Kennen Sie Porz? Wer die Hertie-Ruine sieht, hat das Wichtigste schon verstanden | Foto: Manfred Wegener

Hello again, Tristesse

Mitten in Porz steht seit fünf Jahren das ehemalige Hertie-Warenhaus leer. Jetzt hat die Stadt die Immobilie gekauft

Das Zentrum von Porz verdient diesen Namen nicht. Wer an der Stadtbahn-Haltestelle Porz-Markt eintrifft, steht unter einem unwirtlichen Parkhaus-Klotz. Der wurde 2002 zu zwei Dritteln abgerissen, der Rest zum »City Center Porz« umgebaut: Unterhaltungselektronik, Kosmetik, Imbissketten, der übliche Besatz. Nichts, was eine längere Anfahrt lohnte. Gegenüber steht das ehemalige Hertie-Warenhaus – seit der Pleite des Unternehmens vor fünf Jahren steht es leer. Es ist zum Sinnbild des Niedergangs der ehemaligen Stadt Porz geworden. Dahinter erstreckt sich die Ödnis des Friedrich-Ebert-Platzes, ein Marktplatz, auf dem schon vier Jahre kein Wochenmarkt mehr stattfindet. Unter ihm verottet eine Tiefgarage, sie darf seit 2009 aus Sicherheitsgründen nicht mehr benutzt werden. Am Rande dieses Marktplatzes ist eine ganze Ladenzeile 2005 abgebrannt, die Überreste werden bis heute mit Bauzäunen verdeckt. Und hinter der Hauptstraße, auf der die Autos schnell an Porz vorbeifahren, liegt die hochgelegene, einst schmucke Rheinpromenade. Aber auch das historische Ensemble mit Pavillon, Treppe und Mauer hat man verfallen lassen. Die Treppe ist seit 2010 gesperrt.

 

Man muss all das so beschreiben, sonst würde man lügen. Und man muss es so beschreiben, um begreifen zu können, wie die Menschen hier in Porz über die Politik denken und über die Eingemeindung nach Köln im Jahr 1975. Und deshalb jubelt jetzt auch niemand. Jetzt, wo Oberbürgermeister ­Jürgen Roters (SPD) und seine ­Liegenschaftsdezernentin Ute Berg nach jahrelangem Ringen ein Coup geglückt ist: Weil sich kein Investor finden ließ, kauft die Stadt nun das Warenhaus, samt Tiefgarage – und verspricht einen Neuanfang für Porz. Rund 3,9 Millionen Euro zahlt die Stadt, obwohl das einstige Warenhaus nach städtischen Berechnungen derzeit nur 2,4 Millionen Euro wert und die dazu gehörige Tiefgarage nur mit beträchtlichem Aufwand zu sanieren ist.

 

Die Verhandlungen um den Kauf der Hertie-Ruine waren langwierig, und sie waren vermutlich die letzte Chance, die Porzer Misere zu stoppen. Diese Misere begann im August 2005, als der britische Finanzinvestor Dawnay Day mit einer ebenfalls britischen Unternehmensberatung für etwa 500 Millionen Euro die gut 70 Hertie-Warenhäuser von Karstadt-Quelle in Deutschland übernahm. Dawnay Day ist berüchtigt. Das Finanzunternehmen gilt als »Heuschrecke«, die nur an den Immobilien, nicht am Einzelhandel interessiert war. Vollmundig kündigte Dawnay Day an, man werde grundlegend »das Warenhaus neu erfinden«. Stattdessen mussten die Filialen jedoch ungewöhnlich hohe Mieten zahlen, die sie nicht erwirtschaften konnten.

 

Und so kam es, dass Hertie im Juli 2008 Insolvenz anmelden musste – ebenso wie knapp ein halbes Jahr zuvor der Eigentümer Dawnay Day selbst, der sich verspekuliert hatte. Da zeichnete sich bereits ab, dass die mehr als 70 Filialen in Deutschland würden schließen müssen und die Kölner Standorte in Porz und Chorweiler betroffen waren. Die Städte waren alarmiert, hatten aber kaum Handhabe.

 

Investoren fanden sich keine. Zum einen, weil Warenhäuser als Auslaufmodell galten, zum anderen, weil Dawnay Day immer wieder die Verhandlungen platzen ließ und sich nicht auf langfristige Mietverträge einlassen wollte. Im Mai 2009 war Hertie bankrott.

