Die Achse der schlechten Laune

Stellungnahme der Autoren der Titelgeschichte »Die Gekränkten« (StadtRevue 07/2014) zu den Reaktionen auf ihren Text.

 

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Stellungnahme der Autoren der Titelgeschichte »Die Gekränkten« (StadtRevue 07/2014) zu den Reaktionen

 

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Heute wird die neue Stadtrevue ausgeliefert – eine gute Gelegenheit, die Resonanz auf den Schwerpunkt unserer Juli-Ausgabe Revue passieren zu lassen. »Die Gekränkten. Die Mitte der Gesellschaft kippt nach rechts« lautete unsere Titelzeile. In der begleitenden Geschichte haben wir die Gemeinsamkeiten zwischen den Lesern Akif Pirinccis, der AfD und den (Ideologen der) neuen Montagsdemos zu analysieren versucht.

 

Im Mittelpunkt stand für uns, anders als es viele Leserkommentare wahrhaben wollen, die Schnittmenge von AfD und Akif Pirincci – das Abwandern einer sich als liberal verstehenden »gesellschaftlichen Mitte« in mitunter bizarre rechte Positionen. Rückblickend lässt sich sagen, dass wir mit unserer Einschätzung leider recht gehabt haben, besonders was Köln angeht. Zwar gibt es eine potentielle Ratsmehrheit, die man als linksliberal charakterisieren könnte, aber gleichzeitig wurde in Köln ein bislang gültiger Konsens aufgekündigt: Niemals einem Antrag rechtsextremer Parteien zuzustimmen oder sich von ihnen in ein Amt wählen lassen.

 

Genau das passierte im Juni in Porz. Dort ließ sich der CDU-Politiker Henk van Benthem mit den Stimmen von Pro Köln zum Bezirksbürgermeister wählen. In der folgenden Ratssitzung verteidigte die CDU diese Wahl und verweigerte die Zustimmung zu einer Selbstverpflichtung der Ratsparteien nach Vorbild des »Berliner Konsens«. In Köln konsolidiert sich das rechte Lager – nicht nur kulturell, sondern auch im politischen Grabenkampf der Ratspolitik. Die AfD stimmte in der gleichen Ratssitzung übrigens mehrmals wie Pro Köln – die Rangeleien aus dem Vorwahlkampf scheinen mittlerweile keine Rolle mehr zu spielen.

 

Akif Pirincci wollen wir an dieser Stelle nur kurz erwähnen. Er spielt weiterhin den Hofnarren der Rechten, indem er auf seiner Facebook-Seite vor sich hin pöbelt und sich an seinen lieb gewonnenen Feindbildern abarbeitet. Business as usual.

 

Die Fans von Pirincci gelten als durchaus nervös, und wir erwarteten von ihrer Seite den großen Ansturm. Aber die meisten Kommentare handelten wir uns mit unseren Passagen zu den (Kölner) Montagsdemos und ihren (Berliner) Ideologen ein: Kurz nachdem Ende Juni das erste Fünftel der Geschichte als Teaser für die Juli-Ausgabe ins Netz gestellt wurde, wurden die Kommentarfelder mit Beschimpfungen und Beschuldigungen gefüllt. (Als wäre den wenigsten Kommentierenden aufgegangen, dass es sich lediglich um ein Ausschnitt der Geschichte handelte!) Ein Kommentator vermutete sogar, wir seien niemals auf einer Montagsdemo gewesen und das begleitende Foto müsse gefälscht sein. Ihm sei an dieser Stelle versichert, dass sich ein StadtRevue-Reporter und ein Fotograf zum angegebenen Zeitpunkt auf dem Heumarkt befanden.

