Manuel Schmitt alias SgtRumpel, Foto: Manfred Wegener

»Jungs wollen ein Let’s Player werden«

Ein Interview mit dem Videospieler SgtRumpel

Sie sind die neuen Helden der Kinderzimmer — die »Let’s Player«. Alleine oder im Team schlagen sie sich durch Computerspiele und kommentieren, was gerade auf dem Bildschirm geschieht. Die Videos dieser Spielsessions laden sie auf YouTube, wo sie von Tausenden von Teenagern gesehen werden. Einer dieser Let’s Player ist Manuel Schmitt aus Köln. Der Metal-Fan hat an der KHM studiert und arbeitet hauptberuflich in der Videoproduktion. Unter dem Pseudonym SgtRumpel ist Schmitt jedoch einer der bekanntesten Let’s Player Deutschlands, bekannt für seine ironisch-derbe Art, mit der er selbst den gruseligsten Ego-Shooter kommentiert. 

 

Letztes Jahr hast du anlässlich der Gamescom gemeinsam mit Gronkh und Sarazar, zwei anderen Let’s Playern, vor 10.000 Menschen in der Lanxess Arena live Computerspiele gespielt. Wolltest du damit das virtuelle Feedback deiner Internet-Community in haptisches verwandeln?

 

Anders würde ich das gar nicht machen wollen. Früher war Let’s Play für mich genau aus diesem gleichen Gedanken heraus nicht interessant: Man präsentiert ein Spiel, ohne zwischenmenschliche Kontakte aufzubauen.

 

Was gibt es denn für Reaktionen auf deine Videos?

 


Es wird interessant, wenn Spiele durch ihren Inhalt oder durch meine Moderation Feedback hervorrufen. Wenn sich der Moderator persönlich öffnet, schreiben die Leute auch eigene Erfahrungen in die Kommentare. Feedbacks auf der Unterhaltungsebene geschehen oft, wenn Leute mitfiebern oder mit-rätseln. Aber die wertvollste Interaktion habe ich bisher mit Spielen wie »Brothers« erlebt, wo es um den Verlust von Familienmitgliedern geht oder z.B. mit »Papo y Yo«, einem Game, das Alkoholismus thematisiert.

 

Welche Game-Inhalte sind für Let’s Player in Deutschland generell und für dich persönlich tabu?

 

Rechtsradikalismus ist tabu. Es gab doch die Diskussion um das »South Park«-Spiel »The Stick Of Truth«, weil dort Hakenkreuze dargestellt wurden. Der Jugendschutz gilt auch hier, denn in einem Computerspiel können wir alles in einem neuen Kontext erscheinen lassen. Nicht so bei Filmen wie »Indiana Jones«. Wenn da Nazis auf der Leinwand herumhüpfen, sind die immer in einem eindeutigen Kontext. Wenn wir als User durch ein Game laufen, könnten wir uns rein theoretisch vor diese Nazis stellen und »Sieg Heil!« spielen — ein Film bietet diese Interaktion nicht. Deshalb werden in Deutschland im Bereich Computerspiele sehr schnell Verbote ausgesprochen, auch wenn es sich um Satire handelt. Es geht ja um Leute, die ideologisch noch nicht so gefestigt sind. Insofern kann ich die Verbote nachvollziehen. Aber welches Tabuthema bei mir persönlich … was meinst du damit?

 

Ist z.B. sexuelle Diskriminierung ein Kriterium für dich?

 

Also witzigerweise wollte ich z.B. »Grand Theft Auto 5« nie spielen. Da steht ein dermaßen chauvinistisches Verbrecherbild im Vordergrund, dass es für mich unattraktiv war. Ich weiß, dass es absolute Popkultur ist — trotzdem habe ich rein ideologisch mehr Probleme so ein Spiel zu spielen als ein in Deutschland indiziertes Spiel.

 

Reagieren Jungs und junge Frauen unterschiedlich auf eure Videos?

Wieviel weibliche Zuschauerinnen habt ihr überhaupt?

 

Das ist ein müßiges Thema: Die Statistik auf YouTube steht in keiner Relation zum gefühlten Feedback. YouTube nennt uns einen Frauenanteil von 25 Prozent, bei Kontaktaufnahmen über Social Media hat man eher das Gefühl, dass 80 Prozent weiblich sind. Es ist eben nicht auszuschließen, dass die Statistiken auf YouTube falsch sind. Wir selbst bemerken anhand der Kommentare schon, ob jemand weiblich und volljährig ist oder eben männlich und noch sehr jung. Auffällig ist, dass Jungs gerne selbst Let’s Player werden wollen und dafür Hilfe und Tipps haben möchten. Solche Sachen hört man von Frauen recht selten.

