Zweifel? Immer. Selbstbewustsein?

»Wir kriegen’s hin – das ist das Wichtigste«

Sie machen immer weiter und werden immer besser: Am 9. Oktober sind Die Sterne im Gebäude 9. Wir sprachen mit Sänger Frank Spilker

Frank, für die aktuelle Ausgabe der Spex hast du als Gastautor einen Artikel über die Musealisierung der Popkultur geschrieben, in dem du dich kritisch auf die Band Blumfeld beziehst. Die begibt sich, obwohl längst aufgelöst, anlässlich des 20. Jubiläums ihres Albums »L’Etat Et Moi« auf Re­vival-Tour. Wäre für dich und deine Band Die Sterne eine solche Aktion ein No-Go?

 

Bei der Rein­szenierung von Blumfeld geht es ja verstärkt um das Herausheben eines kulturellen Wertes: Wir finden uns jetzt extra nochmal für dieses wichtige Album zusammen. Das ist für mich ein sehr langweiliger Gedanke und bei uns nicht nötig, weil wir ja ein aktuelles Album haben. Da steckt auch viel Nostalgie dahinter. Indem man sich reinszeniert, erklärt man sich auch ein wenig für gescheitert, was das Danach angeht.

 

Ihr habt im Gegensatz zu Blumfeld immer weitergemacht. Gab es auch mal Zeitpunkte, an denen ihr keinen Bock mehr hattet?

 

Die Sinnfrage stellt sich bei jedem neuen Album. Kann ich das ver­öffentlichen, oder ist das ein larmoyantes Alterswerk, obwohl ich eigentlich gar nichts mehr zu sagen habe? Das, was man bei anderen Leuten so hasst. Wir verdienen damit ja nicht so viel, als dass wir uns gar nichts anderes mehr vorstellen könnten. Aber auch nicht so wenig, als dass es sich nicht mehr lohnen würde. Wir sind in einer Phase, in der man uns das abnehmen kann mit der inhaltlichen Entscheidung.

 

Im großen Spex-Interview im selben Heft werden Blumfeld auch auf neue Bands angesprochen, die sich musikalisch auf ihr Frühwerk beziehen: Ja, Panik, Messer oder Die Nerven. Die Mitglieder beteuern allesamt schulterzuckend, sich noch nie mit diesen Bands befasst zu haben. Ihr hingegen macht auf eurem neuen Album gemeinsame Sache mit dem Nachwuchs und lasst Zucker, Schnippo Schranke und Der Bürgermeister der Nacht im Chor ­singen. Ist euch so eine Verortung im Jetzt wichtig?

 

Immer schon gewesen. Vor zehn Jahren wäre das aber nicht möglich gewesen. Da gab es in Hamburg bei den jungen Leuten eher das Bedürfnis, sich abzugrenzen von dem, was vorher war. Jetzt ist das etwas anderes. Alle sind sehr offen und neugierig – das »Eupohorie«- Netzwerk zum Beispiel. Und auch super begabt und interessant. Ich kann überhaupt nicht verstehen, weshalb man meint, das ignorieren zu müssen. Das finde ich arrogant. Bei Blumfeld ist aber auch das Bedürfnis nach Abgrenzung und Distinktionsgewinn immer größer gewesen als bei uns.

 

Wie lernt man heute in Hamburg den Nachwuchs kennen?

 

Die sind so nach und nach zu uns gekommen. Der Bürgermeister der Nacht ist schon seit 15 Jahren Sterne-Fan und hat als Schüler auf unserer Webseite seine Gedichte gepostet. Die Zucker-Mädchen haben wir letztes Jahr mit auf Tour genommen, das kam ganz natürlich, ohne zu fremdeln. Daniela von Schnippo Schranke hat mich auf einer So­li­daritätsparty für den bedrohten Pudel-Club angesprochen. Ich habe mir angehört, was die gemacht haben, und wollte die unbedingt auf unserem Album dabeihaben.

 

Eine Win-win-Situation: Man ­fördert nicht nur den Nachwuchs, sondern bleibt auch bei der nachfolgenden Generation im Gespräch.

 

Wir sind bei den gemeinsamen Fotos und Aktionen zwar immer die ältesten, aber es läuft auf sehr unkomplizierte Weise. Ich sehe keinen Unterschied zu der Szene vor zwanzig Jahren. Die Netzwerke funktionieren ganz ähnlich.

 

Zum neuen Album »Flucht in die Flucht«: Im Vergleich zum konsequent discoiden Vorgänger, wirkt es auf mich sehr eklektisch. Es gibt Ohrwurmpop, Schweinerock, sogar ein Moritat. Hattet ihr ein Konzept?

 

Wir hatten uns vorgenommen, ein Psychedelic-Pop-Album zu machen und hatten gedacht, dass da viel reinpasst, viele unterschiedliche Songkonzepte, die wir dann mit Sound­design unter einen Hut bekommen. Es gibt ja Leute, die hören nur auf den Text, aber ich finde, das Album ist schon sehr klangorientiert. Die Frage ist auch immer, wie streng man mit seinen Konzepten ist. Bei uns gab es schon immer Songs die aus der Reihe tanzen, wo aber alle gesagt haben: der ist so toll, der muss trotzdem mit aufs Album. Diesmal ist es das Duett mit Alexander Hacke, das schon fast ein Nick-Cave-artiges Gefühl vermittelt.

 

Wie schon bei »Was hat dich bloß so ruiniert« (»House of the rising sun«) gibt es auf dem neuen Album wieder einen Song, der offen als Zitat zu verstehen ist. »Hirnfick« basiert in den Strophen auf »Wicked Game« von Chris Isaak und im Refrain auf »Hey Joe« von Jimi Hendrix. Ergibt sich so etwas zufällig?

 

Man kann das vertuschen oder betonen. Wenn man merkt, dass man etwas Ähn­liches macht, dann kann man auch gleich das Original nehmen. Uns macht es Spaß, es dann auszu­stellen.

 

Mir fällt auf, dass du im Vergleich zu früher melodiöser singst.

 

Was damit zu tun hat, dass es diesmal schon eher Songstrukturen als Basis gegeben hat. In der Vergangenheit haben wir Stücke sehr oft aus Grooves heraus entwickelt, die wir im Proberaum ›erjamt‹ haben. Das ist aber eine Technik, die deutlich mehr Zeit kostet. Songwriting und Groove sind aber schon immer zwei Pole gewesen, zwischen denen wir hin- und herschwanken. Die Zeitstrukturen haben sich auch verändert. Der Schlagzeuger hat einen Job in Berlin, der Bassist macht Theatermusik. Wir haben weniger Zeit zu proben. Trotzdem kriegen wir’s hin – das ist das Wichtigste.

 

Interview: Oliver Minck

 


Tonträger: Die Sterne, »Flucht in die Flucht« (Staatsakt/Rough Trade),
bereits erschienen

 

Konzert: Do 9.10., Gebäude 9, 21 Uhr

 

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