Foto: Manfred Wegener

Ungeschütztes Vertrauen

Der Videoclip »69 Cent«, der Jugendliche und HIV zum Thema hat, wird auf der CSD-Gala uraufgeführt

Und jetzt mal Hand in Hand!«, heißt die Anweisung von Regisseur Robert Spika, nachdem Sven (22) und Mark (19) bereits mehr als 20 Mal dieselbe Szene geprobt haben: In den Räumen der Kölner Aidshilfe spielen die beiden mit viel Geduld und Witzeleien zwischendurch ein schwules Pärchen, das sich für den Abend versorgt und Kondome kauft. »69 Cent« heißt der kurze Film, aus dem die Szene stammt – so viel kosten zwei Kondome. Die Akteure verdienen aber keinen Cent, die meisten der SchauspielerInnen sind Laien. Jessica (21) zum Beispiel ist privat in einer Schauspielausbildung und beteiligt sich, weil es »nicht nur ums Ego geht, sondern das Projekt etwas ist, worin man sich selbst wieder erkennt«.
Zwölf junge Leute – positiv, negativ, homo oder hetero – aus dem Umfeld der Aidshilfe Köln und dem schwul-lesbischen Jugendzentrum Anyway haben sich zusammengetan, um das Thema HIV wieder mehr an die Öffentlichkeit zu bringen. JuPo – Jung positiv heißt das Projekt. Die Idee dazu entstand in der Praxis des Kölner Arztes Armin Stroms, der überwiegend Aids-Patienten betreut, und zog von da aus Kreise: Die Kölner Videoproduktion Carasana entwickelte zusammen mit auf Aids spezialisierten Medizinern ein Konzept, wie Jugendlichen das Thema ohne pädagogischen Zeigefinger nahe gebracht werden kann. Anyway, das Schwulen- und Lesbenzentrum Schulz und die Kölner Aidshilfe übernahmen die Trägerschaft, Sponsoren wurden die beiden Pharmakonzerne Gilead Sciences und Hoffmann La Roche sowie der Kölner Kondomhersteller condomi.

Gegen die Sorglosigkeit

»Ich möchte mit dem Film einen Appell starten, dass HIV noch ein Thema ist«, begründet Schauspieler Sven seine Motivation. »Ich kriege immer wieder mit, dass das aus den Köpfen der Leute raus ist, das ist schrecklich.« Weil es 20 Jahre nach der Entdeckung des HI-Virus Medikamente gibt, die den Ausbruch der Krankheit verzögern, scheint besonders bei Jugendlichen die Angst vor der immer noch tödlichen Krankheit einer gewissen Sorglosigkeit gewichen zu sein. Die Unwissenheit ist groß, Aufklärung tut Not. Wer weiß zum Beispiel, dass die größte Ansteckungsgefahr in festen Beziehungen liegt, in denen sich die Partner meist ungeschützt vertrauen?
Bei den Vorbereitungen für den Clip haben die JuPos einiges ans Licht geholt, das manche von ihnen bisher nie gehört hatten: Zum Beispiel, dass sich das Virus weiterentwickelt, es immer wieder verschiedene HIV-Typen gibt, die gegen Medikamente resistent sind. Wer also positiv ist, ist damit nicht gegen Ansteckung immun. Ein Infizierter kann sich neue, resistente Viren einfangen und damit seine Lebenserwartung weiter verringern. Das Team ist sich einig geworden: Das Wichtigste ist, beim Sex Verantwortung zu übernehmen, und Kondome sind immer noch der beste Schutz.
Laut Robert-Koch-Institut gab es in Deutschland im letzten Jahr 39.000 HIV-Infizierte, 2.000 Neuinfektionen und 600 Todesfälle. »Vielleicht sterben im Moment einfach zu wenig Leute an Aids«, meint Danny (28), Produktionsassistent bei JuPo. Seit vier Jahren ist er selbst positiv, schluckt Pillen, baut körperlich ab und weiß nicht, wie er es seinen Eltern sagen soll. Wie er sich anstecken konnte, obwohl er die Regeln des Safersex eingehalten hat, weiß er nicht, vermutet aber durch einen »Unfall« mit dem Kondom oder durch eine übersehene Verletzung: »Es gibt immer ein Restrisiko. Es heißt ja Safersex und nicht Safesex. Die einzige Sicherheit, die man haben kann, ist allein zu Hause zu bleiben.« Aber das ist Dannys Sache nicht, er hat noch zu viele Interessen und Ziele.

Jung und gedankenlos

Eines davon ist, anderen seine Erfahrungen zu ersparen. Seit vielen Jahren engagiert er sich in der Aidsprävention, jetzt macht er bei JuPo mit. Dass das Thema Aids kaum mehr interessiert, liegt seinen Beobachtungen nach an einer Sättigung durch die Medien und daran, dass »die Leute es nicht mehr hören können«. Aus der Schwulenszene weiß er, dass man trotz allen Wissens um Aids irgendwann keine Lust mehr auf Kondome hat. »Barebacking«, Sex ohne Kondom, sei in der Kölner Szene stark in Mode gekommen.
Aids ist aber nicht nur Thema in der Schwulenszene, auch das will das JuPo-Projekt zeigen. Die Zielgruppe des Kurzfilms ist jung und gedankenlos. Die Atmosphäre des Films greift das auf: Es ist Party, drei junge homo- und heterosexuelle Pärchen sind heiß aufeinander, modern und aufgeklärt, kaufen Kondome und verschwinden lustvoll auf ihren Zimmern. Man sieht nur die Fenster von außen. Sie blinken in fröhlich poppigen Farben. Doch am Ende wird ein Paar das Spiel verlieren. »Man muss die Kondome auch benutzen«, so die Message des Films.
Im Rahmen der Eröffnungsgala des Kölner CSD am 4. Juli wird der Film uraufgeführt. Danach soll »69 Cent« bundesweit vertrieben, auf Veranstaltungen, in Schulen und Kinos gezeigt werden. Die Veranstalter hoffen auf Nachahmer und weitere Sponsoren: »JuPo 2« ist bereits im Gespräch.

Infos

Informationen zum JuPo-Projekt
und seinen Trägern:
www.jupo-koeln.de.vu
www.aidshilfe-koeln.de
www.anyway-koeln.de
www.schulz-cologne.de
www.carasanafilms. de

Informationen zu Aids:
www.aidshilfe.de
www.hiv-info.de
www.aidsaufklaerung.de
www.dagnae.de
(Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte)