Foto: Manfred Wegener

Kein Platz für Freiflächen

Die Diskussion um die Umgestaltung des Brüsseler Platzes ist vom Tisch. Eine Bürgerinitiative feiert das als Sieg.

Ich werde nie die Hand für einen Kompromiss ausstrecken, mit dem ich nicht hundertprozentig einverstanden bin!« So spricht Hanns Schaefer, der greise Vorstandsvorsitzende des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins. Für ihn steht fest: Auf dem Brüsseler Platz im Belgischen Viertel muss sich etwas ändern: »Überall liegt Müll, und abends laufen die Ratten rum!« Der zentrale Platz mit den auffälligen Hochbeeten, dem Taxistand und der dichten Begrünung rund um die Kirche St. Michael, so Schaefer immer wieder, sei »in einem völlig desolaten Zustand«. Deshalb müsse der Platz dringend in den historischen Urzustand gebracht werden, »so wie es eigentlich gedacht war«.

Weg mit den Hochbeeten!

Nach Plänen des ehemaligen Stadtbaumeisters Hermann Josef Stübben war der Platz zwischen 1902 und 1907 als große Freifläche konzipiert worden, im Zentrum stand die Kirche. 1981/82 bekam der Brüsseler Platz seine heutige Gestalt: Die umstrittenen Hochbeete wurden angelegt und mehr Bäume und Sträucher gepflanzt.
Auch für Dieter Prinz, Architekturprofessor an der FH Köln, sind das »Gestaltungssünden«, die unbedingt rückgängig gemacht werden müssten. »Viele von uns standen damals in gefährlicher Weise unter ideologischem Einfluss. Ein Baum war damals mehr als nur ein Baum«, kritisiert Prinz die damalige Umgestaltung. Er unterstützte die Anregungen von Schaefer, mit dem er schon mehrfach stadtplanerische Ideen für Köln vorgeschlagen hatte. Anfang Mai organisierte Prinz deshalb unter seinen StudentInnen einen Wettbewerb, »im Sinne einer Ideensammlung«. Resultat: Weg mit den Hochbeeten samt Bepflanzung, freier Blick auf St. Michael, mehr Freiflächen für Gastronomie, und die Brüsseler Straße soll geradlinig auf den Platz münden. Kosten: anderthalb Millionen Euro.

Urteil: zu radikal und zu weitgehend!

Schaefer präsentierte die Idee in der Vereinszeitung Eigentum aktuell begeistert als »Königsentwurf«. Für Hubertus Butin eine Provokation. Der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Umgestaltung hat auf dem Platz »rund 90 Bäume« gezählt; »die Sträucher nicht mitgerechnet«. Die Bäume wollen Butin und seinen MitstreiterInnen unbedingt erhalten. »Schon aus ökologischen Gründen, aber auch weil sie Schatten spenden und als Lärmschutz funktionieren.« In Schaefers Modell finden sich nur noch die 14 alten Platanen.
Auch den übrigen Ideen kann die Initiative nichts abgewinnen. Für eine grundlegende Umgestaltung des Platzes gebe es keinen Anlass, »zu radikal und zu weitgehend« seien die Forderungen. Über 1.000 Unterschriften sammelte man gegen die Pläne. Für Butin ist Schaefers Vorgehen schlicht »undemokratisch«, über eine erste Gesprächsrunde im Vorfeld des Wettbewerbs sei man nicht informiert worden. »Wir haben von Schaefers Plänen erst aus der Zeitung erfahren«, versichert Butin.
Auch Elisabeth Thelen, grüne Bezirksvorsteherin der Innenstadt, kritisiert Schaefers Strategie. Er habe sich mit seinen Plänen nie an die Bezirksvertretung gewendet, »obwohl ein gemeinsames Konzept sicher vorteilhaft gewesen wäre.« Als Schaefer und Prinz ihre Ideen bei einer Bürgeranhörung am 24. Juli in der Bezirksvertretung vorstellen, verhärten sich die Fronten nur. Schaefer sind die empörten AnwohnerInnen kaum einen Blickkontakt wert. Die Fraktionen begrüßen durchweg sein Engagement, mahnen Schaefer aber zur Zusammenarbeit.
Auch Prinz gibt zu, dass Schaefers Verhalten »nicht immer akzeptabel« gewesen sei. »Die Politik brauche ich nicht. Ich habe Mitstreiter, mit denen ziehe ich das durch«, zitiert Prinz seinen ehemaligen Partner. Mittlerweile distanziert er sich deutlich von dem Haus-und-Grund-Chef. »Ich sehe keine Zukunft für eine weitere Zusammenarbeit. Da muss ich schließlich auch an die FH, meine Studenten und auch meinen Ruf denken.«

Sieg der Bürgerinitiative

Während einer Diskussionsveranstaltung vier Tage später gibt Schaefer dann entnervt auf. Die Initiative feiert ihren Sieg. »Irgendwie können wir Herrn Schaefer aber auch dankbar sein. Die Gemeinschaft ist durch den Protest zusammengeschweißt worden«, sagt Butin. »Schon 30 Leute haben sich bereit erklärt, Patenschaften für einzelne Platzbereiche zu übernehmen«, freut sich Gabriele Kiefer von der Bürgerinitiative. Die Anwohner sind dann für die Pflege selbst zuständig.
Elisabeth Thelen indes glaubt, dass durch Schaefers fehlende Kompromissbereitschaft »letztlich auch eine Chance vertan worden ist. Schließlich wäre Schaefer jemand gewesen, der Sponsoren hätte werben können«. Vom Einsatz der Initiative für den Platz und dem »bürgerschaftlichen Engagement« ist sie aber beeindruckt: »Das habe ich hier so noch nicht erlebt.« Das hört man bei der Initiative gern. Doch hat man nicht dadurch die Politik vorschnell aus ihrer Verantwortung entlassen? »Die Stadt hat doch kaum noch Geld«, gibt Butin zu bedenken. »Aber wir sind gerade dabei, uns auf einen Katalog mit Forderungen zu einigen.« Baumpatenschaften, neue Bepflanzung der Hochbeete, Wasseranschluss am Platz und eine öffentliche Toilette – mehr scheint im Moment nicht möglich.
Elisabeth Thelen will am 25. September in der ersten Bezirksvertretungs-Sitzung nach der Sommerpause einen Antrag stellen: für mehr Mülltonnen auf dem Brüsseler Platz. Dass könnte selbst Hanns Schaefer gefallen. Doch der ist schon wieder woanders: Der Roncalliplatz soll sein nächstes Projekt sein.

Mehr Texte zu Kölner Themen stehen in der aktuellen StadtRevue.