Foto: Manfred Wegener

Viele Ideen, wenig Konsens

In Braunsfeld können Bürger jetzt diskutieren, wie sich ein Gelände von der Größe der Innenstadt entwickeln soll. Doch das Beteiligungsverfahren kommt zu spät

»Sie dürfen sprechen, aber das Mikrofon halte ich!« Ursula Mölders muss dies oft sagen. Sie moderiert die Bürgerbeteiligung zur »Rahmenplanung Braunsfeld/ Müngersdorf/Ehrenfeld« – ein Verfahren, das es so in Köln noch nicht gegeben hat. Und die Wellen schlagen hoch. An sechs Abenden wird in der Grundschule Geilenkircher Straße in Braunsfeld diskutiert, gefachsimpelt und gestritten. Bürger, Unternehmen und Stadtverwaltung suchen einen Konsens über die Entwicklung eines Areals, das so groß ist wie die Innenstadt.

Entwicklung ohne Konzept

Mölders und ihre Kollegen vom unabhängigen »Büro Stadt- und Regionalplanung Dr. Paul G. Jansen« wurden beauftragt, das Bürgerbeteiligungsverfahren durchzuführen. Dies hat der Stadtrat im Juli letzten Jahres beschlossen. Anschließend soll klar sein, wie es weitergeht auf den 420 Hektar zwischen Aachener Straße, Melatengürtel, Vogelsanger Straße und Militärring.
Der ehemalige Industriestandort hat sich seit den 80er Jahren zum Dienstleistungs- und Technologiestandort entwickelt: Industriebrachen und neue Bürogebäude wie im TechnologiePark Köln machen diesen Strukturwandel deutlich. Insgesamt gibt es hier rund 25.000 Arbeitsplätze. Doch während Anfang der 60er Jahre noch 11.750 Menschen im produzierenden Gewerbe und der Industrie tätig waren, sind es heute gerade noch 2.400. Ein stadtplanerisches Konzept für diese Entwicklung hat es nie gegeben. Das Resultat sind »Nutzungskonflikte«: Wohnsiedlungen liegen eingestreut in Gewerbegebieten, der Verkehr wird zum Problem, die Wohnqualität nimmt ab. Die Unternehmen wiederum fühlen sich durch angrenzende Wohnbebauung beengt. Einigkeit besteht nur darin, dass etwas passieren muss.

Modellfall oder doch nur Bürde?

Die jetzige »Rahmenplanung mit vertiefter Bürgerbeteiligung« geht auf das Engagement des Bürgervereins Müngersdorf und der Interessengemeinschaft Braunsfelder Bürger (IGBB) zurück: Mitte 2001 legten sie einen »Bürgerplan West« vor. Statt »Monostrukturen mit unattraktiven, entseelten Büro- und Gewerbezonen« soll es eine Nutzungsmischung von Wohnen, Arbeiten, Freizeitangeboten geben. Außerdem: mehr Grünflächen, weniger Verkehr in Wohngebieten und Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
Das Amt für Stadtentwicklung und Statistik legte Ende 2002 einen eigenen Entwurf vor – mit anderen Schwerpunkten: Industrie und Gewerbe sollen »bestandsorientiert« geplant werden, angrenzende Wohngebiete langfristig entfallen. Beide Entwürfe sind Grundlagen, auf denen zurzeit Bürger und Firmen debattieren.
Die vorangegangenen Diskussionen sind dabei allerdings auch eine Bürde. »Da die Teilnehmer so tief in die Materie eingearbeitet sind, haben sich ihre Ansichten schon sehr verfestigt. Dadurch ist die Diskussion relativ schwierig«, sagt Mölders, die aber vom fachlichen Know-how vieler Bürger beeindruckt ist.
Doch die Bürger kritisieren auch das derzeitige Verfahren. »Konsensfindung auf den Veranstaltungen ist kaum möglich«, sagt Ilsetraut Popke von der IGBB. »An den Runden Tischen werden die zehn, zwölf Fragen zum jeweiligen Thema häufig bloß abgehakt. Letztlich ergibt das nur eine weitere Anregungen- und Bedenkensammlung.« Ihr Mitstreiter Walter Buschmann stellt dagegen positive Aspekte heraus: »Wir sehen das hier als Modellfall für Köln und vergleichbare Gebiete.«

»Letztlich entscheidet die Politik«

Für das Planungsgebiet kommt die Bürgerbeteiligung aber letztlich zu spät. Der planerische Wildwuchs hat längst Fakten geschaffen. Der Interessenkonflikt zwischen Bürgern und Investoren ist buchstäblich zementiert. So regt sich immer wieder Unmut gegen die Lammerting Immoblien Gruppe (LIG), die mit ihren Projekten das Gebiet schon an vielen Stellen prägt – und längst konkrete Zukunftspläne hat. Etwa auf dem zentral gelegenen brachliegenden Gleisdreieck. Auf den 20.000 Quadratmetern sieht der »Bürgerplan West« einen Park vor. Doch die LIG, mittlerweile Eigentümerin des Areals, hat anderes im Sinn: eine Grünfläche zwar, aber umstellt mit Bürogebäuden. »Als Zentrum«, so Architekt Johannes Kister, könne man sich auch »ein höheres Gebäude« vorstellen – mit 18 Etagen.
Probleme gibt es auch auf dem ehemalige Sidol-Gelände an der Eupener Straße. 2000 erwarb Lammerting das denkmalwerte Grundstück, auf dem zum Teil über zehn Jahre lang rund 25 Künstler arbeiten. Zunächst wurden die Mietverträge für zwei Jahre verlängert, jetzt kommen die ersten Räumungsklagen. Künstler und Bürgerinitiativen verweisen auf die kulturelle Bedeutung des Zentrums – und auf eine damals von Lammerting in Aussicht gestellte dauerhafte Nutzungsmöglichkeit.
Viel Arbeit also für Ursula Mölders und ihr Büro, Ende November werden die Ergebnisse vorgestellt. Im Dezember beraten die Bezirksvertretungen Lindenthal und Ehrenfeld darüber. Der Stadtrat könnte dann Mitte 2004 die Rahmenplanung beschließen, dann sind die Zielsetzungen bindend. Mölders weiß aber auch, dass eine Reihe von Interessenkonflikten nicht einzuebnen sein werden. »Letztlich«, so Mölders, »entscheidet dann die Politik.«

Info:
Abschlussforum der Bürgerbeteiligung zur »Rahmenplanung Braunsfeld/Müngersdorf/Ehrenfeld«, 24.11., Grundschule Geilenkircher Straße, 19 Uhr. Zuvor findet am 3.11. um 19 Uhr noch der Themenabend »Verkehr« statt. Alle Protokolle und weitere Infos unter
www.stadtplanung-dr-jansen.de

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