Hartnäckige Nichtzahler, gefälschte Sex-Beichten und Politiker ganz unten

Watchdog – Die StadtRevue Medienkolumne

Der designierte WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn ist bereit, die größte Opfergabe zu bringen, die ein Fernsehdirektor überhaupt bringen kann: Marktanteile! Indem er – liebe 60-Jährige, jetzt mal kurz das Heft beiseite legen – sich von den älteren Zuschauern abwendet. Bei einem Werkstattgespräch der Adolf-Grimme-Preis-Freunde in Düsseldorf schilderte Schönenborn das Dilemma: nämlich gute Einschaltquoten beim WDR nur mit Ü-60 zu machen, während die Altersgruppen unter 60 »ganz unterdurchschnittlich beteiligt sind.«  Schuld, so Schönborn, sei der Mangel an attraktiven Angeboten für Menschen unterhalb des Renteneintrittsalters. Es gebe das »beängstigende Phänomen, dass über viele Jahre die Kreativen im Unterhaltungsbereich, Satire- oder Comedy-Bereich bei uns entweder nicht angeklopft haben oder bei uns waren, aber bei uns nicht das machen konnten, was erfolgreich wurde.« Ob das daran lag, dass die Kreativen von vorne herein einen Bogen um die Seniorenanstalt gemacht haben oder nicht hineingebeten wurden, weil ein jüngeres Programm die alte Klientel nicht verprellen sollte – das ließ der kommende Fernsehdirektor weitgehend offen. Jedenfalls müsse man als Verantwortlicher »verdammt stark sein, um zu sagen, das lassen wir jetzt mal und gehen auf Innovation – wissend, dass die Marktanteile, dass die Zuschauerzahlen damit deutlich geringer werden.« Er aber wolle genau diesen Weg gehen, möchte anspruchsvolle, intelligente Serien anbieten und sei bereit, dafür Marktanteile abzugeben.

 


Großen Einfluss auf die Einnahmen des Senders hat das kaum. 3,2 Milliarden Euro mehr als bisher angenommen würden den öffentlich-rechtlichen Sendern bis Ende 2016 zufließen, haben just Gutachter im Auftrag des Autovermieters Sixt und des Drogisten Rossmann errechnet. Mit diesen beeindruckenden Zahlen munitioniert wollen Sixt und Rossmann vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen den Rundfunkbeitrag klagen. Sie halten ihn für verfassungswidrig, unter anderem, weil er gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Rossmann beispielsweise muss für jede einzelne Filiale Gebühren zahlen. Wären aber sämtliche Beschäftigten in einem Gebäude untergebracht, wäre nur noch ungefähr ein Zehntel der Gebühr fällig. Die Gebührenkommission KEF dementiert die Milliarden des Gutachtens, weil die Nichtzahler ignoriert würden. Deren Hartnäckigkeit schlage nämlich mit einem satten Minus von zwei Milliarden zu Buche.

 


Welches Nachrichtenmedium der online lebende Mensch nutzt, das hängt vor allem vom Sujet ab. So schlägt der Onliner durchaus die Zeitung auf und schaltet Radio und Fernseher ein, wenn es um nationale und internationale Nachrichten oder Finanzen geht. Auch Sport-Nachrichten werden gern offline konsumiert. Dennoch bleiben die digitalen Medien erste Wahl, wie die Befragung von 1100 Onlinern durch die Marktforscher von »Harris Interactive« ergab. Aufgerufen werden dann weniger originäre Online-Medien, sondern die Netzauftritte der Verlage und Sender: spiegel.de, bild.de, rtl.de. Die Verlagerung ins Netz nimmt aber deutlich zu, auch das zeigt die Umfrage. So stimmen immer mehr Menschen der Aussage zu, für ihre tägliche Information keine Tageszeitung mehr zu benötigen. Vor allem junge Akademiker gehören zu dieser Gruppe, die jährlich um knapp zwölf Prozent wachse. Die Zahl der Jung-Akademiker, die die Zeitung als wichtigste Nachrichtenquelle bezeichnen, hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert. Großer Beliebtheit beim hochverehrten Publikum erfreuen sich traditionell Nachrichten aus der Welt der Sternchen und VIPchen, des Glams und der Bling Rings. 14 Prozent informieren sich via Social Media über das neueste Date des Bachelors und die Sex-Beichten von Menschen, die man nur wegen ihrer Sex-Beichten kennt.

 


Ob die Sex-Beichten überhaupt stimmen, spielt keine Rolle – Nachrichtenkonsumenten sind sowieso hochgradig skeptisch. Das hat der GfK-Verein mittels Umfrage ermittelt, und der GfK-Verein bezeichnet sich immerhin als »Think Tank der Marktforschung«. Wem vertrauen die Menschen aber dann? Feuerwehr, Sanitätern und Krankenschwestern. Das sind die Top-3 der Vertrauens-Charts mit Vertrauenswerten von bis zu 97 Prozent. Auch  Ärzte, Apotheker und die Fahrer von öffentlichen Verkehrsmitteln genießen großes Vertrauen. Wenigstens bilden Journalisten nicht die Schlusslichter dieses Rankings, denn gar keinen Glauben schenken die Menschen Werbefachleuten, Versicherungsvertreter und – ganz unten, ganz hinten – Politikern.