 

Die Schließung sämtlicher Filialen machte dann nicht nur die noch verbliebenen 2700 Mitarbeiter arbeitslos. Sie ließ auch die Zentren der Städte und Vororte veröden. Benachbarte Geschäfte, die zuvor davon profitiert hatten, dass Hertie Kundschaft anzog, machten Verluste, es folgten Leerstand und Ramsch. Die Porzer Fußgängerzone zeugt von diesen Trading-down-Effekten.

 

Der Insolvenzverwalter sei nicht erreichbar gewesen, heißt es im Wirtschaftsdezernat der Stadt. »Sämtliche Bemühungen der Stadt, den jeweiligen Eigentümer bei seinen Vermarktungsabsichten zu unterstützen, scheiterten«, ließ Roters vor kurzem vernehmen. Erst als ein Asset-Manager den Verkauf der Warenhäuser übernommen habe, konnten Verhandlungen angebahnt werden. Es sei nie die Absicht gewesen zu kaufen. Aber man habe Einfluss darauf nehmen wollen, dass sich ein Investor finde.

 

Auch an Ideen, mit Investments die Porzer Innenstadt weiter zu verschandeln, mangelte es nicht: 2006 soll Interesse bekundet worden sein, die leidige Tiefgarage zu übernehmen, die bislang Interessenten am Warenhaus abschreckte — unter der Bedingung, den darüber befindlichen Marktplatz zu bebauen. Die Porzer CDU begrüßte die Pläne, fand sogar Unterstützung bei den Grünen vor Ort, wurde dann aber rasch von der Kölner Parteispitze zurückgepfiffen. Ein Beschluss der Bezirksvertretung Porz von Mitte 2006 wurde nie umgesetzt.

 

Jetzt, wo Warenhaus und Tiefgarage im Besitz der Stadt sind, kündigt Liegenschaftsdezernentin Ute Berg zunächst eine Machbarkeitsstudie an. »Ankauf zum Zwecke einer städtebaulichen Neuordnung« heißt es auch in der internen Beschlussvorlage vom März. Der Rat der Stadt stimmte am 8. April in nicht-öffentlicher Sitzung dem Kauf zu. Die  Möglichkeit, dass gesamte Areal neu zu gestalten, rechtfertige den hohen Kaufpreis — da sind sich Politik und Porzer Bürger weitgehend einig.

 

Aber die Machbarkeitsstudie werde »nicht schon übermorgen vorliegen«, sagt Ute Berg. Die Dezernentin hütet sich, einen Zeitrahmen zu nennen. Wohl auch, weil sie die Ungeduld ahnen kann, die in Porz nun die langen Jahre der Lethargie ablösen wird. Zunächst sei eine Zwischennutzung des Warenhauses geplant.In den Schaufenstern könnten Ausstellungen stattfinden, so Berg. Am Ende sei dann »vieles möglich, was Porz wirtschaftlich und städtebaulich voranbringe«.

 

Schon kursieren Vorschläge. Die einen wollen Ersatz für das geschlossene Warenhaus. Denn das städtische Einzelhandels- und Zentrenkonzept von 2010 diagnostizierte für Porz-Mitte einen Mangel an bestimmten Warengruppen: Bekleidung, Spielwaren und Hobbyartikel, Bücher, Sportarikel. Christian Joisten, SPD-Fraktionschef in der Porzer Bezirksvertretung, würde die Hertie-Ruine am liebsten abreißen. Neuen Einzelhandel und Gastronomie soll rund um den dann vergrößerten Platz geben. Jörg Frank von den Grünen, Vorsitzender des Liegenschaftsausschusses, kann sich aber auch vorstellen, dass das Porzer Rathaus an den Warenhaus-Standort zieht. Dort, wo bislang Politik und Verwaltung residieren, könnten Wohnungen vermarktet werden. Frank will aber in jedem Fall die Machbarkeitsstudie abwarten.

 

Fest steht in jedem Fall: Porz wird wieder Großbaustelle. Und wenn dereinst die Resultate der Machbarkeitsstudie umgesetzt werden, dürften ältere Porzer ein Déjà-vu erleben. Auch im Jahr 1971 begann die damals noch selbständige Stadt Porz, nahezu das gesamte Zentrum abzureißen, um es neu zu errichten. Nahezu das gesamte Ensemble, das jetzt so sinnlos und verlassen hier herumsteht, galt als die Zukunft. Es dürfte nicht leicht werden, ihnen erneut den Optimismus zu vermitteln, dass es im zweiten Anlauf gelingen wird.

 

Wenigstens die Rheinpromenade dürfte bis dahin saniert sein. OB Roters hat am 16. Mai den symbolischen Spatenstich getan.