Fußgänger und Radfahrer, bitte Platz machen! – Das neue Verkehrskonzept Innenstadt | Foto: Manfred Wegener

Stau in den Köpfen

Die Stadt entwickelt ein Radverkehrskonzept für die Innenstadt.

Der große Wurf ist nicht zu erwarten

Die Zahlen steigen unaufhörlich — im ersten Quartal diesen Jahres gab es wieder einmal neue Höchstmarken. Mehr als eine Million Radfahrer wurden in Köln gezählt, das sind 60 Prozent mehr als im Vorjahr. »Die Leute wollen Rad fahren«, sagt Joachim Schalke, Vorsitzender des Kreisverbands Köln beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). »Das Problem ist nur: Sie finden nicht die Bedingungen dafür vor.«

 

Das soll sich ändern. Die Stadt hat ein Radverkehrskonzept für die Innenstadt in Auftrag gegeben, das unter Beteiligung der Kölner entstehen soll. Mehr als 100 Menschen kamen zur ersten öffentlichen Veranstaltung im April, zu der der Fahrradbeauftragte der Stadt Jürgen Möllers und der Bezirksbürgermeister Innenstadt Andreas Hupke (Grüne) geladen hatten. Zwei Planungsbüros legten ihre Entwürfe vor. Die darin vorgestellten Ideen sind altbekannt: Eine andere Aufteilung des Straßenraums zu Gunsten von Radfahrern, flächendeckende Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer, Schließung einzelner Straßen für den KfZ-Verkehr.

 

Bis Ende April konnten weitere Vorschläge eingereicht werden. Mehr als 500 seien eingegangen, erzählt Jürgen Möllers. Noch vor den Sommerferien soll es einen weiteren Workshop geben, an dem neben Verbänden wie dem ADFC, dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Vertretern von Polizei und Industrie- und Handelskammer (IHK) auch Aktivisten teilnehmen sollen. Nach einer weiteren öffentlichen Veranstaltung im Herbst findet dann im Frühjahr 2015 der finale Workshop statt, auf dem das Handlungskonzept erarbeitet werden soll. »Dann haben wir hoffentlich einen Konsens, wie der Radverkehr in der Innenstadt in Zukunft laufen soll«, äußert sich Möllers optimistisch.

 

Andere sind weniger zuversichtlich. Es sei zwar überfällig, dass auch »Verbände und Aktivisten mitreden«, sagt Joachim Schalke, »denn das wurde in der Vergangenheit häufig versäumt.« Dass am Ende viel herauskommt, glaubt er indes nicht: »Das ist eine Auftragsarbeit der Stadt, machen wir uns nichts vor.« Seine Hoffnung sei, dass man zumindest die schlimmsten Gefahrenstellen für Radfahrer entschärfe, so Schalke. Seine Forderungen gehen aber weiter: »Es geht perspektivisch nicht darum, die Infrastruktur zu verbessern. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Ich will keine fahrradfreundliche Stadt, sondern eine Fahrradstadt.«

 

Marco Laufenberg sieht das ähnlich. Hoffnungen, dass das Konzept tatsächlich deutliche Änderungen bringe, macht sich der Betreiber der Webseite »Radfahren in Köln« nicht. »Man muss sich da auch mal was trauen. Alle sagen immer, wir wollen wie Kopenhagen sein. Dort wurde die Hälfte der Flächen für den Autoverkehr umgewandelt für Radfahrer. Wenn man Köln zur Fahrradstadt machen möchte, muss man den Autoverkehr beschneiden. Flächendeckend Tempo 30 in der Innenstadt, zum Beispiel, das wäre eine sinnvolle Maßnahme.« ­Möllers wehrt sich: »Ich denke schon, dass im Handlungskonzept der Gutachter auch eine Forderung nach weitgehenden flächendeckendem Tempo 30 drin stehen wird, ebenso wie nach einer Schließung bestimmter Straßen für den KfZ-Verkehr.« Der Fahrradbeauftragte fügt aber hinzu: »Die Verwaltung kann nur Stellung beziehen, die Politik muss letztlich beschließen.«

 

Was aus ambitionierten Plänen werden kann, zeigt das Beispiel Lindenthal. Auch hier wurde ein Radverkehrskonzept erarbeitet – nach einem mehr als ein Jahr dauernden Prozess mit unterschiedlichen Interessensgruppen kam ein eher defensiver Maßnahmenkatalog heraus, der nun Stück für Stück umgesetzt wird. Radwege werden zurückgebaut, ein paar Einbahnstraßen geöffnet, Schutzstreifen angelegt. Die Mängel- und Konfliktliste war weitaus länger als die Liste der letztlich beschlossenen Maßnahmen. Den großen Wurf sucht man vergeblich.

 

»Ich bin für Utopien«, sagt ­Joachim Schalke. »Eine Innenstadt ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Radverkehr und Fußgängern halte ich für eine wahnsinnig charmante Vorstellung.« Es wird wohl erst mal eine Utopie bleiben — auch nach dem beschlossenen Radverkehrskonzept Innenstadt.