Satelliten überm Tellerrand

Das »Ökorausch«-Festival zeigt, dass gutes Design immer auch ökologisch und sozial ist

Was vor sieben Jahren zunächst als Messe für nachhaltiges Design begann, ist seit der Neuausrichtung 2012 zu einem interaktiven Festival geworden. Im ersten Jahr des Relaunchs stand das Festival unter der Überschrift »identify«. Darauf folgte im vergangenen Jahr mit »react« ein Fokus auf konkrete Aktionen. Unter dem diesjährigen Motto »create«, das diese Trilogie beschließt, soll nun ausgelotet werden, welche Möglichkeiten es gibt, die eigene Umwelt zu gestalten. »Wir wollen die Menschen dazu anregen, über ihren eigenen Tellerrand zu schauen und ihre Lebensbereiche aktiv zu gestalten«, sagt die Initiatorin des Festivals, Dunja Karabaic.

 

Vom 28. September bis zum 5. Oktober werden im VHS-Forum im Rautenstrauch-Joest-Museum wieder Produkte vorgestellt, »die Funktionalität, Ethik und Ökologie in sich vereinen«. Darunter ist das Gravity-Light, eine Lampe, die mittels Schwerkraft Licht erzeugt. Zudem zeigen sechs Künstler ihre neuesten Arbeiten. Die Werke von Hermann Josef Hack etwa erfüllen eine ganz praktische Funktion: Hack wandelt seine »bewohnbaren Bilder« in Notbehausungen für Flüchtlinge um.

 

Auch das begleitende Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung ist vielfältig. So widmet sich der Eröffnungstag mit Vorträgen und einer Saatgutbörse dem Thema Urbanes Gärtnern. Am Abend wird Werner Bootes sehenswerte Dokumentation »Population Boom« gezeigt, in der die Behauptung, die Erde sei übervölkert, kritisch hinterfragt wird. Wenige Tage später dreht sich dann alles ums Geld. Die Referenten stellen mehrere Alternativen zum monetären System vor: Tauschringe, Regionalwährungen oder auch den völligen Verzicht auf Geld. Außerdem finden sich auf dem Programm Handarbeitsrunden, Workshops zum Thema Upcycling, und die Besucher werden über die miserablen Produktionsbedingungen in der Textilindustrie aufgeklärt.

 

Aber was hat das alles mit »nachhaltigem Design« zu tun? »Man muss den Designbegriff weiter fassen, ähnlich wie Beuys erweiterten Kunstbegriff«, sagt Dunja Karabaic. »Design hört nicht beim Produkt auf, sondern beinhaltet die Gestaltung aller Lebensbereiche.« Karabaic will Menschen dafür begeistern, sich für die sozial-ökologischen Aspekte ihrer Umwelt und der Dinge, die sie kaufen, zu interessieren. Sie berichtet darüber, wie Victor Papanek bereits in den 70er Jahren seinen Designer-Kollegen vorwarf, sie würden Menschen dazu verführen, unnütze Dinge zu kaufen. »Wir zeigen hingegen ausschließlich Produkte, Ideen und Konzepte, die die Umwelt schonen, unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurden und ihren Nutzern einen echten Mehrwert bieten«, so Karabaic. Darum geht es auch bei dem eintägigen Symposium, das sich an Designer, Produktentwickler und Projektmanager richtet. Die Workshops und Vorträge gehen der Frage nach, »was Design im professionellen Gestaltungsprozess bewegen kann, um Menschen im Sinne einer positiven nachhaltigen Entwicklung zu erreichen und sie zum Handeln zu bewegen«.

 

Während der Festivalwoche präsentieren sich auch viele Vereine, Unternehmen und Initiativen als sogenannte Satelliten im gesamten Stadtgebiet. Darunter etwa das interkulturelle Begegnungszentrum »Allerweltshaus« in Ehrenfeld, aber auch ein Yoga-Studio oder ein Fachgeschäft für Bio-Möbel. Doch was verbindet diese Teilnehmer? Und wie wurden sie ausgewählt? »Alle Akteure verfolgen nachhaltige Ziele«, sagt Dunja Karabaic. »Bei den kommerziellen Satelliten achten wir außerdem darauf, ob es beispielsweise ein ökologisches oder soziales Zertifikat gibt, an dem wir uns orientieren können. Aber auch durch die Verwendung von Ökostrom, CO2-Kompensation oder das Geschäftskonto bei einer ethischen Bank qualifizieren sich unsere Satelliten für die Teilnahme«.

 

Im kommenden Jahr wird das Team um Dunja Karabaic an einer Internationalisierung arbeiten, deshalb wird das Festival erst wieder 2016 stattfinden. »Dann jedoch noch facettenreicher und mit inspirierenden Akteuren aus ganz Europa«, verspricht die Initiatorin.