Ein steiler Weg zur fahrradfreundlichen Stadt: Aufgang der Hohenzollernbrücke | Foto: Manfred Wegener

In der Gelb­phase

Das Radverkehrskonzept nimmt Formen an

Ein wenig bizarr ist die Szene schon, die sich Mitte Oktober im Rautenstrauch-Joest-Museum abspielt. Der Saal ist voll, der Dresscode reicht von Multifunktionskleidung und gepflegt-legerem Ehrenfeld-Style, die Fahrradtasche ersetzt den Herschel-Rucksack. Vorne auf der Bühne steht ein junger Brillenträger im Anzug und sagt: »Der ADAC fördert traditionell den Radverkehr«. Gelächter im Publikum. Heute ist der Brillenträger ausnahmsweise in der Minderheit. Es ist die zweite öffentliche Veranstaltung zum Radverkehrskonzept Innenstadt. Im Saal sitzen Fahrrad-Nerds, Ur-Grüne und Vertreter von anderen Parteien und Verkehrsverbänden, auf dem Podium Sprecher von IHK und ADAC, den Radfahrgruppen und dem Planungsbüro VIA, die das Konzept ausarbeiten sollen — und Jürgen Möllers, Fahrradbeauftragter der Stadt Köln. »Das ist eine tolle Resonanz«, sagt er. »Ich sehe das absolut positiv.«

 

»Die Stadt möchte nicht, dass der Einfluss der Initiativen zu hoch ist«, findet dagegen Joachim Schalke vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Eine der Kernforderungen von Verkehrsinitiativen — Tempo 30 in der Innenstadt — wird im Zuge des Radverkehrskonzept nicht diskutiert werden. »In der Straßenverkehrsordnung wird die Regelgeschwindigkeit mit 50 km/h angegeben«, sagt Jürgen Möllers. »Wir müssten also die 30 km/h an jeder Stelle individuell begründen.«

 

Trotz dieser Einschränkungen ist das Interesse am Radverkehrskonzept sehr hoch. Rund 900 Anregungen von Bürgern haben Stadt und Planungsbüro erhalten, darunter sind viele nachvollziehbare Forderungen: eine bessere Radverkehrsführung auf dem Ebertplatz und am Neumarkt, eine Auffahrt auf die Nordseite der Hohenzollernbrücke und mit der größten Zahl an Nennungen die Aufhebung der Pflicht, einen Radweg zu benutzen. »Die werden Stück für Stück überprüft und dann gegebenenfalls aufgehoben«, erklärt Jürgen Möllers.

 

Alle Anregungen sind in einen ersten Entwurf für ein Radverkehrsnetz eingeflossen, der mo­­mentan hauptsächlich aus grün und gelb eingefärbten Straßen auf dem Stadtplan der Innenstadt besteht. Auf den gelben »MIV-Vorrang-Straßen«, wo jetzt schon viele Autos fahren — Innere Kanalstraße, Ringe, Nord-Süd-Fahrt oder Cäcilienstraße — sollen auch weiterhin viele Autos fahren. Die Nebenstraßen — Wälle, Severinstraße, die innerstädtischen Parallelstraßen zum Grüngürtel — wo bereits im Moment Fuß- und Radverkehr einen großen Anteil am Verkehrsaufkommen erreichen, sollen dagegen zu grünen »Rad-(Fuß)-Vorrangstraßen« werden. Was genau das für das Straßenbild bedeutet, ist im Moment noch unklar: Eine MIV-Straße kann entweder einen separaten Radweg besitzen, Radweg und Radstreifen auf der Fahrbahn oder nur letzteres. Bei den Rad- und Fußstraßen können Rad-, Fuß- und ein langsamer Autoverkehr wie etwa auf der Severinstraße gemischt sein. Teilweise soll es eine Trennung zwischen Rad- und Autoverkehr sowie den Fußgängern geben, teilweise nur Fuß- und Radverkehr. Einen Vorgeschmack bietet die Einführung der »Shared Bike Lanes«, an der die Stadt gerade arbeitet: Auf zweispurigen Straßen soll der Radverkehr auf die rechte Fahrspur geleitet werden und Tempo 30 gelten.

 

»Verwirrend« findet das Joachim Schalke vom ADFC, der neun verschiedene Nutzungsarten im Radverkehrskonzept ausgemacht hat. Gemeinsam mit anderen Verkehrsinitiativen hat er den Entwurf von Stadt und Planungsbüro ergänzt. Aus den Ringen und der Cäcilienstraße sollen Rad- und Fußverkehrsstraßen werden, zusätzlich tauchen auch die beiden Brücken auf Höhe von Rheinpark und Jugendpark auf, die im städtebaulichen Masterplan von Albert Speer für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen sind. In den für den Radverkehr geöffneten Einbahnstraßen soll nur noch rechts geparkt werden, Fahrradstreifen sollen genügend Abstand zu sich öffnenden Autotüren erhalten.

 

»In Köln ist der Wandel zur Fahrradstadt immer noch nicht angekommen«, meint Joachim Schalke. »Man muss für die Zukunft planen«, ergänzt er. Der Radverkehr werde weiter zunehmen, gleichzeitig sei jetzt schon ein Trend zum Lastenrad zu erkennen, dem das Radverkehrskonzept nicht gerecht werde.

 

Denn wie wichtig eine vorausschauende Verkehrsplanung ist, kann man gerade am Mediapark beobachten. Anfang der Nullerjahre wurde beschlossen, dort eine zusätzliche Abbiegespur vom Kümpchenshof in die Tiefgarage einzurichten. Im Frühjahr 2015 soll gebaut werden. Vorher muss die bisherige Planung aber noch für Radfahrer verbessert werden, weil die einmündende Maybachstraße mittlerweile eine der meistbefahrenen Radstrecken Kölns ist.

 

Auch ein anderer Vorfall macht klar, dass ein Radverkehrskonzept nicht nur auf der Straße verankert werden muss. Anfang November bat die Polizei um Hilfe bei einem Verkehrsunfall. Ein Autofahrerin fuhr so eng an einem Radfahrer vorbei, dass er ihr aufs Auto schlug und stürzte. Die Polizei machte sich daraufhin auf die Suche — nach dem Radfahrer. »Da wird das Opfer zum Täter gemacht«, meint Joachim Schalke. Die Frau hatte Anzeige wegen Beleidigung erstattet, weil der Radfahrer sie nach seinem Sturz beschimpft hatte.

 

Text: Christian Werthschulte

 


Bis zum 1. Dezember können auf der Website der Stadt Köln noch Anregungen zum Streckennetz im Radverkehr gemacht werden. Die nächste öffentliche Veranstaltung soll im März 2015 stattfinden.

 

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