Getanzte Stillleben

Wem nach all der Weihnachterei und dem Sylvester-Schwoof die Sinne schlapp gemacht haben, der sollte immerhin die Kraft aufbringen, sich am zweiten Januarwochenende nach Düsseldorf aufzumachen. Das leicht angenehm Benebelte, Fiebrige, tagtraumhaft Verspulte findet dort seine künstlerische Form. Das macht wiederum hellwach und Spaß. Das internationale Festival Temps d’images, die »Zeit der Bilder«, bringt im Tanzhaus NRW in seiner elften Ausgabe wieder Bühnenperformances, Film und Computertechnik zusammen. Und zwar auf einem Niveau, das deutlich über den üblichen Videotricks auf Theaterbühnen liegt.

 


Der Österreicher Chris Haring ist schon länger ein Könner dieses Kombinationsfaches. Er zeigt in deutscher Erstaufführung seinen »Deep Dish«. Vier Tänzer begeben sich an, auf, unter einen gedeckten Tisch, eine Landschaft aus Obst und Gemüse, in der die Live-Kamera und großen Projektionen die Größenverhältnisse zerkauen. Ja, die Vergänglichkeit. Einmal kreist eine riesige Orange wie der Planet Melancholia in Lars von Triers gleichnamigem Film über den Köpfen: Auch für Cineasten wird angerichtet. Außerdem verweist das »Tiefgericht« mit seinen vom Künstler Michel Blazy zu Skulpturen arrangierten organischen Dingen auf den Roman »Locus Solus« Raymond Roussel von 1913.

 


Das Kollektiv PIPS:lab aus Amsterdam zerrupft in »Social Fiction« die Grenze zwischen Bühne und Zuschauern. Die Performer verwirbeln die Geschichte über die Verteidigung der Privatsphäre mit Motion-Track-Systemen, einer Software namens Potators, die Bilder aus der Wirklichkeit in Kringeln schält und verpacken es in Game-Strukturen, Musik und Absurdität. Statt der viel diskutierten »Augmented Reality«, der technisch erweiterten menschlichen Wahrnehmung, deklarieren sie den »Augmented State of Confusion«.

 


Das Festival zeigt außerdem eine Vorversion des neuen Stücks der Kölner Choreographin Silke Z. und des Filmemachers André Zimmermann sowie ein Filmprogramm mit großen Werken und mit kürzeren von Newcomern aus zwei Hochschulen.