Mobilisiert die Szene: Franziska Schmitz | Foto: Manfred Wegener

Schauspieler, vereinigt Euch!

Kölner Theatermacher solidarisieren sich gegen die prekären ­Verhältnisse in der Freien Szene

Dass freies Theaterschaffen ein hartes Brot ist, ist keine neue Erkenntnis. Doch in der hiesigen Szene regt sich nun Widerstand gegen die geringe Entlohnung, mit der Schauspieler oft abgespeist werden. Die Initialzündung für die »Vereinigung kulturpolitischer Schauspieler« kommt von Schauspielabsolventin Franziska Schmitz. Die 25-Jährige hat für ihre Diplomarbeit eine Studie zur Honorierung von freier Schauspielarbeit in Köln vorgelegt und recherchiert, welche Faktoren die (Selbst-)Ausbeutung begünstigen.

 


Franziska, was hat dich dazu inspiriert?

 

Als ich zum ersten Mal einen Gehaltszettel für eine Produktion eines größeren Hau­ses in der Hand hatte, war ich schockiert. Dass es nicht leicht wird, mit der Schauspie­lerei Geld zu ver­dienen, war mir klar, aber dass es so wenig ist, wow! Zunächst habe ich den schwarzen Peter den Theatern zugeschoben. Dann habe ich mich gefragt: Wie funktionieren freie Theater eigentlich als Unternehmen? In meiner Arbeit habe ich mir beispielhaft das FWT, Theater im Bauturm und die Comedia vorgenommen, begutachtet, wie viele Angestellte es gibt oder welche »Firmenpolitik«. Schließlich habe ich die Thea­ter­leiter nach der ­Haltung zur Unterbezahlung ihrer Leute befragt.

 

Und?

 

Danach war mir die Komplexität dieses Apparats »Freie Szene« bewusst. Es ist ein ewiges Jonglieren und Kämpfen um Fördergelder, was doch nur in (Selbst-)Ausbeutung mündet. Die Freie Szene wird mit 2,4 Millionen Euro gefördert. Das sind das 3,99 Prozent des Etats, den die Stadt Köln für Darstellende Küns­te ausgibt. Für das, was diese Szene leistet, ist das ein Witz. Meinen Recherchen zufolge bespielen die freien Theater und Gruppen die Hälfte des Kölner Theaterpublikums. Das sind jährlich 300.000 Zuschauer.

 

Worin siehst du Gründe?

 

Die Comedia ist ein Paradebeispiel für Kölner Verhältnisse. Das Haus übernimmt die Aufgabe eines städtischen Kinder- und Jugendtheaters, das es am Stadttheater nicht gibt. Die Politik prahlt gerne mit diesem Leuchtturm, der über die Grenzen der Stadt strahlt. Trotzdem nimmt sie billigend in Kauf, dass hier sowohl Schauspieler als auch Festangestellte knapp über dem Existenzminimum leben. Politiker fördern gerne das Endprodukt, auf dessen schillernden Premierenparty man sich dann fröhlich mit dem Glas Sekt zuprosten kann. Doch es gibt kein Bewusstsein für die Arbeit, die dahinter steckt. Eine Förderung sollte diese entlohnen! Dass heißt die Künstler in die Lage zu versetzen, mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

 

Du schreibst, Schauspieler wollen nicht sehen, dass sie sich gegen notorische Unterbezahlung zur Wehr setzen können.

 

Ich wollte wissen, warum verweigern sich Schauspieler nicht? Warum jammern sie anstatt sich zusammenschließen? Viele Kollegen haben Angst, sich kritisch zu äußern. Das habe ich in Gesprächen gemerkt. Sie fürchten Konsequenzen für ihre Karriere. Auf der anderen Seite steht ihnen ihr Spieltrieb im Weg, die Neugier, sich immer wieder mit Haut und Haar auf neue Projekte einzulassen. Dann bleibt keine Energie, die vorherrschenden Strukturen zu verändern. Und bei einigen dreht sich das Rädchen einfach schon zu lange.

 

Du bist aktiv geworden und hast in der Sommerpause zum ersten großen Schauspielertreffen Kölns aufgerufen.

 

Die Diplomarbeit abgeben und so zu tun, als hätte ich nichts gehört, nichts gesehen, das konnte ich nicht. Ich wollte in der Szene das Gefühl erzeugen, nicht allein zu sein und ein Kol­lektiv bilden. Im Kollektiv gibt es für unbequeme Standpunkte ­Narrenfreiheit. Den großen Umbruch kann ich nicht auf dem Silbertablett servieren. Wer binich denn? Beuys programmatische Behauptung »Die Revolution sind wir« sollte wegweisend sein. ­Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir uns vernetzen und etwas aufbauen. Zuerst machen wir jetzt diesen schlafenden ­Riesen, die Masse an unterbe­zahlten Schauspielern in Köln, sichtbar. Darauf haben sich die fünfzig Schau­spieler, die gekommen sind, geeinigt.

 

Habt ihr konkrete Pläne?

 

Im Oktober steht eine Überraschungs-Aktion an. Eine Mailaktion in Richtung Politik läuft bereits. Für die Oberbürgermeisterwahl im nächsten Jahr wollen wir einen eigenen Kultur-Bürgermeister stellen. Wir haben auch über Streiks diskutiert. Gerade knüpfen Marie Hiller und David Koch, die mit mir den Kern der »Vereinigung kulturpolitischer Schauspieler« bilden, Kontakte zu den Theatermachern, der Theaterkonferenz etc. sowie zu überre­gionalen Verbänden wie »art but fair«. Ich bin frohen Mutes.

 

Bei dir geht es mit dem Beruf gerade richtig los. Du bist ab der kommenden Spielzeit fest im »Jungen Ensemble Stuttgart«. Wie ernst genommen fühlst du dich als Schauspielerin bislang?

 

Manche Vorstellungen, auch von städtischen Entscheidungsträgern, scheinen mir wie aus dem vorletzten Jahrhundert. Wir Schauspieler sind doch nicht mehr das fahrende Volk, die Gaukler. Wir üben einen Beruf aus, der ein Handwerk benötigt, das man an Hochschulen studiert. Aber die Vorurteile sitzen tief. Selbst Bekannte fragen mich, ob »Schauspielerin« ein Vollzeitberuf sei. Ich stünde ja nur zwei Abende in der Woche auf der Bühne.

 

Ist deine politische Theaterarbeit ein Hobby?

 

Es ist Teil meiner Arbeit. Theater muss Gesellschaft abbilden, ihr auch mal ein paar Schritte voraus sein. Das mag ab­gedroschen klingen, aber um Geschichten erzählen zu können, muss man sich einmischen, teilhaben. Vielleicht zähle ich einfach zu einer neuen Generation, die den Beruf anders zu begreifen sucht.

 

Interview: Ulrike Westhoff

 


Infos und Teilnahme an »Vereinigung kulturpolitischer Schauspieler« via Mail an schauspielervereinigung@gmail.com