Wenn es drinnen kalt wird

»Arme verbrauchen nicht mehr als Reiche«

Michael Kopatz vom Wuppertal-Institut erklärt, warum die Energiewende nicht für die Energiearmut verantwortlich ist und wie man energetisch sanieren kann, ohne dass die Mieter sich ihre Wohnung danach nicht mehr leisten können

Herr Kopatz, was ist denn eigentlich Energiearmut?

 

Das ist eine gute Frage (lacht). Es gibt verschiedene De-fini-tio-nen, am bekanntesten ist die aus Großbritannien: Wer zehn Prozent seines Einkommens für Ener-gie zahlt, ist energiearm. »Heat or Eat« — das ist für einige zehntausend Menschen sicherlich Realität. In Deutschland sollte man am besten eine Kommission benennen, die Energiearmut definiert. Entscheidend ist, dass man verfolgen kann, ob der Zustand besser oder -schlechter wird.

 


Wenn der Strom abgestellt wird, fällt das schnell auf. Gibt es denn auch andere Formen von Energiearmut?

 

Ja. Men-schen, die regelmäßig die Stromrechnung zahlen, aber in anderen Bereichen sparen, zum Beispiel bei Kleidung, Le-bensmitteln oder Reisen. Und dann gibt es die-jenigen, die vom Staat keine Hilfe erhalten, aber auch erhebliche Probleme mit der Stromrechnung haben. -Dieses Phänomen wird oft übersehen, das gilt übrigens auch für die Heizkosten.

 

Ist Energiearmut denn ein Problem von Hartz-IV-Empfängern?

 

Nein. Ich bin davon überzeugt, dass manche Rent-nerin im Mehrfamilienhaus oder im Einfamilienhaus auch Probleme hat. Aber die reden nicht so viel darüber. Fast alle denken, dass diejenigen, die am wenigsten Geld ha-ben, die meiste Energie verbrauchen, weil sie so achtlos sind. Statistisch ist aber das Gegenteil wahr: Je mehr die Leute verdienen, desto höher ist ihr Energieverbrauch.

 


Hier in Köln läuft gerade ein Modellversuch, bei dem Haushalte mit Zahlungsproblemen eine niedrigere Stromleistung erhalten, mit der sie nicht alle Geräte betreiben können. Was halten Sie von solchen Maßnahmen?

 

An sich ist das eine schöne Idee. Wenn das immer so gemacht würde, hätte ich daran gar keine Kritik. Aber der leistungsreduzierte Strom läuft ja auch nur zwei Monate. Das ist ein kleines Zeitfenster, in dem man nochmal Zeit hat, die Rechnung zu bezahlen und danach wird der Strom abgeschaltet. Ich halte einen Guthabenzähler für die bessere Alternative. Damit kann man alle paar Wochen nachzahlen, was eine enorme Motivation zum Sparen ist und auch die volle Kostentransparenz gewährleistet. Man kriegt bekommt per SMS eine Rückmeldung, wie hoch das Guthaben noch ist. Das wollte man ja schon seit Ewigkeiten: eine Sensibilität für Stromkosten schaffen.

 


Wenn die Armen aber ohnehin einen niedrigen Verbrauch haben — wo sollen sie dann noch sparen?

 

In Relation zu den Wohlhabenden verbrauchen sie wenig. -Dennoch ist auch bei den normalen Haushalten in der Regel ein enormes Sparpotenzial zu heben, zum Beispiel beim Kühlschrank. Angenommen, Sie würden Ihren »A-Klasse«-Kühlschrank gebraucht verkaufen oder verschenken, dann holt ihn sich höchstwahrscheinlich ein Haushalt ab, der von Transferleistungen abhängig ist oder sehr wenig Geld hat. Ein sehr sparsames Neugerät, ein »A+++«-Kühlschrank, der wäre zu teuer. Auch beim Thema Heizen gibt es enorme Potenziale: Es wird viel auf Kipp gelüftet, nicht auf Stoß. Und bei denen, die -größere Wohnungen haben und mehr verdienen, sind die Potenziale in der Regel noch viel größer. 

 

Bei dem Modellversuch sollen Smartmeter helfen, den Energieverbrauch zu senken. Funktioniert das denn? Es gibt europaweit einige Dutzend Studien dazu, und die haben Einsparungen von zwei bis dreißig Prozent errechnet. Warum die Spreizung?

