Diaspora in Permanenz

Tobaron Waxman im Gespräch über Kofferwörter, Kochen, Köln und natürlich seine Kunst.

Der in Kanada lebende Tobaron Waxman ist Grenzgänger zwischen den Geschlechtern, Religionen und künstlerischen Ausdrucksformen. Seit Januar ist er als Fellow der Akademie der Künste der Welt in Köln. Nun hat der Sänger, bildende Künstler mit klassischer Ausbildung in jüdischer Philosophie, Liturgie und jüdischem Recht eine Ausstellung im Kunstraum Matjö kuratiert.

 

Ihre Ausstellung »Watch Me Work: Women and Queer Economies« ist noch bis zum 18. September zu sehen. Wie war die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Künstlern?

 

Es ist eine interdisziplinäre und generationsübergreifende Ausstellung mit in Köln lebenden sowie internationalen Künstlern. Ich habe sie eingeladen, weil sie sich aus queer-feministischer Perspektive kritisch mit den geschlechterspezifischen Aspekten von Arbeit in industriellen, häuslichen sowie subalternen Bereichen auseinandersetzen. Der Dokumentarfilm der iranischen Regisseurin Negar Tashili zeigt zum Beispiel den Umgang mit Gefahren, denen Frauen auf Teherans Straßen ausgesetzt sind. Außerdem sind mit dabei: Liad Hussein Kantorowicz, eine Künstlerin aus Israel, die uns mit ihrer Performance einen Einblick als Sexarbeiterin für eine Erotik-Chat-Webseite gewährt, Terre Thaemlitz aus Japan und Dorothea Bohde aus Köln. Als Kurator baue ich meine Solidaritätsnetzwerke gerne weiter aus. Mit fast allen teilnehmenden Künstlern verbindet mich daher eine persönliche und künstlerische Beziehung. Liad beispielsweise, ist die Witwe des von mir sehr verehrten Tim Stüttgen. Ein brillanter Kulturtheoretiker, der mein Leben unwiderruflich geprägt hat und letztes Jahr viel zu früh von uns gegangen ist.

 

Auch der Elektronikkünstler Terre Thaemlitz versteht sich als Transgender-Aktivist. Welchen Stellenwert nimmt das Queer-Sein in Ihrer Kunst ein?

 

Ich wehre mich gegen jede Form von fixer Identitätszuschreibung. Ich bin sowohl gegen Hetero- als auch Homonormativität, um hier die New Yorker Kulturwissenschaftlerin Lisa Duggan zu zitieren.  

 

Sie selbst bezeichnen sich als »Genderdiasporist«. Was genau ist mit diesem Begriff gemeint?

 

Ich liebe es, Kofferwörter und Neologismen zu erfinden. Der Begriff Genderdiasporist geht auf meine eigenen Erfahrungen als Jude und Transperson zurück. Ich habe polnische und jüdische Wurzeln, lebe aber in Kanada und gehöre zur ersten Generation meiner Familie, die nicht mit Jiddisch als Muttersprache  aufgewachsen ist. Gleichzeitig bin ich ein queerer Transmann, der jedoch die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens als Frau verbracht hat. Ich habe das Gefühl in meinem Leben permanent Grenzen zu überschreiten und befinde mich ständig in der Diaspora. All dies thematisiere ich in meiner Kunst. In Performances lasse ich mir beispielsweise die Haare und den Bart wegrasieren. Speziell Bärte lassen sich als Zeichen von Gender, aber auch von Ethnizität lesen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September bin ich zum Beispiel sowohl in den USA als auch in Europa oft für einen Moslem gehalten worden.

 

Als Multimediakünstler arbeiten Sie mit so unterschiedlichen Kunstformen wie Performance, Fotografie, Installation, Video, Gesang und Sound. Wie drücken Sie sich am liebsten kreativ aus?

 

Beim Kochen. Ernsthaft, ich liebe es Leute zu bekochen. Es gibt kaum ein besseres Souvenir, als ein mitgebrachtes neues Rezept, mit dem man seine Reiseerlebnisse verbindet.  Vor einigen Jahren begann ich mit einem kleinen interessanten Projekt. Und zwar aus den Speisekammerbeständen meiner Gastgeber personalisierte Marinaden und Salatdressings zu erstellen. Ganz egal, was ich darin vorfand. Jedes war thematisch auf die jeweilige Person abgestimmt, inklusive einer kleinen Widmung. Dies führte zum Teil zu sehr speziellen Ergebnissen, besonders bei Leuten, die keine so üppig ausgestattete Vorratskammer besaßen.  

Eines der Ziele der Akademie der Künste der Welt ist es, außereuropäische Künstler nach Köln zu holen und diese vor Ort mit ansässigen Künstlern und Institutionen zu vernetzen. Welchen Eindruck haben Sie von der zeitgenössischen Kunstszene Kölns gewonnen?

 

Die Akademie der Künste der Welt hat einen überaus dankbaren Rahmen für Künstler wie mich geschaffen. Als Fellow des Residenzprogramms ist es mir möglich, für einige Monate  in Köln zu arbeiten und zu leben. Ich habe viele Gleichgesinnte getroffen, wie zum Beispiel die wunderbare freischaffende Künstlerin Dorothea Bohde.



Ihr Aufenthalt hier neigt sich zum Ende. Hatten Sie eigentlich Zeit, einen Lieblingsort in Köln zu finden?

 

Der Skulpturenpark in der Dämmerung. Das Licht, das sich dort zu später Stunde über die nordrhein-westfälische Region legt, ist von unbeschreiblicher Schönheit und ruft wahre Glücksgefühle in mir hervor.