Foto: Manfred Wegener

»is’ so«

Andreas Breil ist der Veedelshausmeister des Kalker Nordens. Jeden Tag macht er seine Runde durch den Bezirk. Wir haben ihn begleitet.

An vielen Kölner Haltestellen schaut gerade ein Hausmeister von der Werbetafel auf die Kölner herab. Die Haare sind kurzgeschoren, er trägt einen roten Pulli. Die Arme hat dieser Hausmeister vor der Brust verschränkt, in der einen Hand hält er einen Hammer: ein Typ, der anpackt. So einer ist Andreas Breil. Aber Breil ist nicht für ein Haus oder einen Wohnblock zuständig, sondern für etwas anderes: ein Veedel.

 

Sein Veedel, das ist Kalk Nord. Nicht nur als Hausmeister, auch als Anwohner. Seit 1974 lebt der 49-jährige im Kalker Norden. Früher arbeitete Breil auf der anderen Rheinseite in einer Druckerei. Heute hat er sein Büro an der Buchforststraße in einem Ladenlokal. Breils Position ist -zwischen allen Stühlen angesiedelt. Er ist angestellt bei der Jugendzentren Köln gGmbH (JugZ), finanziert wird seine Stelle aber vom Wohn-dialog Kalk Nord, in dem unter anderem die GAG und die Deutsche Annington, die beiden größten Wohnungsgesellschaften im Kalker
Norden, vertreten sind.

 

Jeden Morgen trifft er in seinem Büro ein, und checkt die Mails, bevor er sich auf seinen täglichen Rundgang durch sein Stadtveedel macht.
»Ich bin so eine Art Schnittstelle«, sagt Breil über seine Arbeit. Zu ihm
soll jeder kommen können, der in Kalk Nord ein Anliegen hat. »Manche Leute beschweren sich über Müll in der Straße. Manchmal kommen aber auch Menschen, die total verschuldet sind oder die eine neue Wohnung suchen«, erzählt Breil. Dann spricht er mit Behörden, hilft bei der Formulierung von Briefen und kümmert sich um die Probleme der Kalker.  

 

Dass es in Kalk einen Veedelshausmeister gibt, ist ein Ergebnis des »Integrierten Handlungsprogramms Kalk Nord 2012+«. Mehrere Monate wurden Anwohner befragt und die Mülltonnen und Straßenlaternen des Bezirks kartografiert. Denn innerhalb von Kalk gilt besonders der Norden als »Problembezirk« mit hoher Arbeitslosigkeit und »niedrigem Bildungsstand«. Also entwarfen die Beteiligten einen Aktionsplan, und darin vorgesehen ist die Stelle von Veedelshausmeister Andreas Breil. Seit drei Jahren macht er diesen Job mittlerweile. 

 

Wie breit sein Tätigkeitsfeld ist, wird beim Rundgang durch sein Viertel deutlich. »Manchmal muss ich mit den Hausmeistern von GAG und Annington verhandeln«, erzählt Breil, als wir an einem Garten vorbei-gehen. Dort steht ein junger Baum auf dem Rasen, in dessen Mitte ein paar Beete angelegt sind. Gepflanzt wurden sie von einem Rentner, der in einem der Häuser wohnt. Vorgesehen waren sie nicht. Die Hausordnung der Deutschen Annington, der die ehemaligen Werkshäuser gehören, lässt eine Nutzung der Rasenfläche als Gemüse- oder Blumengarten nicht zu. Es sind solche Konflikte, in denen Andreas Breil nicht nur ein Hausmeister ist, sondern ein Vermittler. Denn was würde es nützen, wenn der Hausbewohner nicht den Rasen bepflanzen könnte? Frust über die -Hausverwaltung schafft kein Nachbarschaftsgefühl und genau dieses hat Breil bei seinen Aktionen im Auge. »Verantwortungsübernahme stärken«, heißt das im Aktionsplan. Deshalb lässt Breil eine Schulklasse ein Trafohäuschen der Rheinenergie bemalen. Deshalb veranstaltet er Nachbarschaftsfeste mit den Mietern aus verschiedenen Wohn-blöcken. Deshalb repariert er gemeinsam mit Anwohnern und Schülern Sitzbänke an der Falckensteinstraße, damit diese im Sommer wieder genutzt werden können. 

