in einer Hanswurstiade, die übel enden wird und die man Dasein nennt. Aber so sehr der Pessimist sich brüstet, den Blick in den Abgrund zu ertragen, so sehr ist er eigentlich ein Feigling. Denn das Schreckliche zu benennen, heißt, es bannen zu wollen. Die stolze Verachtung ist bloß eine Beschwörung, dass die Worte wirken -mögen. Daher gleicht noch der furchtbarste Fluch einer Taufe. Es ist der Glaube an die Magie der Worte. 

 

Der Pessimist ist ein schlecht gelaunter Eiferer, seine Predigt hat nur eine Silbe: Nein. Ist es da nicht erstaunlich, dass nicht er, sondern der Zuversichtliche, der Ja-Sager, als verblendet gilt? 

 

Ja und Nein sind nicht weniger als zwei widerstreitende Weltanschauungen. Irrigerweise sieht man im Kult des Nein die aufgeklärte Variante. Wohl, weil man unterstellt, das Nein sei Resultat eines redlichen Zweifels. Wenngleich dem beherzten Ja ebenfalls ein Abwägen vorausgegangen sein mag, so sind dessen Spuren schließlich verwischt. Deshalb hält man den Ja-Sager für einfältig. Und das möchte niemand sein. 

 

Bezieht sich der Pessimist auf die Zukunft, so fühlt sich für die Gegenwart der Nörgler zuständig. Gleich dem Pessimisten versucht er, das Ungemach durch die Benennung zu bannen — und vermehrt so das Unheil nur. 

 

Tobse -Bongartz ist so einer, und es nervt: Ja, es regnet und deshalb werden wir jetzt nass, sehr nass. Aber wir werden nicht trocken, wenn Tobse unentwegt schimpft, was für ein beschissenes Scheißwetter das sei. Ja, es ist auch ärgerlich, dass wir den Bus verpasst haben und dass ich dann behauptete, wir kämen zu Fuß schneller voran und meine meteorologischen Kenntnisse überschätzte, als ich sagte, es werde schon nicht reg--nen — schon gar nicht dermaßen aus Kübeln, wie in dem Moment, als wir merkten, dass wir in die falsche Richtung gegangen waren. Und wie uns der Bus entgegenkam und wir zur Haltestelle rannten, da hätten wir besser noch eine Fahrkarte gelöst, weil wir dann ja in die Fahrscheinkontrolle gerieten. Und dass Tobse das jetzt immer wieder von vorne nacherzählt und zwar sehr laut, das nervt nicht nur mich, sondern sicherlich auch die anderen, übrigens sehr unsympathischen und langweiligen Partygäste und natürlich auch Gesine -Stabroth, die uns erlaubt hatte, eben diese Party ihrer »besten Freundin Tine« besuchen zu dürfen. Obgleich sie sich das — verdammt noch mal — wirklich hätte sparen können, weil es eben kein Witz war, dass ihre »beste Freundin Tine« tatsächlich Radler statt Bier gekauft hatte und die paar Flaschen richtiges Bier, die wir für uns mitgebracht hatten, gerade zwischen Bickendorf und Weiden spazierengefahren werden, weil, ja, ja, ja, ich die Plastiktüte im Bus stehengelassen habe und deshalb jetzt Tobse noch lauter fauchen höre, dass er diese Katastrophe schon immer geahnt habe.