Wenn der OB zum Handy greift...

Das Loch wird tiefer: Im Juli gipfelte das Gerangel um das geplante Multimuseum am Neumarkt in einem weiteren kulturpolitischen Alleingang des OB, abstrusen Dementi und Vertuschungsversuchen – wie gewohnt alles über die Presse ausgetragen. Neben dem Schaden für die Kunststadt offenbaren die Versäumnisse vor allem ein politisches Desaster.

Kulturpolitik hat Fritz Schramma in Köln längst zur Chefsache erklärt, und eins muss man ihm lassen, dem kunsteifrigen OB: Er pflegt einen innovativen Stil – insbesondere dann, wenn es um schwerwiegende Entscheidungen geht. Langwierige Debatten mit seiner Fachdezernentin oder anderen Protagonisten des Kölner Kulturlebens sind Schrammas Sache nicht, ihm genügt der rasche Griff zum Handy und der kurze Draht zur lokalen Tagespresse. So hat er schon mal ruckzuck seriöse Vertragsverhandlungen für nichtig erklärt und die Neubesetzung der Opernintendanz zur läppischen Personalie degradiert. Der katastrophale Ruf, den er sich mit dieser dreisten Strategie bundesweit erwarb, kümmert ihn offenbar wenig. Denn Anfang Juli hat er sich erneut per Handy und via Presse als rasender Kulturpolitiker hervorgetan. Dieses Mal jedoch sollte das Schelmenstück nicht so ganz gelingen und mutierte zu einem hochpeinlichen Eiertanz, auf dessen Finale wir alle noch warten. Derweil blicken wir gespannt in ein 6.000 Quadratmeter großes Loch, das in allerbester Innenstadtlage als Sinnbild prangt: für ein kulturpolitisches Desaster. Aber der Reihe nach.

Beim Fassanstich in Bad Neuenahr

Als Fritz Schrammas Handy am Freitag, dem 4. Juli, wieder einmal klingelt, da weilt er gerade in Bad Neuenahr, um just jener Tätigkeit nachzugehen, die einstmals zu den vornehmsten Aufgaben eines OB gehörte: die volkstümliche Repräsentation der Heimatstadt in auswärtigen Gefilden. Per Fassanstich darf unser Stadtoberhaupt einen »Kölner Abend« an der schönen Ahr eröffnen. Der dann folgende kulturpolitische Handy-Talk allerdings schlägt – um im Bilde zu bleiben – dem Fass den Boden aus. Denn am Handy meldet sich der nordrhein-westfälische Kulturminister Michael Vesper, um mitzuteilen, dass er die Städtebaufördermittel vom Land in Höhe von 5,1 Millionen Euro für den Museumskomplex am Josef-Haubrich-Hof, vorerst streichen müsse, weil der erforderliche Antrag seitens der Stadt Köln immer noch nicht vorliege. Daraufhin hat Schramma nichts Eiligeres zu tun, als zeitungsöffentlich den akuten Finanzgau auszurufen, das nunmehr seit acht Jahren geplante Museumsprojekt kurzerhand pleite zu erklären und das Grundstück auf dem Immobilienmarkt feilzubieten.

Kunst im Parkhaus?

Aber natürlich hat unser vorausschauender OB auch für die Kulturinstitute, die in dem neuen Museumsbau untergebracht werden sollten, gleich Alternativlösungen parat: Die Kunsthalle will er in der Rampe der Deutzer Brücke unterbringen, das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) soll am Ubierring in dem maroden Altbau bleiben, den man mit dem eingesparten Geld für den Neubau schließlich renovieren könne. Das zeugt von einem Ausmaß an Ignoranz und Dilettantismus, das kaum noch zu überbieten ist: Der vorgebliche »Saal« in der Brückenrampe hat die Ästhetik einer Tiefgarage und wird tatsächlich von städtischen Angestellten gelegentlich als Parkhaus genutzt, im Winter lagert hier Streugut.
Schrammas Vorschlag zeugt ebenso wie das überdimensionale Loch am Josef-Haubrich-Hof von einem kulturellen Gedächtnisverlust, der an Demenz grenzt. Schließlich war die Kunsthalle einmal eine international renommierte Institution, die in den 60er Jahren Kölns Ruf als Kunstmetropole zusammen mit dem benachbarten Kölnischen Kunstverein mit begründet hat. Seit geraumer Zeit allerdings gab es für die städtische Ausstellungshalle keinen angemessenen Etat mehr, und ein inhaltliches Konzept für eine Kunsthalle in dem neuen Museumskomplex existiert bis heute nicht. Stattdessen brachte man die Abrissbirne großflächig und effektvoll zum Einsatz – obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Finanzierung des Neubauprojektes nicht mehr gesichert war.

