Luxus statt Wohnungsbau: ehemaliges BDI-Gebäude in Bayenthal | Foto: Manfred Wegener

Wohnungspolitik: Hohe Mieten verhindern, Bauland finden

Am 25. Mai dieses Jahres ist Kommunalwahl. Der Rat der Stadt wird gewählt. Aber worüber entscheiden wir eigentlich? In den Ausgaben bis Mai betrachtet die StadtRevue die Wahl unter fünf thematischen Blickwinkeln. In der vierten Folge analysiert Bernd Wilberg die Wohnungspolitik — und wofür die Parteien stehen

Immer mehr Menschen, vor allem junge, die ein Studium oder eine Ausbildung beginnen, ziehen nach Köln. Die Prognosen sagen, dass Köln im Jahr 2020 mindestens 50.000 Einwohner mehr haben wird als noch 2010. Köln ist attraktiv, aber das ist zugleich ein Problem. Denn dadurch sind Mieten möglich, die fast 30 Prozent über dem Durchschnitt in Deutschland liegen. Gleichzeitig hat fast jeder zweite Kölner Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein – ohne dass entsprechende Wohnungen vorhanden sind. 2012 sind lediglich 210 neue geförderte Mietwohnungen gebaut worden, das ist ein historischer Tiefstand. Tatsächlich wären mindestens neue 1000 Sozialwohnungen pro Jahr notwendig.

 


Die Probleme sind nicht neu, aber Politik und Verwaltung haben sie zu lange ignoriert. Jetzt musste dann alles ganz schnell gehen. Sei es, weil der Kommunalwahlkampf ansteht, sei es, weil die Proteste auf der Straße zunehmen. Die rot-grüne Mehrheit im Rat der Stadt hat in den vergangenen Sitzungen weitreichende Beschlüsse gefasst.

 


Ein wichtiger Schritt ist das Kooperative Baulandmodell, das sogenannte Münchener Modell, das SPD und Grüne im Dezember beschlossen haben. Zukünftig müssen neue Bauprojekte mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen beinhalten. Die Linke sähe sogar lieber eine 40-Prozent-Klausel. Scharf kritisiert wird das Modell hingegen von der FDP. Solche Maßnahmen seien kontraproduktiv, meint Fraktionschef Ralph Sterck. Sie führten nur dazu, dass Investoren sich stattdessen im Umland engagierten.

 


Das Problem ist, dass sozialer Wohnungsbau nicht die Rendite bringt, die sich Investoren wünschen. Zudem sind die Zinsen am Markt so niedrig, dass öffentliche Darlehen damit nicht konkurrieren können. SPD und Grüne haben daher ein zwei Millionen Euro schweres Sonderprogramm Wohnen aufgelegt: 150 Euro pro Quadratmeter bekommen Investoren, wenn sie Sozialwohnungen bauen – zusätzlich zur Förderung des Landes. Aber selbst diese Anreize dürften derzeit nicht stark genug sein, um so die Wohnungsnot zu lindern.

 


Im Februar wurde im Rat der Stadt mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linke außerdem ein Stadtentwicklungskonzept Wohnen verabschiedet. Darin geht es vor allem darum, mögliche Flächen für den Wohnungsbau zu finden. Die FDP hat das Stadtentwicklungskonzept Wohnen abgelehnt. Unter anderem, weil darin das Baulückenprogramm nicht berücksichtigt wird. Dabei war das Programm bislang erfolgreich: Indem die Stadt Grundstückseigentümer unterstützte, sind seit 1990 rund  22.000 Wohnungen in Baulücken entstanden. SPD und Grüne haben indes Gründe, die Wirksamkeit als erschöpft anzusehen: Bis 2029 könnte die Verwaltung nach eigenen Angaben zwar rund 15.000 Wohneinheiten in Baulücken schaffen, aber mit dem vorhandenen Personal sei nur ein Zehntel zu schaffen. Es bleibt die Frage, warum nicht mehr Personal eingesetzt wird.

 


Wo können überhaupt noch Wohnungen gebaut werden? FDP-Fraktionschef Sterck nennt immer wieder eine Erweiterung des Media­parks oder auch die Neubausiedlung Kreuzfeld im Kölner Norden. Hier wäre nach Plänen aus den 90er Jahren Platz für 5000 Menschen. Allerdings scheuen sich weite Teile der Politik, solche Großsiedlungen zu bauen, zumal hier, wo die gescheiterte Hochhaussiedlung Chorweiler quasi in Sichtweite liegt. Michael Weisenstein von der Linken sieht hier allerdings Potenzial, um der Wohnungsnot zu begegnen.

