»War starts here« – Kölner Demo gegen die ITEC | Foto: Herbert Sauerwein

Krieg in Köln

Friedensaktivisten fordern, dass die Rüstungsmesse ITEC nicht mehr in Köln stattfinden soll

Es ist schon merkwürdig. Da kommen 3000 Besucher aus Ländern wie den USA, Saudi-Arabien, China und Pakistan nach Köln, um sich neue Produkte anzusehen, mit deren Hilfe Soldaten lernen, wie man Krieg führt — und beinahe hätte die Öffentlichkeit nichts davon erfahren. Die Rüstungsmesse ITEC (International Forum for the Military Training, Education and Simulation Sectors), die im Mai dieses Jahres zum dritten Mal nach 2007 und 2011 auf der Kölner Messe zu Gast war, ist eine Veranstaltung fürs ausgewählte Fachpublikum. Rüstungsfirmen wie Rheinmetall und Airbus zählen zu den Ausstellern der Messe, die auf Trainingssimulatoren für das Militär spezialisiert ist und jährlich an wechselnden Standorten in Europa stattfindet.

 

Im Terminkalender und auf der Website der Kölnmesse tauchte die ITEC nicht auf. Die Allgemeinheit ist nicht zugelassen, sogar Journalisten der Lokalpresse konnten sich nicht akkreditieren. Dass die Veranstaltung trotzdem publik geworden ist, liegt vielleicht nur an ein paar holländischen Franziskanermönchen. Sie hatten 2010 gegen die ITEC protestiert, als sie in Amsterdam Station gemacht hatte, und folgten der Wandermesse 2011 nach Köln. »Durch sie sind wir erst auf die Rüstungsmesse aufmerksam geworden«, sagt Markus Gross von der Organisation Bundeswehr wegtreten. Im Mai dieses Jahres gab es dann erstmals eine größere Protestaktion gegen die ITEC, zu der sich Aktivisten aus verschiedenen Gruppen der Friedensbewegung zusammengeschlossen hatten.

 

Vertreter von Pax Christi, Bundeswehr wegtreten, dem Kölner Friedensforum und anderen haben nun einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) und die Parteien im Rat der Stadt Köln formuliert. Darin fordern sie vom Aufsichtsrat der Kölnmesse, dessen Vorsitzender Roters ist, und vom Rat der Stadt, sich eindeutig gegen künftige Militär- und Rüstungsmessen in Köln auszusprechen. »Neben dem Oberbürgermeister sind mehrere Abgeordnete des Stadtrats Mitglieder des Aufsichtsrats der Messe und damit verantwortlich für deren Geschäftsgebaren«, sagt Gross von Bundeswehr wegtreten.

 

Nach den Protesten im Mai hatte Roters angekündigt, die ITEC im Aufsichtsrat der Messe zur Sprache zu bringen. Dies sei auch geschehen, versichert ein Sprecher der Stadt. Nur könne er nicht sagen, was dabei herausgekommen ist, da »die Inhalte und Ergebnisse dieser Gremiensitzungen geheim sind«. Auch die Kölnmesse selbst gab dazu keine Auskunft, schloss aber nicht aus, dass die ITEC in einigen Jahren nochmals in Köln stattfinden könnte. »Wir sind der Überzeugung, dass Messeplätze freie Handelsplattformen sind. Unabhängig von persönlichen Einstellungen zu einzelnen Themen können und dürfen wir daher Messen und Kongresse inhaltlich bzw. moralisch nicht bewerten«, so Messeprecher ­Karsten Deicke.

 

Ablehnen könne man Anfragen von Messeveranstaltern nur, wenn offensichtlich illegale Waren und Dienstleistungen ausgestellt und gehandelt würden. Dass die ITEC weder im offiziellen Messeverzeichnis noch auf der Veranstaltungsseite der Koelnmesse aufgelistet wurde, begründet Deicke mit dem ausdrücklichen Wunsch des Veranstalters, der englischen Firma Clarionevents.

 

Dass die ITEC den Standort Köln offensichtlich zu schätzen weiß, findet Markus Gross nicht weiter verwunderlich. »Die Bundeswehr ist ja einer der größten Arbeitgeber in der Stadt.« Der Militärflugplatz und die Luftwaffe in Porz-Wahn, die Konrad-Adenauer-Kaserne samt Militärischem Abschirmdienst an der Brühler Straße oder die Lüttich-Kaserne in Longerich, wo der für den Luftangriff bei Kunduz verantwortliche Oberst Klein seinen neuen Arbeitsort gefunden hat, sind nur einige der Standorte. »Der Krieg beginnt quasi vor der Haustür.« Auch darauf will Gross mit dem Protest aufmerksam machen. Er versteht die Aktivitäten gegen die ITEC-Messe als Teil der internationalen Kam­pagne »War starts here«.

 

Dass Kriegsbeteiligung und Kriegsvorbereitung an vielen Orten im Alltag anzutreffen sind, kann auch Michael Schulze-von Glaßer bestätigen. Der Journalist hat es trotz aller Restriktionen auf die ITEC geschafft und ist dort einer Reihe von Ausstellern begegnet, die sonst eher auf Messen wie der Gamescom zu finden sind: Der zu Facebook gehörende Virtual-Reality-Brillen-Hersteller Oculus VR oder die Videospielfirma Crytek (Far Cry) aus Frankfurt etwa. »Die Nato beziehungsweise das Militär nutzt zunehmend Videospiele zum Soldatentraining«, so Schulze-von Glaßer. Ein Sprecher von Rheinmetall habe ihm berichtet, dass im vergangenen Jahr weltweit acht Milliarden US-Dollar für Trainingssimulatoren ausgegeben worden sein sollen. Nicht wenige davon wurden von Spieleherstellern entwickelt, die dem Militär ihre Software bereitwillig verkaufen. »Als Gamer sollte man schon genau hingucken, was die Firmen so treiben, denen man da sein Geld gibt.«