Einen Plan B gibt es nicht

»Achtbar« ist eine der 25 Baugruppen, die sich für das Clouth-Gelände in Nippes beworben haben. Der Aufwand ist riesig, der Erfolg ungewiss — doch die Aussicht auf gemeinschaftliches Wohnen treibt die Gruppe an.

 

Sicherlich, sie könne ein Interview zu ihrem Projekt geben sagt Sabine Schröder am Telefon. Aber vor dem 30. April dürfe ich niemandem davon erzählen. Die Konkurrenz, so Schröder, könnte sonst die Ideen kopieren und sich einen Vorteil verschaffen. Der 30. April ist der Stichtag für die Abgabe der Bewerbungsunterlagen für das Clouth-Gelände in Nippes. Drei Grundstücke hat die Stadt für Baugruppen ausgeschrieben. Sie werden in einem Wettbewerb vergeben, sechs oder sieben Gruppen sollen hier ihre Pläne vom gemeinschaftlichen Wohnen verwirklichen können, beworben haben sich 25 Baugruppen. 

 


Sabine Schröders Gruppe ist eine davon, mit dabei sind ein kinderloses lesbisches Paar der Generation 50-plus, eine türkische Patchwork-Familie oder ein Ehepaar, das eine Wohnung im selben Haus wie ihre in Köln studierende Tochter haben möchte. »Unsere Idee ist Vielfalt«, sagt Sabine Schröder. »Darauf haben wir bei der Auswahl der Bewerber geachtet.« Generationenübergreifend und vielfältig, was sexuelle Orientierung und Lebensphase angeht, so präsentiert sich Achtbar der Jury, die über die Belegung des Clouth-Geländes entscheidet. 

 


Das Ziel von Achtbar ist es, dass sich die Bewohner untereinander unterstützen, etwa im Fall einer Krankheit. Es ist ein Projekt mit Idealen, aber geboren ist es aus Pragmatismus. »Die Initiatoren sind meine Partnerin und ich«, verrät Sabine Schröder. Schon vor Jahren wollten sie mit Freunden gemeinsam in ein Haus ziehen. »Aber man findet halt in Köln, wenn man innenstadtnah wohnen will, kein Haus, das leer steht.« Die Ausschreibung für das Clouth-Gelände sorgte dafür, dass die beiden ihre Idee wiederbelebten: »Eine Freundin von uns, Ursula Müller, berät beruflich Baugruppen. Die hat dann eine Anzeige aufgegeben, um nach Interessenten für eine Baugruppe in Köln zu suchen.« Die Resonanz war groß, es gab 120 Anfragen. In mehreren Runden trafen sich Sabine Schröder und ihre Freundin mit den Interessenten: »Wir haben geschaut, wer glaubhaft Interesse an gemeinschaftlichem Wohnen hat.« Am Ende blieben 14 Parteien übrig, mit denen das Projekt Achtbar in Angriff genommen wurde. Sie setzen sich aus unterschiedlichen Berufen zusammen: IT-Fachleute, Hochschuldozenten, Journalisten, Betriebswirte. Fast alle verfügen über einen akademischen Abschluss und das entsprechende Einkommen. »Der Anspruch, eine Baugruppe zu gründen, die auch Menschen mit geringem Einkommen aufnimmt, ist schwer einzulösen«, gibt Schröder zu. »Vielleicht ist das wirklich eher was für die Mittelschicht.« Aber bei Achtbar rückt auch eine Idee der Arbeiterbewegung wieder in den Vordergrund: der gemeinsam bewirtschaftete Garten, wie er in den Gartenstädten des britischen Sozialisten Ebenezer Howard vorgesehen war.

 

Bei Achtbar kommt freilich noch eine Espresso-Bar im Eingangsbereich für die Bewohner des Hauses hinzu. Die Gestaltung der eigenen Wohnung aber bleibt Privatsache: »Eine Baugruppe bietet ja die Möglichkeit, eine Wohnung zu bekommen, die den eigenen Vorstellungen entspricht«, meint Sabine Schröder. Denn selbst bei Neubauten hätte man wenig Mitsprachemöglichkeiten, was den Schnitt der Wohnung angeht. 

 


Dass die Achtbar-Mitglieder nun alles Wohnungseigentümer sein würden, sei aber nicht zwingend gewesen, so Schröder. »Ich hätte auch ein Genossenschaftsmodell interessant gefunden, aber das wäre zu aufwändig gewesen.« Doch auch so waren die Planungen anspruchsvoll. Alle ein bis zwei Wochen hat sich die Baugruppe seit dem Spätherbst vergangenen Jahres getroffen, meistens moderiert von Ursula Müller, die das Projekt steuerte. »Es ist wichtig eine neutrale Person dabei zu haben« meint Sabine Schröder. »Denn wenn es um Eigentum und um das eigene Geld geht, kommt schon eine andere Dynamik rein.« Deshalb bildete sich auch eine Finanz-AG neben weiteren klei-nen Gruppen, die sich um die Architektur oder den Erfahrungsaustausch mit anderen Baugruppen kümmerten. 

 


Die Baugruppe muss bei ihrer Bewerbung nachweisen, dass sie fünfzig Prozent des Preises für das gewünschte Grundstück aus Eigenkapital erbringen kann. Das sind in diesem Fall rund 500.000 Euro, was ungefähr einem Sechstel der Gesamtkosten entspricht. »Wir legen beim letzten Treffen vor der Abgabe alle zusammen und schauen, wie viel dabei rauskommt«, sagt Sabine Schröder. Über die weitere Finanzierung mache man sich erst Gedanken, falls man den Zuschlag erhalte. Für Banken stellen Baugruppen zwar weitgehend Neuland dar, die GLS-Bank oder die Umweltbank böten jedoch bereits heute Unterstützung bei der Finanzierung an, sagt Schröder. 

 


Und wenn die Bewerbung scheitert? »Einen Plan B gibt es nicht«, sagt Schröder. »Was machen wir als Gruppe? Lösen wir uns auf? Suchen wir uns ein anderes Grundstück?« Für den Mai ist erst mal Urlaub geplant, nicht in der Gruppe, sondern zu zweit — der erste nach acht Monaten Planung für den Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen.