Sieht so eine Flaniermeile aus? – Bartholomäus-Schink-Straße in Ehrenfeld | Foto: Manfred Wegener

Niemand hat den Bogen raus

Ein Investor kündigt an, die Bahnbögen in Ehrenfeld zu beleben.

Die Zweifel wachsen, ob das gelingen wird

Ein Viertel im Aufbruch, so wird Ehrenfeld seit Jahren vermarktet. Die Kreativwirtschaft ist gut vertreten, das Design Quartier Ehrenfeld und die Läden an der Körnerstraße dienen als Aushängeschild.  Am alten Güterbahnhof wird ein neues Quartier mit Gewerbe und Wohnen entstehen, auf dem Helios-Gelände ist eine Inklusive Universitätsschule geplant.

 

Zu all dem passte auch die lange angekündigte Umnutzung der Bahnbögen. Doch bislang ist nichts geschehen. Das Bild rund um den  Ehrenfelder Bahnhof ist eher trostlos: 55 Bahnbögen reihen sich entlang der Hüttenstraße, der Bartholomäus-Schink-Straße und der Heliosstraße. Die meisten stehen leer. Sie sind feucht, müssten saniert werden. Vor den Bögen an der Bartholomäus-Schink-Straße stehen Bauzäune. Doch was nach Umbruch aussieht, ist vielmehr Stagnation. Seit Jahren passiert so gut wie nichts.

 

Um das zu verstehen, hilft ein Blick auf die Verantwortlichkeiten und Besitzverhältnisse. Die Bögen gehören der Deutschen Bahn AG. Seit 2006 werden sie von der Bahnbögen Köln GmbH gepachtet. Der Geschäftsführer Lutz Figge sagt, er wolle die Bartholomäus-Schink-Straße in eine Flaniermeile mit Gastronomie, Clubs und Galerien verwandeln. Die Gegend sei mit Bahnhof und U-Bahn fantastisch erschlossen und es  würden dort keine Anwohner gestört. 2010 wurde der Club Bahnhof Ehrenfeld eröffnet. Es läuft gut für die Betreiber, in diesem Jahr steht gar eine Vergrößerung an. Trotzdem sind die Betreiber nach wie vor Einzelkämpfer. Figge weist die Verantwortung von sich und sagt, solange die Deutsche Bahn nicht saniere, könne er nichts tun.

 

Anfang Juni kam Bewegung in die Angelegenheit, als die Deutsche Bahn bekannt gab, 2015 mit der Sanierung der Bögen zu beginnen. Das könnte ein erster Schritt in Richtung einer belebten Meile entlang der Bartholomäus-Schink-Straße sein. »Wir gehen davon aus, dass die Sanierung umgesetzt wird. Wir wissen, dass die Gelder bereitstehen«, sagt Figge. Auch Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) ist zuversichtlich, dass jetzt saniert wird. Schließlich liege die Ankündigung diesmal Schwarz auf Weiß vor. »Die Sanierung ist ein Startschuss für die Veränderung«, so Wirges.

 

Andere sind skeptisch. Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen in Ehrenfeld, sagt: »Ich glaub’s erst, wenn ich’s sehe!« Schon nach der Eröffnung des Clubs Bahnhof Ehrenfeld habe Figge angekündigt, bald mache hier ein Laden nach dem anderen auf, so Martin. Doch bis heute blieben das leere Versprechungen.

 

Bereits 2012 hatte Bezirksbürgermeister Wirges zwei »Bahnhofskonferenzen« mit  Politik, Deutscher Bahn und Bahnbögen GmbH einberufen. »Anschließend wurden Schuttberge abgetragen, Fahrradstellplätze geschaffen und das Gelände um den Club Bahnhof Ehrenfeld wurde eingezäunt«, erzählt Andreas Pöttgen von der Ehrenfelder SPD. Das war zwar ein erster Schritt, in Bezug auf die Sanierung ist Pöttgen aber bloß »verhalten optimistisch«. Um hier etwas zu bewegen, brauche man einen langen Atem, sagt er.

 

Warum dauert die Planung der Sanierung so lange? Warum wird der Beginn nun wiederum bis 2015 hinausgezögert, und warum stehen die benötigten Gelder erst heute zur Verfügung? »Fragen Sie die Deutsche Bahn«, sagt Lutz Figge. Bei der Deutschen Bahn äußert man sich dazu auf Anfrage der StadtRevue nicht. Wie lange sich die Sanierung hinziehen wird, könne man nicht sagen. Fest stehe nur, dass 2015 begonnen werden soll, teilt eine Sprecherin mit. Dann sollen zwei bis drei Bögen pro Jahr saniert werden. Ob 2015 aber bereits der erste Bogen fertig wird, ist fraglich. Zudem werden nicht alle 55 Bögen saniert, sondern lediglich die 16 Bögen, die unterhalb des Bahnhofs liegen.

