Pssst… Huhu!

Wenn Sie vielleicht mal die Güte hätten, das hier zu lesen, ja? Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt! Ganz süß von Ihnen! Sehen Sie — und jetzt lassen Sie mich bitte auch mal ausreden — es ist doch so: Wir alle haben etwas total Wichtiges mitzuteilen, immer. Und jetzt bin ich mal dran! Ich will ganz offen sein (Transparenz schafft Vertrauen und Vertrauen ist der Anfang von allem, ne?). Also: Ich rede manchmal — aber wer täte das nicht? — sehr, sehr viel. Ein andermal kann ich aber auch ganz lange zuhören (mich interessieren Menschen, echt!). Aber ich will ehrlich sein, pardon, mich ehrlich machen: Viel reden fällt mir leichter als viel zuzuhören. So leicht, dass ich es oft gar nicht bemerke, sorry jetzt. Mein totaler Horror: dass ich mich irgendwann einmal umschaue, und da ist keiner mehr, der zuhören könnte: stiekum aus dem Staub gemacht, nächster Termin, wichtiges Meeting, verdünnisiert, verkrümelt, einfach weggeschlichen, eingeschlafen — oder tot! O my God! Totgequatscht! Merke: Als Labertasche, sorry, Kommunikationstalent ist es ganz wichtig, sich zwischenzeitlich immer wieder der Aufmerksamkeit seiner Kunden, äh, Zuhörer zu versichern. Gut ist es, seine Suaden und Tiraden (google das mal!) mit kleinen Spannungsmomenten und persönlichen Geschichten zu spicken. Total genial! Achtung, im nächsten Absatz kommt der Hammer (hat mich echt fertig gemacht)!

 

Sagte ich Hammer? Jedenfalls: Ich kenne viele Menschen in meinem Freundeskreis, quatsch, Netzwerk, die noch mehr reden. Die reden sogar weiter, wenn man sie auffordert, doch bitte endlich aufzuhören!! Irre, aber natürlich auch sehr interessant. Ja, wie kann man denn erwarten, dass empörte und sich belästigt fühlende Zuhörer übearhaupt noch Zuhörer sein wollen? Ich hab mir mal ein paar Gedanken dazu gemacht. Bitte lesen Sie weiter!

 

Danke, ich beglückwünsche Sie zu dieser Entscheidung und freue mich über Ihr Vertrauen in dieses Produkt. Also: Ich glaube, die Menschen wollen sich immer so ausufernd mitteilen, weil sie so aufgeregt sind. Aufregung ist gut, das rockt, das ist sexy! Sonst wird man womöglich überhört. Irgendwie ist das tautologisch (bitte auch googlen), aber gerade deshalb ist es so! Und was machen wir jetzt? Schnell eine Online-Petition verfassen! Sag, wie du dich fühlst (ich finde, wir sollten uns jetzt duzen)! Oder noch besser: wie die anderen sich fühlen sollen!

 

Wo war ich? Egal, ich sag einfach mal, was mir so durch den Kopf geht. Frage jetzt: Was passiert mit all den Informationsresten? All dieses dahingeplapperte und zusammengetextete Zeugs, das wir vor lauter Aufregung überall hinschmeißen. Nachhaltig ist das ja nicht. Ich sag’ jetzt mal was Krasses (bin mehr so der kreative Querdenker): Ich fordere einen Emissionsstopp von Information! Es reicht! Enough is enough! Die alle Grenzen der Zweckmäßigkeit und des Anstands überschreitende Verbreitung von Information übersteigt den Konsum um ein Vielfaches. Der Markt ist gesättigt! Wir brauchen ab jetzt nichts mehr Neues! Haltet ein! Weiter geht’s im nächsten Absatz (werbefrei und gratis, dafür stehe ich mit meinem guten Namen!). 

 

Noch mal ein paar Gedanken zum Rausgehen: Die 80er Jahre, auch so ein crazy Jahrzehnt, galten als überaus ungemütlich. Alles cool, gefühllos, frostig — bald würde das Regime der Technik, der Maschine, der Computer, der Roboter anbrechen. Interessanterweise traf das alles genau so ein — allerdings angenehm lau temperiert. Die Akzidenzien des einst wortkargen, abweisenden Cool sind heute die geradezu groteske Emotionalität. Immer zugegen, immer interessiert und alles powered by emotion. Aufregung ist das neue Cool. Würd mich echt wahnsinnig interessieren, wie sich das für dich so anfühlt. Und danke für’s Zuhören, super nett. You made my day!