About Buhrow

Der WDR blickt in einen »strukturellen Abgrund«, aber sparen will nur der Intendant

Vielleicht muss man sich die letzten Tage der WDR-Intendantin Monika Piel wie die erste Einstellung der Tragikomödie »About Schmidt« mit Jack Nicholson vorstellen: regungslos an einem leer geräumten Schreibtisch sitzend, paralysiert und handlungsunfähig die Zeit bis zum Dienstschluss herunter zählend. Beendet hat Piel ihre Tätigkeit am 30. April 2013 — vorzeitig, völlig überraschend und zunächst ohne Angaben zum »Warum?« Die vagen »gesund­heitlichen Gründe« wurden erst später konkretisiert: Piel habe unter Herzrasen und Schlafstö­rungen gelitten.

 

Es ist nicht übers Knie gebrochen, Gründe für die gesundheit­lichen Beschwerden in ihrer sechsjährigen Intendantentätigkeit zu suchen und sie in schwarzen Ordnern zu finden. Dort sind die Kontoauszüge des Kölner Senders abgeheftet, der nach der BBC der größte Sender Europas ist. Als wenig später Tom Buhrow in eben diese Ordner blickte, habe er in einen »strukturellen Abgrund« geschaut, bekannte Piels Nach­folger letztes Jahr. Zwar lobte der ehemalige Tagesthemen-Mode­rator so kollegial wie diplomatisch die »Sparanstrengungen« seiner Vorgängerin, sein sofort in Angriff genommenes radikales Sparprogramm macht aber deutlich, dass Piel dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Wie soll man auch in einer Anstalt sparen, in der jede Reformankündigung stets als ­existenzielle Bedrohung empfunden wird?

 

Kaum hatte Buhrow seinen Maßnahmenkatalog verkündet, formierte sich Widerstand – und zwar gegen das Ansinnen, überhaupt sparen zu wollen. Insbesondere der geplante Abbau von 500 Stellen müsste gar nicht sein, schrieb der Personalratsvorsitzende Heribert Stratmann in einem Offenen Brief an den Intendanten, wenn es die ARD-Intendanten schaffen würden, »sich gegenüber der offenbar allmächtigen Beitragszuteilungskommission KEF durchzusetzen.« Zusammengefasst: Fehlt es an Geld, müssen halt die Gebühren rauf.

 

Wo Geld fehlt und warum, das weiß aber auch der Personalratsvorsitzende. Die Altersversorgung ist nicht unwesentlich mitverantwortlich für das Milliardenloch, das der Intendant in den kommenden Jahren auf den WDR zukommen sieht. 187 Millionen gab der Sender 2013 für Altersversorgung, Vorruhestand und Altersteilzeit aus, das sind rund 13 Prozent des Gesamtetats. Konkret beziffert wird das Minus bis 2023 auf 1,3 Milliarden Euro – falls die Sparmaßnahmen nicht greifen, über die sich Stratmann so erregt. Er schimpft aber ganz und gar nicht über den ungeheuren Fehlbetrag und sein Zustandekommen, sondern auf Gesetze und Zinspolitik: »Kein Wort davon, dass ein neues Gesetz eine viel niedrigere Bewertung unserer Reserven für die Altersversorgung erzwingt.« Und: »Kein Wort von den Machenschaften der Finanzmärkte, die ein Minus bei den erwarteten Zinserträgen erzeugen.« Einen — recht beliebig anmutenden — Sparvorschlag macht der Personalratsvorsitzende dann aber doch: »Müssen wir eigentlich — um fast jeden Preis — so ungeheure Summen an Rechteverkäufer für Fußballweltmeisterschaften (möglicherweise in Qatar) ausgeben?«

 

Tom Buhrow aber möchte nicht in Qatar sparen, sondern in Köln und zwar ab 2016 jährlich 100 Millionen Euro. Sendungen sollen eingestellt oder in geringerer Zahl und wirtschaftlicher produziert werden. Von den 4.300 Stellen beim WDR werden 220 Stellen in Technik und Produktion wegfallen, 130 in der Verwaltung, 80 im Hörfunk und 60 im Fernsehen. Das Ganze soll bis 2020 ohne Kündigungen über die Bühne gehen, die Schlüsselworte lauten Altersteilzeit- und Vorruhestandsregelungen. Für die verbleibenden 3.800 Mitarbeiter bedeute das eine weitere Arbeitsverdichtung, beklagten Arbeitnehmervertreter auf einer Außerordentlichen Personalversammlung im Juli.

 

Für die Intendanz hingegen führt dieser Schritt allein noch nicht ans Ziel. »Wir können nicht mehr warten«, mahnte Buhrow in der zweistündigen, teils hitzig geführten Debatte. Alle früheren Sparmaßnahmen seien immer nur vorübergehend bis zum Ende der jeweiligen Beitragsperiode angelegt gewesen. Zukunftsfest zu machen sei der WDR so nicht, der Personalabbau mache weniger als die Hälfte der notwendigen Einsparungen aus. Eine Steigerung der Effizienz bei gleichzeitiger Reduzierung der Aufgaben wird von der WDR-Spitze eingefordert, Strukturen sollen schlanker und Innovationen umgesetzt werden. Für die Gewerkschaftsvertreter unter den 600 Mitarbeitern auf der Versammlung in der WDR-Kantine sind das Begrifflichkeiten aus dem Vokabelheft des Bösen: Ein »überzeugendes Konzept« fehle, wurde beklagt, Buhrows Ziele blieben »nebulös«. 

 

Noch ist nicht abzusehen, dass Buhrow von seinem Kurs ablässt, sich von den Widerstands- und Beharrungskräften zermürbt an einen leeren Schreibtisch zurückzieht und die Tage bis zur Pensionierung zählt. Auf die kann er sich nämlich freuen: 30.000 Euro monatlich wird er bekommen, wenn er bis zum 65. durchhält. Allein für die Pension ihres Intendanten hat der WDR im letzten Jahr knapp 1,8 Millionen Euro zurück gelegt.