 


Im Stadtentwicklungskonzept Wohnen ist auch enthalten, Erhaltungssatzungen zu beschießen: Indem Luxussanierungen in bestimmten Vierteln untersagt werden, soll verhindert werden, dass die Mieten steigen und sich nur noch Reiche die Wohnungen leisten können. Man sieht darin eine Möglichkeit, Gentrifizierung einzudämmen. Denn auch in Köln werden zuvor wenig attraktive Viertel durch kulturelles Flair aufgewertet und Vermieter modernisieren die nun begehrten Wohnungen. So steigen die Mieten und sind für die ursprünglich dort lebenden Menschen nicht mehr bezahlbar. Den Vorschlag, dies mit Erhaltungssatzungen zu verhindern, reklamiert die Linke für sich. Die FDP hält hingegen nichts davon. Man wolle keine »Käse­glocke auf die Viertel setzen«, sagt Fraktionschef Ralph Sterck. Für ihn überwiegen die Vorteile von Gentrifizierung: besser ausgestattete Wohnungen, gute Infrastruktur.

 


Die CDU sieht bei den steigenden Mieten vor allem Probleme für Familien. In der Innenstadt gibt es 50 Prozent Single-Haushalte, das ist typisch für Großstädte. Die CDU aber will, dass Köln zu »einer wirklich familienfreundlichen Stadt« wird. Dafür bedürfe es auch größerer Wohnungen in der Innenstadt, sagen die Christdemokraten. Sie wollen daher den Bau von Ein- und Zweifamilienhäuser forcieren, auch innerstädtisch.

 


Warum die städtische Wohnungsgesellschaft GAG zuletzt bloß 210 Sozialwohnungen bereitstellen konnte, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Und darüber, wie es besser werden könnte. Die Linke fordert, dass die Gewinne der GAG in dem kommunalen Unternehmen bleiben sollen, statt sie an die Stadt abzuführen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Aus ihrer Sicht soll die GAG nicht länger eine Aktiengesellschaft sein. Das geht SPD und Grünen zwar zu weit, aber sie wollen die GAG von der Börse nehmen, weil Renditeerwartungen dem Bau günstiger Wohnungen entgegenstünden.

 


Kooperatives Baulandmodell, Stadtentwicklungskonzept Wohnen, Sonderprogramm Wohnen, Erhaltungssatzungen, Korrekturen bei der GAG – das klingt auch nach Aktionismus. Erkenntnisse über die Effektivität liegen nicht vor. Ob die Maßnahmen von Rot-Grün nicht weit genug gehen oder aber kontraproduktiv sind, wird derzeit vor allem ideologisch diskutiert: Mehr Restriktionen oder mehr Anreize? Oder von allem ein bisschen?

 


Auch wenn sie teilweise wohnungspolitische Anträge zusammen mit Rot-Grün beschlossen haben, so ist der Ansatz von CDU und FDP ein grundsätzlich anderer. Statt Auflagen für Investoren oder Vermieter wollen CDU und FDP vor allem rasch Flächen für den Wohnungsbau festlegen. Das Problem: Diese Flächen beansprucht auch die Wirtschaft für Gewerbe und Industrie – und deren Vertreter möchten weder FDP noch CDU am Wahltag verprellen. Im CDU-Programm heißt es, Wohnraum dürfe nicht »auf Kosten der Gewerbe- und Indus­trieflächen gewonnen werden«. Für jede Gewerbefläche, die in Wohnraum umgewandelt werde, fordert die CDU einen Ausgleich an anderer Stelle in der Stadt. Es bliebe also weiter dabei, dass in Köln Flächen fehlen oder nicht zügig baureif gemacht werden können.

 


Wenn eine künftige Koalition die Wohnungsnot nicht in den Griff bekommt, könnte sich das Problem quasi von selbst lösen – dann würde Köln für Menschen mit mittlerem Einkommen unattraktiv, die Einwohnerzahl sänke, Vielfalt verschwände. Eine solche Stadt kann sich niemand wünschen.

 



Die bisherigen Folgen:
Kitas und Schule (1/2014)
Verkehr und Mobilität (2/2014)
Kunst und Kultur (3/2014)
Alle Folgen auf stadtrevue.de
Thema der nächsten Folge:
Bürgerbeteiligung
Zu den Protesten gegen
die Wohnungsnot in Köln
siehe auch Seite 8