Herzlich, aber hart

Am 20. September tritt Rainer Maria Woelki die Nachfolge von Joachim Meisner an. Der Umgangston wird freundlicher, aber auf einen Kurswechsel an der Spitze des Kölner Erzbistums darf man kaum hoffen

Als Rainer Maria Woelki noch Erzbischof von Berlin war, ging er mittags gerne Currywurst essen. Die Imbissbude war nur ein paar Schritte von seiner Wohnung im sozialen Brennpunkt Wedding entfernt, die er anstelle des angestammten Bischofssitzes hinter der St.-Hedwig-Kathedrale in Berlin-Mitte bezogen hatte. Der Kardinal als bescheidener Mann unter den Armen, so sieht sich Woelki. Und daran hält er in seinem neuen Amt als Kölner Erzbischof fest, in das er am 20. September eingeführt wird: So wie Franziskus nach Lampedusa gegangen sei, so wolle er nach Kalk, Vingst, Chorweiler und zum Kölnberg gehen, sagte Woelki auf der Pressekonferenz zu seiner Ernennung.

 

Dass der neue Erzbischof seine Bescheidenheit medienwirksam zeigt, heißt nicht, dass sie nicht echt wäre: Woelki, der in der Bruder-Klaus-Siedlung in Köln-Mülheim aufgewachsen ist — genau wie Kölns beliebtester »Armenpfarrer« Franz Meurer übrigens — wirkt zurückhaltend, höflich, etwas schüchtern. Trotz seiner 58 Jahre sieht er aus wie ein zu groß gewachsener Junge, dem die Mutter eine komische Frisur geschnitten hat. Er sei als Bischof oft überfordert, vor allem bei Aufgaben des Managements, hat Woelki kurz nach seiner Ernennung gesagt. Man stelle sich vor, diese Worte wären aus dem Mund seines Vorgängers Joachim Meisner gekommen, dessen autoritäre Führung schon bizarre Züge angenommen hatte. Woelki ist da anders, anders auch als der ehemalige Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, der ja als Bischof auch irgendwie überfordert war mit den Managementaufgaben.

 

Dass Woelki kein barocker Kirchenfürst ist, war mit Sicherheit einer der Gründe, warum der Vatikan seinen Namen als einen von dreien auf jene Liste setzte, aus der das Kölner Domkapitel den neuen Bischof dann gewählt hat. In Köln wurde das Wahlergebnis allseits freudig aufgenommen. »Das ist eine gute Nachricht«, sagt etwa die Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses, Hannelore Bartscherer. Gemeinsam mit anderen kritischen Katholiken hatte sie sich Ende 2013 mit einer »Denkschrift« an Papst Franziskus gewandt, die wie ein Hilferuf daherkam: Das Bistum bedürfe einer spirituellen und theologischen Erneuerung; der neue Erzbischof müsse dialogfähig sein und im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils handeln. Bartscherer glaubt, dass Woelki dies kann: »Seine bisherigen Aussagen lassen auf Dialogbereitschaft schließen. Er kennt das Erzbistum, und er kennt den rheinischen Katholizismus.«

 

Woelki dürfte das Bistum tatsächlich gut kennen, schließlich war er sieben Jahre lang Sekretär Meisners, anschließend Direktor des Collegium Albertinum in Bonn und von 2003 bis 2011 Weihbischof in Köln. Als der Berliner Erzbischof Georg Sterzinsky starb, wurde Woelki überraschend zu dessen Nachfolger ernannt. In Berlin kannte ihn kaum einer. In der Presse wurden vor allem zwei Punkte aus seiner Biografie hervorgehoben, die ihn wie einen Hardliner aussehen ließen: seine enge Zusammenarbeit mit Meisner — und seine Promotion an der römischen Universität Santa Croce, die von der ultrakonservativen Organisation Opus Dei betrieben wird.  

 

Jetzt, wo Woelki nach nur drei Jahren in Berlin nach Köln zurückkehrt, ist die Kritik jedoch nahezu verstummt. Sogar Volker Beck heißt ihn willkommen. Der religionspolitische Sprecher der Grünen hatte Woelkis Vorgänger wegen dessen verbalen Attacken auf Homosexuelle einst ziemlich treffend als »Hassprediger« bezeichnet. Woelki dagegen hatte sich in Berlin mit Vertretern des Lesben- und Schwulenverbands zum Kaffee getroffen, und bei seiner ersten Pressekonferenz in Köln sagte er: »Als Christ wissen wir jeden Menschen als Abbild und Ebenbild Gottes, jeder hat damit Würde.«

 

Das klang freundlich und versöhnlich, nur: Was bringen die netten Worte, wenn ein schwuler katholischer Religionslehrer noch immer gekündigt wird, sobald er sich öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung bekennt? Wenn die Leiterin eines Kindergartens ihren Job verliert, sobald sie ein zweites Mal heiratet? Woelkis Worte sind vielsagend: »Wir werden weder in Berlin noch in Köln irgendwelche Sonderwege gehen.«

 

»Sowohl in Sachen Homosexualität als auch in anderen Bereichen wie der Ökumene wird er nicht zu Positionen kommen, die grundlegend abweichen von Meisners Linie«, sagt Manfred Becker-Huberti. Der langjährige Sprecher des Bistums Köln war 2006 von Meisner durch einen Opus-Dei-Mann ersetzt worden, weil er nicht linientreu war. »Wir werden auch nicht erleben, dass Frauen plötzlich zum Priester geweiht werden«, so Becker-Huberti. »Denn man wird heute nicht Bischof, wenn man die Römer hat wissen lassen, dass man eine andere Auffassung von Theologie und Kirche hat als der Papst.« Dennoch glaubt Becker-Huberti, dass Woelki einen Wandel herbeiführen kann: »Der Umgang mit den Beteiligten wird sich ändern: Man wird nicht schlecht über Homosexuelle reden, auch nicht hintenrum.«

 

Während Meisner nach dem Motto »Verkündigung ist immer gleich« agierte und sich nicht dafür interessierte, was die Gläubigen bewegte, hört Woelki den Menschen zu. Das meint zumindest Manfred Becker-Huberti: »Er lebt nicht in Prunk, sondern mit den Menschen. Statt Feuer von der Kanzel zu spucken, wird er versuchen, Probleme zu lösen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwo einen gäbe, der das im Moment besser könnte als er.«

 

Und die Sache mit dem Opus Dei? Woelki hat mehrmals versichert, er sei kein Mitglied der Organisation, auch sei sie nicht seine »geistliche Heimat«. Becker-Huberti, der allein schon von seiner Biografie her nicht gut auf das Opus Dei zu sprechen sein dürfte, bestätigt das: »Woelki ist sicher kein Fan von Opus Dei. Meisner war da ein Stückchen anders.« Andere sehen hingegen deutliche Gemeinsamkeiten zwischen Woelki und dem Opus Dei. »Man promoviert nicht an einer ihrer Universitäten, wenn man nicht sehr miteinander verbunden ist«, sagt  David Berger, der früher Lektor der Vatikanischen Glaubenskongregation war und heute Chefredakteur eines schwulen Lifestyle-Magazins in Berlin ist. Berger findet, das galante, medienwirksame Auftreten Woelkis bei gleichzeitiger Unnachgiebigkeit in Sachen der Lehre sei typisch Opus Dei. »Es wird nett ausgedrückt, aber es bleibt dabei. Das war bei Meisner das Schöne: Er hat in brutaler Ehrlichkeit gesagt, was er denkt, man konnte sich mit ihm streiten. Das wird bei Woelki wesentlich schwieriger.«

 

Falls Woelki es nicht nur bei einem neuen Umgangston belassen will, könnte er als Kölner Erzbischof einiges erreichen. Immerhin wacht er über Steuereinnahmen in Höhe von zuletzt 525 Millionen Euro und einen Gesamthaushalt von knapp einer Milliarde Euro. Zwar entscheidet der Kirchensteuerrat, was mit dem Geld geschieht, aber der Erzbischof kann durchaus Akzente setzen. Etwa, ob er Kindergärten schließen lässt und dafür Bauprojekte im Heiligen Land fördert, so wie Meisner das getan hat. Oder ob er sich anderen Aufgaben widmet: »Es stehen viele Fragen an, etwa zum Umgang mit Migranten oder den Aufgaben der Caritas. Das Hospizwesen etwa ist ein Feld, dem sich die Kirche widmen könnte«, so Becker-Huberti. Um das zu tun, müsste Woelki nicht einmal »irgendwelche Sonderwege« gehen.