»Wir wollen die Straßen für uns«

In Ehrenfeld ist der »Tag des guten Lebens« ein Tag der Nachbarschaftshilfe

In Ehrenfeld fand letztes Jahr die Premiere des »Tag des guten Lebens« statt. Zwischen Innerer Kanalstraße und Gürtel sowie zwischen Subbelrather und Vogelsanger Straße wurde der Autoverkehr aus dem Stadtteil verbannt und dort, wo normalerweise 12.000 Menschen wohnen, flanierten 80.000 Menschen durch die Straßen. Es sollte ein Experiment sein: Wie könnte ein autofreies Köln aussehen?

 

Dieses Jahr ist der Fokus kleiner. »Es geht uns darum, die Nachbarschaft anzusprechen, damit im Viertel mehr Miteinander entsteht«, erzählt German May. »Vor einem Jahr habe ich hier in der Wahlenstraße zehn Leute gekannt, heute kenne ich fünfzig.« Seit 2005 wohnt der schlaksige Österreicher mit der Jim-Jarmusch-Frisur in Ehrenfeld, betreibt dort den Laden »Inside Africa« und gehört zum engeren Kreis der Organisatoren des diesjährigen »Tag des Guten Lebens«.

 

Dass es soweit kommen würde, war eigentlich nicht vorgesehen. Denn der Verein Agora, Ausrichter des »Tag des Guten Lebens«, hat seine Aktivitäten dieses Jahr auf Sülz konzentriert. Also musste in Ehrenfeld jemand anders einspringen. »Wir wollten es unbedingt nochmal machen«, berichtet German May. Aus einem Kreis von fünf Personen wurde ein Organisationskreis von vierzig Leuten, der dieses Jahr über 170 Aktionen koordiniert hat. Die Aktionsformen sind dabei vielfältig. Direkt vor Mays Haustür soll der längste Strudel Ehrenfelds aufgetischt werden, woanders lernt man, wie man verpackungsfrei einkaufen kann. Im Repair Café werden praktische Tipps zur Reparatur von Haushaltsgegenständen und Gadgets vermittelt und in der Körnerstraße berichten ältere Ehrenfelder und Ehrenfelderinnen von den Veränderungen, die ihr Stadtteil nach dem Ende der Industrieproduktion durchgemacht hat.

 

Aber was für ein Ehrenfeld ist es eigentlich, das den »Tag des Guten Lebens« begeht? Schließlich gehören nicht nur die Cafés und Läden rund um die Körnerstraße zum Veedel, sondern auch die Großmoschee von DITIB, der »Arbeiterstrich« um die Hansemannstraße oder die Flüchtlingsunterkunft an der Auffahrt zur A57. »Wir maßen uns nicht an, ganz Ehrenfeld abzubilden«, entgegnet German May. Bei der DITIB-Gemeinde habe er am Fastentreffen den »Tag des Guten Lebens« vorgestellt und sie zur Teilnahme eingeladen. »Die Frage ist halt, wie sehr wollen die Leute sich miteinander verbinden oder nicht? Wenn nicht, ist das auch völlig in Ordnung.«

 

Die Haltung seiner Mitstreiter fasst German May so zusammen: »Wir genießen die Freiheit, aber sehen auch unsere Grenzen als Individuen.« Vielleicht sind unverbindliche Formen wie der »Tag des Guten Lebens« schlicht angemessen für ein Milieu, das seine persönlichen Freiheiten nicht aufgeben will, wenn es politische Anliegen formuliert. »Sobald du in der Nachbarschaft aktiv wirst, übernimmst du auch Verantwortung«, meint German May. Aber gerade dem stünde die Gesetzgebung manchmal im Weg. »Das Ordnungsamt hat die Funktion des Blockwarts übernommen«, spitzt May zu und erzählt von einem Spielplatz in seiner Straße, der von den Anwohnern zum Grillen oder als Treffpunkt genutzt würde, weil halt sonst kein Platz sei. Hier komme es immer wieder zu Konflikten mit dem Ordnungsamt: »Wir wollen die Straßen für uns haben.« Konkret haben er und seine Mitstreiter das Ziel, im Viertel rund um die Körnerstraße eine Kurzparkzone mit Anwohnerparken einzurichten. Die Ehrenfelder Politik hat diese Forderung bislang nur zögerlich registriert, das neue Engagement im Stadtteil begrüße sie aber trotzdem: »Die sind froh, wenn Bürger sich selbst bestimmen.«