 

Breil ist kein Idealist. »Is’ so«, ist der Satz, den er am häufigsten benutzt, wenn er von seinem Stadtteil erzählt. Breil ist klar, dass er die Probleme von Kalk-Nord nicht lösen, sondern allenfalls lindern kann. Also trägt er seinen Teil dazu bei, seinen Stadtteil zumindest freundlicher aussehen zu lassen. In der Nähe des Sportplatzes an der Eythtraße stand eine verklinkerte Mauer auf dem Grundstück eines Gebetsraums. »Hinter den losen Klinkern haben die Dealer immer Drogen gelagert«, erzählt Breil. Er hat die Sträucher vor der Mauer entfernen lassen, die muslimische Gemeinde hat die Mauer verputzt. »Danach war dort Ruhe.« Oft sind es solche Kleinigkeiten, die eine große Wirkung haben. Ein paar beschnittene Bäume und Büsche sorgen für einen anderen Lichteinfall und auf einmal kann im eigentlich eng bebauten Kalker Norden weit blicken. Oder Breil veranlasst, dass an einer dunklen, schwer einsichtigen Ecke eine Laterne aufgestellt wird, die dafür sorgt, dass diese Ecke nicht mehr gemieden wird. Menschen wie »die Oma an der Ecke« zum Beispiel, die Breil immer wieder als Beispiel heranzieht, wenn er darstellen möchte, dass er mit seiner Arbeit die Belange aller Kalker im Blick haben will. 

 

Auch wenn diese Belange vielfältig sind — politisch wird die Existenz des Veedelshausmeisters eindeutig begründet. Immer wieder werde »der verschmutzte öffentliche Raum bzw. die zugespitzte Müllsituation im Viertel insgesamt« als Grund zur Unzufriedenheit mit der Wohnsituation im Kalker Norden genannt, steht im »Integrierten Handlungsprogramm Kalk Nord«. Und weiter heißt es dort: »Der Veedelshausmeister hat den Auftrag, die Müllproblematik im Kalker Norden vor- und nachsorgend zu bewältigen.«

 

»Sauberkeit ist schon wichtig«, meint Andreas Breil. Seine Erfolge bei der »Müllproblematik« erwähnt er gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Auf einer Karte zeigt er, wie viele Mülleimer bei seinem Amts-antritt im Veedel aufgestellt waren. Mittlerweile sind es mehr als doppelt so viele. Als wir im Osten von Kalk auf der Rückseite des Güterbahnhofs stehen, deutet er auf eine kleine Mauer am Bahndamm und einen Schrebergarten gegenüber. »Hier haben wir 42 Kubikmeter Müll rausgeholt. Niemand wusste, wem die Grundstücke gehörten, also hat sich niemand zuständig gefühlt.« Müllablageplätze wie diesen gibt es einige im Kalker Norden. Manchmal werden Autos bis an ihr Lebensende geparkt, ein anderes Mal findet man einen angerosteten Einkaufswagen neben einer Matratze in einem der vielen Hinterhofdurchgänge. 

 

Kurz danach stehen wir auf einem Spielplatz zwischen Steprathstraße, Breuer-straße und Kalker Hauptstraße. Es ist Freitagmittag, die Sonne scheint, es ist warm. Die Mülleimer auf dem Spielplatz sind bis zum Anschlag gefüllt. »Wenn die heute nicht geleert werden, fliegt hier am Wochenende wieder überall der Müll rum«, meint Breil und nimmt sein Smartphone in die Hand. Kurze Zeit später hat er die AWB am Apparat. »Ja, Breil hier.« Es folgt ein kleiner -Dialog über Dienstpläne, ein paar freundliche Bitten und nach ein paar Minuten ist der Anruf beendet. »Die kommen heute noch«, meint Breil und wir gehen weiter. Am nördlichen Ende des Spielplatzes steht eine Gruppe Menschen und trinkt Bier. Breil grüßt sie, sie winken zurück. »Mit denen habe ich eine Abmachung«, meint er. »So lange sie ihren Müll wegräumen, können sie sich hier treffen.« In solchen Momenten wirkt er zufrieden, weil er einen Konflikt zur Zufriedenheit aller gelöst hat. 

 

Aber bei aller Sympathie für die Eigenheiten seines Veedels: Ein wenig wirkt es so, als wäre Breil der runtergerockte Charme des Kalker Nordens, der das Viertel bei auf günstigen Wohnraum angewiesenen -Studenten und Kreativen attraktiv macht, ein wenig peinlich. Wenn man mit ihm die Straßen entlang geht, fällt irgendwann der Satz. »Hier denkt man gar nicht, dass man in Kalk ist.« Dann zeigt Breil auf ein Haus mit hohen Fenstern und Stuck an der Fassade, das man eher im Agnesviertel vermuten würde. Und nicht immer gelingt es, solche Idealvorstellungen mit den Problemen Kalks in Einklang zu bringen. Vor dem Norma-Supermarkt auf dem Weg zum Evangelischen Krankenhaus traf sich ebenfalls lange eine Gruppe von Gewohnheitstrinkern. Breil und der Bezirk haben dort die Bänke entfernen lassen, die Trinker mussten weiterziehen. Aber das ist halt auch Teil des Jobs eines Hausmeisters. Selbst wenn man manchmal ein Auge zudrücken kann: Die Regeln machen andere und der Hausmeister ist dafür angestellt, sie durchzusetzen. Mal sanft und mal ein wenig ruppiger. Is’ so.