Die Baeck-Boys

Zwei sympathische Rampensäue räumen

bei den Theaterpreisen gleich zweimal ab

Sie seien eine Mischung aus verlorener Seele und perfekt beherrschter Karikatur, hieß es in der Laudatio auf die Brüder Jonas (33) und Jean-Paul (31) Baeck bei den diesjährigen Kölner Tanz- und Theaterpreisen. Die Brüder haben jedoch nicht nur den Darstellerpreis erhalten, auch die Inszenierung ihrer Gruppe triumphierte. Die Acting Accomplices gewannen den Theaterpreis für »Der Freund krank«.

 


Herzlichen Glückwunsch Euch beiden! Vor der Verleihung wart ihr skeptisch, in Köln Preise zu gewinnen. Und nu?

 


Paul: Ich muss zugeben, ich war ein wenig überrascht. Es sind ja jedes Jahr nicht wenige Theaterstücke und Theaterschaffende, die nominiert werden. Beim Darstellerpreis war ich skeptisch, da meiner Erfahrung nach eher lang ansässige Kölner Schauspieler eine realistische Chance auf den Preis  haben. Umso mehr freue ich mich. Vor allem da ich den Preis zusammen mit meinem Bruder bekommen habe und der Preis auch für unsere Zusammenarbeit steht.

 


Ihr arbeitet in der Freien Szene. Ausgebildet seid ihr beide an staatlichen Schauspielschulen. Warum seid Ihr nicht irgendwo am Stadttheater?

 


Jonas: In der Schule entsteht ein Denken von Karriere und den fetten Bühnen, wo man hin muss. Ich war nach der Folkwang-Schule in Bochum fest am Nationaltheater Mannheim engagiert. Das ist ein tolles Theater. Aber richtig warm geworden bin ich da nicht. Ich hatte Bock, mich wieder zu bewegen.

 


Paul: Klar, es gibt auch die Jobs, bei denen du Abstriche machen musst, aber du bist frei. Außerdem wird man mit mehreren Standbeinen nicht so schnell der Lebensgrundlage beraubt, im Gegensatz zum Festengagement.

 

Und die Kehrseite?

 


Jonas: Du musst dich gut koordinieren, sehr aktiv sein. Das ist arbeitsintensiv. Freiheit heißt Verantwortung zu übernehmen: für dich, die Kunst und auch für deine Kollegen. Aber das meine ich nicht negativ. Für mich ist das Glück. Ich hatte auch mal Hartz IV, habe gekellnert, die Kohle war knapp. Jetzt klingelt zwar mein Telefon, aber ohne diese Erfahrung, hätte ich keinen Bezug zu Geld und Erfolg bekommen.

 

Nimmt das die Angst vor Durststrecken?

 


Paul: Wir leben in einem Land, dem der Milchkaffee nie ausgehen wird. Wenn ich jammere, muss ich die Perspektive ändern. Während meiner Ausbildung war ich am Ende des Monats oft pleite, das hat sich wie Mehltau auf meine Atemwege gelegt. Heute ist das anders. Mit dem Gefühl der Knappheit kann ich umgehen.

 

Also sind feste Engagements am Stadttheater keine Option?

 


Jonas: Nö! Die Gefahr, im Stadt­theater in einem begrenzten Kosmos zu leben, ist groß. Ich habe Kollegen, die sich über ihren Zweijahres-Vertrag nicht freuen können. Für sie wird dieser Luxus zum ­Horror, weil sie Angst vor dem Ende ihrer »Sicherheit« haben.
Paul: Während meiner Ausbildung an der Universität der Künste in Berlin habe ich am Stadttheater Erfahrungen mit Regisseuren gemacht, die dich wie eine Marionette benutzen. Das kann überall passieren, aber als freier Schauspieler habe ich eine andere Entscheidungsgewalt.

 

Warum habt ihr euch entschieden, in Köln Theater zu machen?

 


Jonas: Hier hat sich damals viel für mich persönlich entschieden, z.B. dass ich Schauspieler werden will. Ich hab auch an Berlin gedacht. Ein entscheidender Moment war dann vor drei Jahren. Mit Thomas Ulrich haben Paul und ich »Leere Stadt« von Dejan Dukovski völlig frei entwickelt und auf die Bühne gebracht. Das Ding ging durch die Decke. 2013 haben wir den Heidelberger Theaterpreis gewonnen, gastierten in Mazedonien, am Thalia Theater Hamburg und auf den Ruhrfestspielen. Das war der Startschuss für die Acting Accomplices.

 

Bei den Acting Accomplices ist Thomas Ulrich Regisseur. Wer hat denn entschieden, das Gewinner-Stück »Der Freund krank« zu inszenieren?

 


Paul: In diesem Fall war es die Idee von Sarah Youssef, unserer Dramaturgin. Thomas Ulrich ist Kapitän der Gruppe. Aber letztlich werden Ideen bei uns durch jeden einzelnen lebendig.
Jonas: Dazu kommt, dass Thomas eine Atmosphäre schafft, in der Leute mutig werden und sich trauen, kreativ zu denken. Das weckt die Lust am Theatermachen.

 

Ganz allgemein: Was bedeutet euch das Theater?

 


Paul: Es setzt einen in Bewegung. Es bringt Menschen dazu, sich in eine Auseinandersetzung zu begeben. Aber auch mich selbst: Oft beschäftigen mich Dinge dann ganz anders, dadurch fühle ich mich lebendig.

 


Jonas: Theater hat die Kraft, Dich zu durchdringen. Es ist Magie. Wenn Theater eine Absicht verfolgt, finde ich es total öde. Politisches Theater mit erhobenem Zeigefinger, wo nur die Aussage im Vordergrund steht, löst in mir nichts aus. Dann sehe ich mir lieber die Nachrichten an.

 

Jonas, im Moment wohnst Du im Zirkuswagen, in der Künstlerkolonie »Paradies« am Eifelwall. Wie lebt es sich hier?

 


Jonas: Was ich hier erlebe, ist sehr bereichernd. Wir bauen ein Theater, das wird wohl das einzige wirklich freie Theater in Köln sein.

 

Daran arbeitest Du mit eurem Vater, dem Künstler Rolf Ketan Tepel. Was bekommen wir zu sehen?

 


Jonas: Unser Theater entsteht am Fuße einer alten Eiche, die wie das ganze Gelände für den Neubau des Stadtarchivs weichen soll. Das Bühnenmaterial besteht aus einem alten Westernsalon und dem abgebrannten Zirkuswagen meines Vaters. Wir möchten in den verbleibenden fünf Monaten alle Kölner einladen, diesen nicht nur für Köln einzigartigen Kunst- und Lebensraum kennen und lieben zu lernen.