Foto: Manfred Wegener

Was bleibt uns übrig

Herbstgefühle am Medienstandort NRW

So hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt: Der Homeshopping-Sender RTL Shop verkauft jetzt echte Autos im Fernsehen, Plattenfirmen verdienen mehr Geld mit Handy-Klingeltönen als mit dem Vertrieb digitaler Musik, Dieter Bohlen regiert den Büchermarkt. Da sind wir also, auf dem Weg in die Medienwelt der Zukunft, vielfach geläutert, sicher, ökonomisch wie popkulturell. Und doch sollte ein wenig Befremden erlaubt sein. Zumal im Adorno-Jubiläumsjahr. Denn selbst Theodor Wiesengrund wäre vermutlich enttäuscht gewesen: Komplexe Verblendungszusammenhänge im Wirken der elektronischen Medien lassen sich angesichts solcher Plattheiten jedenfalls nicht mehr enttarnen.

Gescheitertes Modell

»Was bleibt übrig?«, ist auch die Frage der hiesigen Medienpolitik. Nach dem beherzten Bekenntnis zur Medienwirtschaft beim Amtsantritt löste NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück letzten Monat erst Mal die landeseigene NRW Medien GmbH auf. Das Unternehmen sollte durch die Bündelung aller Medienfördermittel des Landes die Strahlkraft des Medienstandorts NRW sicherstellen. Den erwarteten Erfolg habe die Medien GmbH aber nicht erzielen können – und so erklärte man das Modell für gescheitert. Allerdings war das Unternehmen mitten in das Branchen-Tief hineingegründet worden, hatte nur einen Bruchteil der ursprünglich vorgesehenen Fördermittel zur Verfügung und konnte auch niemals wirklich unabhängig operieren.
Hinzu kamen mitunter irritierende Konflikte zwischen der Geschäftsführung der Medien GmbH und den politischen Würdenträgern, die ganz unfein in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Nun beschäftigt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Fall. Man habe, so wirft die Opposition der SPD-Regierung vor, der Medien GmbH keine echte Chance gegeben.

Heimspiel für RTL

Dabei hätte der Standort ein wenig exklusive Pflege nötig: Im Anschluss an die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises im Köln-Ossendorfer Coloneum wurden erneut Stimmen laut, die Veranstaltung sei künftig besser in Berlin aufgehoben. Nach dem Abgang der Popkomm in die Hauptstadt wäre das zweifellos ein weiterer herber Verlust für die Medienstadt Köln. Doch die Verantwortlichen dementieren: Eine Absichtserklärung der vier ausrichtenden Sender (ARD, ZDF, RTL und SAT.1) mit der Stadt sehe vor, bis 2006 in Köln zu feiern. Und daran wolle man auch nicht rütteln – obschon es dies Mal ordentlich Ärger gab: Ein feines Heimspiel hatte sich der ausrichtende Sender RTL nämlich bereitet. 11 Preise heimste der Kölner Sender ein, und hatte sich zuvor den Weg dahin geebnet, indem reichlich RTL-affine Kategorien geschaffen wurden. Gleich drei Preise wurden beispielsweise in der RTL-Domäne Sitcom ausgelobt. Die ARD hatten das schon vorher kommen sehen und blieb zum Teil schmollend der Gala fern. Entwaffnend temperamentlos geriet zudem die Moderation des TV-Allrounders Günther Jauch, und auch die Acht- und Rastlosigkeit, mit der Preis um Preis verliehen wurde, sorgte für Unmut. Das unattraktive Ambiente im und um das Ossendorfer Coloneum tat ein übriges, um die eitle Branche in Aufruhr zu versetzen.

Lokalisierung als Überlebensmodell

Gar nicht eitel gibt sich hingegen der hiesige Zeitungsapparat. Seine Qualität steigern will der Kölner Stadt-Anzeiger und erweiterte kürzlich seine lokale Berichterstattung: Deutlich opulentere Lokalausgaben, zusätzlich zudem der neue Teil »Quer durch Köln«, mit dem die Berichterstattung aus den Stadtteilen ausgebaut werden soll. Nicht eben der Kurs hin zum profilierten Großstadtblatt – aber vielleicht zurück in die Profitabilität. Das vergangene Jahr hatte der Verlag M. DuMont Schauberg immerhin mit einem Verlust von über 20 Mio. Euro beschlossen. Schon seit längerem wird die stärkere Lokalisierung in der Branche als Überlebensmodell propagiert.

taz für Köln und gegen Stadt-Anzeiger

Lokalisierung – das ist auch das erklärte Ziel der Berliner tageszeitung (taz). Täglich will sie ab Ende des Jahres mit einer Köln-Beilage erscheinen – vorausgesetzt, sie findet genug Geldgeber für die u. a. zu diesem Zweck gegründete »taz Entwicklungs KG«. Und die Zeit wird knapp: Mitte Oktober hatten gut 60 KommanditistInnen einen Mindesteinsatz von 5000 Euro geleistet – gebraucht werden aber rund 170 Geldgeber, und das bis Anfang November.
Ebenfalls im November muss sich die taz erst Mal vor Gericht gegen den Kölner Zeitungsmarktplatzhirschen Kölner Stadt-Anzeiger verteidigen. Dem hatte die taz vorgeworfen, den »Wächterpreis der Tagespresse« zu unrecht erhalten zu haben. Der Stadt-Anzeiger habe Hinweise auf den Kölner Müllskandal jahrelang ignoriert, statt den Skandal aufzudecken (vgl. StadtRevue 8/03). Der Verlag M. DuMont Schauberg klagte gegen den Text – und nun folgt die Verhandlung: Anschauungsunterricht in Sachen Presserecht und Kölner Medien gibt’s am 5. November, 11 Uhr, in Saal 222 des Kölner Landgerichts.


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