 

Eine ähnlich aufwendige Sanierung ist für die Bögen an der Helios- und der Hüttenstraße nicht geplant. Hier sei das Feuchtigkeitsproblem weniger gravierend, so Figge. Es müssten andere Maßnahmen gefunden werden, um die Bögen nutzen zu können. In den betroffenen 40 Bahnbögen soll es Handwerk, Einzelhandel und Büros geben — also keine Eventmeile.

 

Für Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes, liegt die Verantwortung weniger bei der Deutschen Bahn als bei Figge und dessen Bahnbögen Köln GmbH. Um eine Anlage attraktiver zu machen, sagt Müller, müsse man mehr Geld in die Hand nehmen, als unbedingt notwendig. In ihren Augen scheint dies jedoch von Figge nicht beabsichtigt zu sein. Für Müller ist fraglich, ob es sich bei der Bahnbögen Köln GmbH um den geeigneten Pächter handelt. Für die Bahn sei die Bahnbögen Köln GmbH bei Vertragsabschluss vermutlich ein ansprechender Pächter gewesen, da gleich ein Vertrag über alle Bögen abgeschlossen werden konnte und nicht einzeln verpachtet werden musste. Müller vermutet aber, dass sich die Bahn ursprünglich mehr vom Pächter erhofft habe. Als Paradebeispiel für eine gelungene Umsetzung nennt Müller das vergleichbare Gelände am Savignyplatz in Berlin-Charlottenburg: »Dort ist entlang eines Bahndamms eine attraktive Meile mit einer Architekturbuchhandlung, einem Möbeldesignladen und Gastronomie entstanden«, so Müller.

 

Für den Fall, dass die Sanierung tatsächlich kommt, stehen neue Herausforderungen an. Zum Beispiel die, gleichzeitig Kulturan­gebote zu entwickeln und den Anwohnern gerecht zu werden. »Das ist ein Spagat«, sagt Bezirksbürgermeister Wirges. Ehrenfeld sei im Aufbruch, die Veränderung am Bahndamm positiv. Dennoch müsse die soziale Mischung erhalten bleiben. »Auch der Opa mit kleinem Portemonnaie, der schon seit 50 Jahren hier wohnt, muss sich die Miete weiterhin leisten können.«

 

Harald Schuster, seit der Kommunalwahl für die Wählergruppe Deine Freunde in der Bezirksvertretung, sieht eine zu starke Veränderung des Stadtteils ebenfalls kritisch. Er wolle keine »Schicki-Micki-Meile«, sagt Schuster. Er wünscht sich unter anderem ein Café als Gedenkstätte für die Edelweißpiraten, die 1944 an den ersten beiden Bögen neben der Brücke an der Venloer Straße von den Nazis ermordet wurden. Für ein solches Café setzt sich auch Wirges seit rund drei Jahren mit einem Kuratorium ein. Bisher scheiterte der Plan an den Kosten. Schuster schwebt deshalb vor, das Projekt über Spenden zu finanzieren.

 

Eine weitere Idee, von der Ehrenfelder und Durchreisende profitieren dürften, ist eine Radstation mit Stellplätzen im Außenbereich und abschließbaren Plätzen in einem der Bahnbögen. So könnten die bestehenden 500 Abstellmöglichkeiten verdoppelt werden. »Der Bedarf ist da«, sagt Hendrik Colmer aus dem Team des Fahrradbeauftragten der Stadt Köln. Voraussetzung sei jedoch eine erschwingliche Miete, da die Stadt die Anlage andernfalls auf Dauer nicht halten könne. Die Verhandlungen mit der Bahnbögen Köln GmbH laufen.

 

An Plänen, wie die Meile entlang der Bahnbögen gestaltet werden kann, mangelt es also nicht. Lutz Figge sagt, dass es »eine enorme Anzahl an Interessenten« gebe. Es seien bereits mehrere Verträge unterzeichnet, dann aber wieder auf Eis gelegt worden. Wann die Mieter die Bahnbögen nutzen könnten, könne er aber nicht genau sagen. Vielleicht kann der erste Bogen im Herbst 2016 ausgebaut werden. Sicher ist: »Sobald ein Bogen fertig saniert ist, wird er sofort vermietet«, beteuert Figge. Wieder einmal.

 

 

Von: Leandra Kubiak

 

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