 

Hattest Du Vorbilder, die dich beeinflusst haben?

 

Also, Profispieler oder Let’s Player mit Sicherheit nicht. Ich kannte die Szene früher nicht mal. Das Computerspielen fing bei mir auch erst vergleichsweise spät an — mit einem 486er und dem Spiel »Doom«. Sonst habe ich bei Freunden gerne auf der Super Nintendo gezockt, aber moderiertes Gameplay habe ich mir vorher nie angeguckt.

 

Laufen Gelegenheitsspieler wie du eigentlich mittlerweile professionellen Computerspielern den Rang ab?

 

Das existiert weiterhin parallel und jedes hat seine Zielgruppe. Es gibt genug Leute, die Profi-Skills beim Gaming erkennen und konsumieren wollen, wie jemand möglichst geschickt durch ein Level hüpft.

 

Siehst du andere Let’s Player eher als Konkurrenten oder als Kooperationspartner, z.B. fürs Teamplay?

 

Es gibt beides. Aber das hängt wie in allen anderen Arbeitsumfeldern davon ab, ob man die Leute kennengelernt hat. Unter den größeren Let’s Playern entsteht dann Konkurrenz, wenn ein Spiel neu rauskommt. Dann versucht man Zuschauer zu ziehen, was bei kleineren Kanälen wie mir aber nicht so wichtig ist.

 

Wie wählst du denn die Spiele für deine Let’s Plays aus?

 

Sobald ein großer YouTube-Channel z.B. »Grand Theft Auto 5« nicht spielt, wandern die Leute zu einem anderen ab. Es gibt schon Konkurrenz und Channels, die ganz bewusst nur große Titel spielen und wissen sehr wohl, dass z.B. »Minecraft« immer noch zieht. Die überleben nur wegen »Minecraft« und müssen ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Ich kann sagen: Na ja, wenn ich in diesem Monat nicht soviel Geld mache ist mir das Wurst, weil die Einkünfte durch YouTube sowieso nicht für die Miete reichen. Ich verdiene mein Geld mit anderen Jobs und dadurch gewinne ich mehr Freiheit.

 

In Let’s Plays werden häufig Ego-Shooter gespielt. Habt ihr zur gesellschaftlichen Akzeptanz dieses Genres beigetragen?

 

Ich denke es sind andere Entwicklungen — auch, weil es inzwischen Experten gibt, die sich mal ein Spiel angeschaut und neue Erzählformen entdeckt haben, die viel Positives auslösen können. Außerdem akzeptieren nun auch Leute, die von Games gar keine Ahnung haben, aus dem Grund Ego-Shooter, weil man in Profi-Ligen damit Geld verdienen kann. 

 

Gemeinsam mit Gronkh und Sarazar repräsentierst du einen neuen Spielertypus — ihr inszeniert den Wettbewerb als Parodie, auch wenn es ums Töten geht. Damit unterwandert ihr das ursprüngliche Konzept von Killerspielen … 

 

Es ist ein schmaler Grad und das hängt stark vom Betrachter ab. Aber es sind eben immer noch wir drei und wir stehen mit dem, was wir sonst auf unseren Channels verbreiten, für eine pazifistische Herangehensweise an Konflikte im realen Leben. Selbst wenn wir Zombies die Köpfe wegschießen, heißt das noch lange nicht, dass wir eine Schlägerei anzetteln wollen.

 

Die Gamerkultur wird ja auch älter. Verändern sich die Spiele eigentlich dadurch?

 

Einige Entwickler kommen nun aus einem anderen Umfeld, aus dem Kunstbereich etwa. Die mögen für den Casual- oder Hardcore-Gamer weniger interessant sein, aber sie haben ein Publikum. Vielleicht wird es in einigen Jahren etwas Massenkompatibleres geben, das ist vorstellbar.

 

Denkst du, dass durch die Let’s Plays traditionelle Spielformen wieder attraktiver werden?

Mittlerweile gibt es ja schon Let’s Poker … 

 

Das stimmt. Obwohl es durchaus eine Grenze zum Board Game gibt. Ich habe immer noch das Gefühl, dass beim Brettspiel dann die Nerds unter den Nerds sitzen — zu denen ich mich durchaus dazurechne.

 

Was spielt ihr eigentlich bei Stromausfall — Domino?

 

Dann spielen wir Sex.