Diamanten Eddie

Die Geschichte des Mönchengladbacher Gentleman-Gangsters Edmund Kray

»Hallo, hier spricht die Enkelin von Diamanten Eddie!« Sabine Kray muss noch heute lächeln, wenn sie an das Telefonat denkt. Denn der Mann am anderen Ende, den sie über ihren Großvater befragen wollte, war der einstige Fußballer Günter Netzer. Der Fußballstar war in den 70er Jahren Diskothekenbesitzer in Mönchengladbach, das Lover‘s Lane galt als der angesagteste Laden der Stadt. Logisch, dass auch Edward Kray alias Diamanten Eddie hier verkehrte und mit dem Chef persönlich bekannt war.

 

»Diamanten Eddie« erzählt auf rund 700 Seiten die Geschichte eines für das 20. Jahrhundert exemplarischen Charakters. Der 1924 im polnischen Zamo geborene Kray verlor im Zweiten Weltkrieg fast seine gesamte Familie und war anschließend Zwangsarbeiter im Dritten Reich. Nach dem Krieg legte er in der Wirtschaftswunder-BRD eine Karriere als Juwelendieb und charmanter Lebemann hin. Ein Gentleman-Gangster. In Mönchengladbach, einer alles andere als glamou­rösen Stadt.

 

Das Debüt der in Berlin lebenden Übersetzerin und Lektorin springt gekonnt zwischen den Kriegsjahren und den 70ern und frühen 80er Jahren hin und her. »Mein Großvater hatte eigentlich zwei Leben. Er hat sich nach dem Krieg neu erfunden, ganz bewusst. Edward Kray ist dem Leben um ihn herum ausgeliefert gewesen. Diamanten Eddie dagegen hatte sein Schicksal stets selbst in der Hand«, so Enkelin Sabine Kray.

 

Vier Jahre lang hat sie recherchiert, mit mehr als 80 Menschen gesprochen. Sie hat in Stadtarchiven und beim Bundesverband für Beratung und Information für NS-Verfolgte geforscht. Sie war in Polen und hat dort alte Grundschulzeugnisse ihres Großvaters gesichtet. Dort stieß sie sogar noch auf eine Cousine ihres Vaters, von deren Existenz sie bis dato nichts wusste. Und sie hat mit Figuren des Nachtlebens gesprochen, mit Barmännern, Zockern, Berufsverbrechern und lokalen Größen wie dem einstigen Ringer »Sekunden-Emil« Neunkirchen.

 

»Ich weiß jetzt, wo ich herkomme«, sagt Kray. Und nicht nur das: Die Recherche war auch eine lehrreiche Erfahrung. Um herauszufinden, wie man Schlösser knackt, ging sie regelmäßig zu den Treffen einer Berliner Lockpicking-Gruppe, ein Schlag Menschen »irgendwo zwischen Schach-Enthusiasten und Computernerds«, sagt sie. Kann sie nun theoretisch selbst in die Fußstapfen ihres Großvaters treten? »Wohnungsschlösser sind schon noch eine Herausforderung«, sagt sie. »Aber doch, es würde klappen.«

 

 


Sabine Kray, »Diamanten Eddie«,698 Seiten, 2014, Frankfurter Verlags­anstalt, 24,90 €