 

Wir müssen an dieser Stelle jedoch auch Selbstzweifel zugeben. Wir hatten gezögert, die Montagsdemos in unseren Text aufzunehmen. Wir waren und sind der Ansicht, dass die Berichterstattung über die Montagsdemos in einem höchst relativen Verhältnis zu ihrer realen Bedeutung steht. Während die AfD aus dem Stand ins Europaparlament und den Kölner Rat einzog und sich Akif Pirinccis Pamphlet sechsstellig verkauft, gelang es der Kölner Montagsdemo an einem sonnigen Tag im Mai gerade mal 120 Menschen auf dem Heumarkt zu versammeln. Interessanter scheinen uns ihre Ideologen wie Jürgen Elsässer, der auch dann noch als homophober Demagoge und Putin-Propagandist auftreten wird, wenn die Montagsmahnwachen längst Geschichte sind. Elsässer steht auf Sarrazin, der sich wiederum von Broder hofieren lässt, der seinerseits Elsässer herzlich verachtet (und umgekehrt). Uns ging es in unserer Titelgeschichte um genau diese Achse der schlechten Laune. Sie ist nicht bruchlos und repräsentiert eher eine diffuse Gesellschaftsfeindlichkeit als ein geschlossenes Weltbild.

 

Dennoch zurück zu den Montagsmahnwachen. Wir möchten an dieser Stelle zumindest auf einen offenen Brief eingehen, den uns Georg Bermuda aus dem Organisationsteam der Kölner Demos via Facebook zukommen ließ.

 

Es ist richtig, dass unsere Beschreibung der Kölner Montagsdemo vom 19.Mai nicht der Wahrnehmung von Georg Bermuda entspricht, der diese als »keine politische Bewegung im üblichen Sinne« charakterisiert, sondern als eine Bewegung, in der »jeder, der dorthin kommt – selbst wenn in politischen Parteien oder anderen Initiativen aktiv – als Mensch dort erscheint und nicht als Botschafter seiner Ideologie oder eines Dogmas!« Diese Ansicht deckt sich nicht mit unseren Beobachtungen. Für uns waren auf der Demo am 19. Mai starke politische Ideologien zu erkennen, wie wir auch im Text festgehalten haben. Zusätzlich gab es noch viele Gandhi-Zitate sowie eine Lektüreempfehlung für ein Buch des Schauspielers Hannes Jaenicke – auch hier würden wir von Ideologie sprechen.

 

Wir geben noch mal unsere Beobachtungen wider:

  • Das allgemeine Leiden an Krieg wird von einem Redner durch einen Bezug zu den Bombenangriffen auf Dresden hergestellt, die somit aus dem Kontext des deutschen Angriff- und Vernichtungskriegs gelöst werden, dessen Folge der tödliche Angriff auf Dresden im Februar 1945 nun mal war.
  • Ein anderer Redner ist der Ansicht, es gebe eine »Dämonisierung« von Putin, so als hätte dieser großrussische Chauvinist sich die schlechte Presse wegen der Anti-Homosexuellen- sowie der Anti-Extremismus-Gesetzgebung nicht selbst zuzuschreiben. Der gleiche Redner bezeichnet später Israel als »Apartheidsstaat«.
  • Mehrere Redner sprechen von einer »fehlenden Souveränität Deutschlands« und greifen damit auf eine Denkfigur zurück, die sich sowohl bei der AfD wie bei typisch rechtsextremen Gruppierungen findet.
  • Ein Redner wirbt für die Philosophie des Vorsitzenden der antisemitischen Ubuntu-Partei.

Bermudaakustik, die Band von Georg Bermuda, warb auf obiger Demo für mehr Verständnis für die AfD. Dass diese AfD in Köln eines Bundeswehroffizier, also allein schon aus Berufsgründen: einen Militaristen, sowohl als Kandidaten für den Bundestag als auch für den Kölner Rat aufgestellt hat, wurde weder vor, während oder nach dem Auftritt von Bermudaakustik erwähnt.