Hochwasser im Museumskeller

Dem RJM wiederum wird seit 1989 – also mittlerweile 14 Jahren – ein neues Domizil in Aussicht gestellt, unter anderem auch deshalb, weil eine Sanierung und komplette Umgestaltung des Altbaus in der Südstadt bereits damals für nicht rentabel befunden wurde. Sollte die Stadt den Museumskomplex am Haubrich-Hof tatsächlich fallen lassen, wäre das der dritte kostspielig erstellte Neubauentwurf, der in der Tonne landet. Darüber hinaus nimmt man seit Jahren in Kauf, dass eine bedeutende ethnologische Sammlung sukzessive verrottet. Die Depots im Keller des Altbaus sind nach drei Hochwasserüberflutungen nicht mehr benutzbar, außerdem hat das Wasser die Fundamente derart unterspült, dass die Statik des Hauses gefährdet ist; hinzu kommen Schäden an Dach und Fenstern sowie völlig überalterte Wasser- und Elektroleitungen. Ausstellungsräume mussten zu Lagerflächen umfunktioniert werden, doch aufgrund fehlender Klimatechnik ist die gesamte Sammlung extremen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt, was sich auf die großenteils vegetabilen Materialien verheerend auswirkt.
Aber unabhängig von der maroden Bausubstanz ist das 1906 errichtete Gebäude viel zu klein. Von rund 65.000 Objekten und 100.000 Fotos kann weniger als ein Prozent gezeigt werden. Dabei hat das Rautenstrauch-Joest-Museum sein enormes Potenzial bereits seit Anfang der 80er Jahre bewiesen: Mit thematischen Ausstellungen wie »Rausch und Realität. Drogen im Kulturvergleich« nahm es eine Vorreiterrolle unter den Völkerkundemuseen Deutschlands ein und erregte international Aufsehen. Was in Köln anscheinend kaum einer bemerkt hat.

Das Multimuseum war längst gescheitert

Anders in Düsseldorf, und deshalb stellt das Kulturministerium des Landes auch Gelder für den Museumskomplex am Kölner Haubrich-Hof bereit. Seit Januar dieses Jahres warten dort fette 18,9 Millionen Euro aus dem Museumsbauprogramm darauf, aus Köln abgerufen zu werden. Hinzu kommen 5,1 Millionen aus einem anderen Topf, der Städtebauförderung. Dieses Geld jedoch – und genau das hat Minister Vesper unserem OB per Handy an besagtem Freitag erklärt – kann nun in diesem Jahr nicht mehr bewilligt werden, weil der dafür notwendige Antrag in Düsseldorf nach wiederholter Aufforderung noch immer nicht vorliegt. Schramma aber wollte dieses Telefonat wohl partout missverstehen – warum sonst sollte er ein über Jahre geplantes und mit großflächigen Abriss- und Ausschachtungsarbeiten (was bereits Millionen verschlungen hat) begonnenes Projekt wegen einer vergleichsweise geringen Finanzlücke fallen lassen? Denn genaugenommen war der gigantische Museumskomplex längst gescheitert, bevor die Abrissarbeiten begonnen haben. Und zwar auf Grund eklatanter Fehlkalkulation.

Stringente Kulturpolitik?