 

Erstmal kommt es drauf an, wie anschaulich das Smartmeter ist. Hat es ein farbiges Display und kann man es von der Wohnung aus ablesen? Ist das Smartmeter an eine Energieberatung gekoppelt? Hat man einen Wettbewerb gemacht und den Leuten gesagt, was der Nachbar verbraucht? Wenn ein Smartmeter mit einer hohen Transparenz gekoppelt ist, dann kommen sie manchmal auf dreißig Prozent Einsparung. Wenn man das schlecht macht, dann ist auch der Spareffekt gering.

 


In Köln wurde 2007 vom Rat die Einführung eines Sozial-tarifs beschlossen. Kann ein solcher Tarif die Energie-armut lindern? Das könnte punktuell der Fall sein, aber es kann auch ungerecht sein. Je mehr Personen im Haushalt leben, desto günstiger ist die Kilowattstunde. Also müsste man schauen: Wieviele Personen leben im Haushalt? Gibt es elektrische Warmwasserbereitung?

 

All diese Daten müssten regelmäßig alle drei Monate von den Stadtwerken er-fasst werden, damit es fair vonstatten ginge und alle bedürftigen Haushalte entlastet würden. Und das ist ex--trem schwer. Wie sollen die Stadtwerke an diese Daten kommen? Und mir liegt natürlich am Herzen, dass auch die-jenigen, die wenig Geld haben, sparsam mit Energie um-gehen. Von daher ist es ganz gut, wenn jetzt ein größerer Anreiz zum Sparen da ist. Die Erneuerbaren werden ja langfristig dafür sorgen, dass der Strompreis nicht weiter steigt.

 


In der Regel wird aber die Umlage für erneuerbare Energien für den gestiegenen Strompreis verantwortlich gemacht.

 

Alle Energiekosten sind gestiegen, auch die für Öl und Gas. Insofern ist es unberechtigt, zu sagen, dass die Energiearmut durch die Energiewende entstanden ist. Natürlich gibt es zusätzliche Kosten, nämlich die besagten sechs oder sieben Cent Umlage. Aber Strom wäre auch ohne diese teurer geworden, weil der Kraftwerks-park und die Stromnetze in Deutschland erneuert werden müssen. Umgekehrt werden die Einspareffekte durch erneuerbare Energien — so vermuten zumindest einige — von den Versorgern nicht an den Kunden zurückgegeben. Einige setzen das Argument »Energiearmut« natürlich gerne gegen die Energiewende insgesamt ein. 

 

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass schlecht isolierte Wohnungen mitverantwortlich für Energiearmut sind. Im Moment bedeutet eine energetische Sanierung aber für viele Menschen, dass sie ihre Wohnung verlassen müssen, weil die Miete zu teuer ist.

 

Eine Sanierung ist im Moment eine wunderbare Begründung, die Miete ins Astronomische hochzujubeln. Aber es geht auch anders. Das zeigen vor allem Wohnungsgesellschaften wie etwa in Bielefeld. Die haben schon ein Drittel ihres Bestandes saniert. Dort erwärmt jetzt die Sonne das Duschwasser, die Mieter sind aber in ihren Wohnungen geblieben. Sie zahlen jetzt etwas mehr Miete, aber die Warmmiete ist nicht gestiegen. Der Bund könnte so etwas mit einem Kreditprogramm unterstützen. In einem anderen Modell werden die Sanierungskosten zu gleichen Teilen von Mieter, Vermieter und Staat getragen. 

 


Das nutzt aber einem Hartz-IV-Empfänger, der in Köln monatlich 1,30€ pro Quadratmeter für Heizkosten -ausgeben darf, nur wenig.

 

Billige Wohnungen haben meistens den höchsten Energieverbrauch. Dann sagt die Behörde: »Ihr habt doch unangemessenen Heizenergie-bedarf, wir zahlen nicht alles.« In Bielefeld gibt es zum Beispiel den sogenannten Klimabonus. Wenn die Antragsteller einen Gebäudepass vorlegen, dann zahlt die -Sozialbehörde eine höhere Miete und Hartz-IV-Empfänger können auch in besser gedämmte Häuser einziehen. Es gibt da rechtliche Hürden, aber die Bielefelder haben das einfach gemacht. Köln könnte das auch — aber Veränderungen sind eben meistens mit Widerständen verbunden.