 

Recht geben müssen wir Georg Bermuda allerdings, wenn er schreibt, dass wir Zusammenhänge knüpfen, auf die »man wohl nicht direkt« käme. Vielleicht waren wir aber im Text nicht deutlich genug: Eine Bewegung, die zulässt, dass auf ihren Versammlungen die Nazi-Formel vom »raffenden Kapital« paraphrasiert werden darf und reichlich nebulös von »Konzernen und Lobbyisten« raunt – über eine solche Bewegung werden wir kritisch berichten.

 

Ein solches Vorgehen steht im Kontrast zum unverbindlichen Ton auf den Montagsdemos. Er macht die Demos instrumentalisierbar – im schlechtesten Fall ist er reine Bauernfängerei. Denn »für Frieden« ist schließlich jeder, selbst die Autonomen Nationalisten, die an jedem ersten September in Dortmund zum »Antikriegstag« aufrufen, »Nie wieder Krieg« skandieren und sich einig sind, dass das Judentum und das »Zinssystem« das Problem sind. Und auf der Demo für »ein stärkeres Engagement für den Frieden im Nahen Osten« (Köln, 18.7.), wurden Plakate hochgehalten, auf denen aus der Existenz als »Mensch« zwangsläufig die Unterstützung der Palästinenser gefolgert wurde. »Mensch« und »Frieden« sind eben keine neutralen Kategorien, sondern werden immer politisch eingesetzt.

 

Politik verlangt nach Unterscheidung und diese Unterscheidung haben wir gemacht. Dass sie den (verbliebenen) Organisatoren der Montagsmahnwache Köln nicht passt: ja, das müssen wir in Kauf nehmen.

 

Es erreichten uns zudem einige Zuschriften von Demonstrationsteilnehmern, die sich in ein falsches Licht gerückt sahen. Hierzu halten wir fest: An keiner Stelle des Textes haben wir eine verallgemeinernde Aussage über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Montagsdemo am 19. Mai getroffen – im Gegenteil, gleich zu Beginn der Passage heißt es: »Es ist schwierig, diese Montagsdemo auf einen Begriff zu bringen.« Ebenfalls haben wir an keiner Stelle des Textes Aussagen über die politische Haltung des »Thorwalha MC Germania« gemacht. Die Unterzeile zu einem Bild, auf dem ein Mitglied dieses Motorradclubs zu sehen ist, lautet: »Pazifisten und Motorradgangs vereint: Montagsdemo in Köln«. Wenn sich die Mitglieder des »Thorwalha MC Germania«, deren Name sich laut Eigenaussage von ihrer ehemaligen Stammkneipe in Brühl ableitet, durch den Suffix »-gang« abgewertet sehen, dann sei ihnen versichert: Das war nicht von uns intendiert. Im Gegenteil, die Verfasser des Textes mögen Gangs, unsere liebsten sind die Sugar Hill Gang und die Gang of Four.

 

Es ist verständlich, dass sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Montagsdemos in einer Charakterisierung der Bewegung als Teil einer Neuen Rechten nicht wieder finden möchten. Dazu wollen wir sagen: Eine andere Friedenbewegung ist möglich, die Alternativen sind da, auch in Köln: Das Friedensbildungswerk beschäftigt sich seit langem damit, wie man die Erkenntnisse der Friedens- und Konfliktforschung in den Alltag tragen kann und greift dabei auf historische Erkenntnisse anstatt auf krude Verschwörungstheorien zurück. Die Initiative »Bundeswehr wegtreten« protestiert seit Jahren gegen die Mobilmachung der Bundeswehr an Schulen, Hochschulen und anderen Bildungsinstitutionen. Die örtlichen Antifa-Gruppen und Initiativen wie »Kein Veedel für Rassismus« engagieren sich täglich im Kampf gegen den Faschismus vor Ort, anstatt sich in Spekulationen einer angeblich durch und durch faschisierten Ukraine zu flüchten, deren Politik lediglich mit Freund-Feind-Logik, also im Bündnis mit Russland, bekämpft werden kann.

 

Wir sagen offen, dass wir diese Gruppen für unterstützenswerter als die Montagsdemos halten.

 

Die Autoren