Gunther Geltinger: »Moor«

»Den Worten am ähnlichsten ist noch der Regen. Er rauscht in fließenden Sätzen herab, gerät über den Bäumen ins Stocken, stottert auf Blätter die Konsonanten, gluckst dunkle Vokale in Mulden.« Ein sprachgewaltiges Rauschen. Genau das ist Gunther Geltingers jüngster Roman »Moor«, der auf mehr als 400 Seiten seine Figuren am Rande einer Moorlandschaft durch ihre ausweglose Geschichte treibt. Dion ist 13 Jahre und stottert. Wörter, die mit K oder D beginnen, lassen ihn verstummen, ein H aber ist eine Wohltat für ihn. Dion wünscht sich eine »Sprache aus Schnee«. Im dichten Sprachfluss erzählt Geltinger die Geschichte des Außenseiters und verschrobenen Libellensammlers: Dion ist der nahezu inzestuösen Liebe seiner alleinerziehenden Mutter ausgeliefert und wehrt sich; sie lässt ihn unter ihrer gescheiterten Künstlerexistenz und Lebensunfähigkeit leiden. Einsamkeit ist das Thema, sprachlich artifiziell und ohne Kompromisse umgesetzt. Der Sprachduktus wird polarisieren. Angesichts der derzeitigen Debatte um den deutschen Literaturbetrieb muss man aber unterstreichen: »Angepasst« ist dieser Roman definitiv nicht. 

 

Suhrkamp 2013, 440 Seiten, 22,95 Euro