Käthchen will nicht

Stefan Bachmann macht’s in Kleists Käthchen von Heilbronn einfach mal total anders

Auf einer Rampe, einer Quarter-pipe, die fast die gesamte Breite des Depot 1 füllt und keine Raumtiefe zulässt, rutschen die Schauspieler in Richtung Publikum oder halten sich noch so gerade in der Schräge. Eine geniale Idee, die an diesem Abend viele starke Bilder zulässt. Auf abschüssiger Bahn bewegt sich auch die Handlung dieses eigensinnigen Stückes, das von Beginn an hochemotional und verstörend daherkommt. 

 

Den Eigensinn kennt man von den Figuren Kleists, die sich gegen Rat und Regeln sperren. Man entdeckt ihn auch bei Käthchen, die an ihrer bedingungslosen, blitzartig einschlagenden Liebe zum Grafen von Strahl festhält. Auch dann noch, wenn der Graf sich von ihr abwendet und sie wie einen räudigen Köter behandelt. 

 

Nicht nur Käthchen folgt ihrem eigenen, zunächst unerklärlichen Willen — das ganze ritterromantische, mit Wundern und schwarzer Magie durchsetzte Stück ist eigenwillig. Zu empörend ist der Gegensatz zwischen Hingabe und Selbstaufopferung, durch den Käthchen Züge einer Heiligen annimmt. Es ist gerade diese Provokation, die Intendant Stefan Bachmann in seiner Inszenierung besonders ausmalt. In der schön schaurigen Gerichtsszene zu Beginn etwa, mit unheimlichen Kuttenträgern, die von oben herab auf die Szene blicken. Angeklagt ist der Graf, doch bald ist Käthchen selbst das Opfer. Im Verhör, mit dem er seine Unschuld beweisen will, erniedrigt und verhöhnt er sie, aber ohne Erfolg. Julia Riedlers Käthchen steht nicht nur zu ihrer Liebe, sie bleibt bis zum Ende aufgeräumt und handlungsfähig. 

 

Oder wenn sie dem Grafen den lebensrettenden Brief bringen will und er sie wie wild mit der Peitsche jagt, so hilft auch das nichts. Der Graf, den Bruno Cathomas zwischen äußerlicher Souveränität und muttersöhnchenhafter Larmoyanz schwanken lässt, hat seine Leidenschaft für sie längst gestanden. Hier wütet er nur noch gegen sein eigenes Begehren. 

 

Auch das Ende, das nach Auflösung aller Verwirrungen die
Liebenden zusammenführt, wird ausgekostet. Noch einmal wird sie auf die Folter gespannt, bis aufs Äußerste, bevor der Graf ihr eröffnet, dass die Hochzeitsvorbereitungen ihr und nicht der durchtriebenen Kunigunde (Birgit Walter) gelten. Dass Käthchen mit ihrem letzten Satz den Heiratsantrag des Grafen in den Wind schießt, geben weder Stück noch Inszenierung her. Aber diese überraschende Pointe der Regie macht den Verrat rückgängig, den Kleist an seinem Käthchen begangen hat.