Tanz und Terror

Ja ja, die magische Kraft von Schokolade. Davon hat man in Film und Literatur eigentlich schon oft genug gehört. Der georgischen Autorin Nino Haratischwili sind solche Erwägungen aber ziemlich schnurz. In ihrem Roman »Das Achte Leben (Für Brilka)« geht es um fünf Generationen der Familie Jaschi, für deren Schicksal der verführerische Geschmack heißer Schokolade eine erhebliche Rolle spielt. Und obwohl die Zahl der Familienmitglieder groß und die Verhältnisse kompliziert sind, kann man sich dem Sog der Geschichte schon nach wenigen Seiten kaum mehr entziehen.

 

Erzählerin ist die in Berlin lebende Urenkelin Niza, die ihrer Nichte Brilka von Leben und Schicksal ihrer Vorfahren berichtet. Von Urgroßmutter Stasia, Tochter des Schokoladenfabrikanten und verhinderte Tänzerin, und ihrer atemberaubend schönen Schwester Christine, die an einer Affäre mit dem sowjetischen Geheimdienstchef Beria zugrunde geht. Von dem sensiblen Kostja, der als Parteifunktionär zum Familien-tyrann wird, und von Kitty, der das ungeborene, von einem Antikommunisten gezeugte Kind aus dem Leib operiert wird. So entsteht ein Gesellschaftspanorama der Sowjet-zeit, und nebenbei erfährt man auch so einiges über die Ge-schichte des georgischen Volkes. Haratischwili, die mit zwölf Jahren aus Georgien nach Deutschland kam und in Hamburg lebt, hat diesen opulenten, 1270 Seiten langen Roman mit einer Unbekümmertheit aufgeschrieben, die bemerkenswert ist.

 

Weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, wirkt ihre Sprache unverbraucht, manchmal fremd-artig, aber immer absolut treffend. Mit ihrem Debüt »Juja« stand Haratischwili bereits auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, auch als Theaterautorin und Regisseurin ist sie vielfach ausgezeichnet worden. Sie habe sich die deutsche Sprache einfach mal ausgeborgt, so wie ein fremdes Kleid, hat sie neulich in einem Interview gesagt. Es habe ihr gut gepasst, »und jetzt möchte ich es auch behalten.«