Gemessen an der Finanzlage einer Stadt, die ihren Museen schon zu Beginn der Planungen nur noch knappe Etats zur Verfügung stellen konnte, war der Neubau von Anfang an überdimensioniert und was die beschworenen »Synergien« betrifft auch falsch konzipiert. In diesen Museumskomplex integriert werden sollten neben dem RJM eine Dependance des Schnütgen-Museums für mittelalterliche Sakralkunst, die Kunsthalle und der Kölnische Kunstverein, außerdem pädagogische Einrichtungen wie der Museumsdienst und die Volkshochschule. Ein derart ehrgeiziges Projekt erfordert eine hohe Kooperationsbereitschaft der einzelnen Institutionen untereinander, aber vor allem eine stringente Planung seitens der Kulturpolitik. Die jedoch hat es in Köln nie gegeben.
Nun hat der Kölnische Kunstverein an der Hahnenstraße gerade ein höchst attraktives Domizil gefunden, an dem er gern auf Dauer residieren möchte. Der VHS sind die städtischen Zuschüsse derart gekürzt worden, dass sie sich die anfallenden Betriebskosten gar nicht mehr leisten kann. Darüber hinaus hat sich das Kölner Baudezernat skandalöse Rechenfehler geleistet, worüber aber heute niemand mehr spricht: 60 Millionen Euro durfte der Museumskomplex kosten. Auf 80 Millionen kam der Regierungspräsident, der die Kalkulation überprüfen musste. Daraufhin legte er sein Veto ein. Die Stadt versprach eine Überarbeitung des gesamten Konzeptes, die aber bis heute aussteht. Genau deshalb liegt der erforderliche Antrag auf Landesfördermittel in Düsseldorf nicht vor.

Der Eiertanz geht weiter

Die einzigen, die darauf reagiert haben, sind eine Hand voll Künstler, Architekten und andere Kulturschaffende um Rosemarie Trockel und Marcel Odenbach, die zunächst gegen die Abrissbirne protestierten und aus deren Initiative inzwischen der Verein »Das Loch e.V.« und eine Planungsgruppe hervorgegangen sind. Die Mitglieder bemühen sich jetzt konstruktiv um einen Ausweg aus dem Desaster und erarbeiten ein Konzept für eine Public-Private-Partnership. Ob sich die Kölner Politiker nun aber auf konzeptionelle Debatten und vernünftiges Abwägen unterschiedlicher Positionen einlassen werden, ist fraglich.
Der OB jedenfalls versucht sich weiter im Eiertanz. Nachdem ihn zunächst eine briefliche Ministerrüge Vespers ereilt hatte – der wollte schließlich den Schwarzen Peter nicht auf sich sitzen lassen – kam es dann noch einmal zu einem, ja: Telefonat. Und daraufhin verschickte Schrammas Pressebüro das Dementi. »Stadt hält an Neubau von RJM fest«, heißt es da. Die Rede ist allerdings von einer »abgespeckten Variante«, über die der Rat in seiner nächsten Sitzung entscheiden werde. Aber für alle Fälle hält der OB auch noch einen »Alternativvorschlag« bereit. Und der entspricht so ziemlich exakt der allerersten Pleite-Version. Die Auswirkungen des OB-Handys auf die Kölner Kulturpolitik sind wirklich fatal. Vielleicht sollte der Rat der Stadt das ja bei der Haushalts-Sitzung am 29. Juli berücksichtigen: Dezernat OB, mobiles Fongerät: Wegen Schadens für die gesamte Stadt ersatzlos gestrichen.

Am Tag der Drucklegung geht eine weitere Meldung ein: Die Stadt zieht die Drehgenehmigung für Rosemarie Trockel und die für den selben Tag geplante Protest-Veranstaltung der Initiative Haubrich-Forum zurück.


Infos & Termine
Der nächste Entscheid über die Zukunft des Geländes ist für die Ratssitzung am 29.7. geplant
Die StadtRevue wird sich im Septemberheft in der Titelgeschichte mit Architektur und Stadtentwicklung in Köln beschäftigen und auch das von der Initiative erarbeite Modell vorstellen.