Zahlen, trauen, glotzen

Watchdog – die Medienkolumne

Nicht nur die Presselandschaft der digitalen Republik ist vielfältig, auch deren Finanzierung wird zunehmend fantasievoller: Einhundertundzwei Bezahlangebote hat der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger neulich am Büdchen im Netz gezählt. Die meisten Zeitungen, 61 Prozent nämlich, setzen auf das Freemium-Modell, bei dem redaktionell festgelegt wird, welche Beiträge erworben werden müssen und welche für lau eingesehen werden dürfen. Knapp ein Viertel der Zeitungen hat das Metered Model etabliert, bei dem eine bestimmte Anzahl von Clicks im Monat gratis ist, danach kosten alle weiteren Abrufe Geld. Vier Prozent der Verlage stellt sämtliche Artikel nur noch gegen Entgelt ins Netz, und ein einziges Blatt setzt ganz auf freiwillige Bezahlung in beliebiger Höhe. Es ist die Tageszeitung tageszeitung. Die taz konnte so seit Start ihrer Kampagne »taz.zahl-ich« im April 2011 mehr als 300.000 Euro einnehmen. Um die 10.000 Euro verdient die taz monatlich online; zwei Drittel der taz-Leser überweist regelmäßig, ein Drittel der Spender spendet spontan und einmalig oder unregelmäßig. Meistens wird per Handyzahlung ein Betrag ab 50 Cent nach Berlin transferiert. »Wir haben allen Grund zu feiern!«, heißt es im Hausblog der taz. Mit »taz.zahl-ich« bahne sich ein einmaliges Modell der Freiwilligkeit und Solidarität seinen Weg. »Ein Modell, das mit der festen Unterstützung durch die Leser rechnet und gleichzeitig die kostenlose Zugänglichkeit der taz-Inhalte im Netz für alle garantiert«, sagt Ilija Matusko, Site-Manager des Blatts über das Erfolgsmodell der sogenannten Paywahl.

 

Die Hamburger Morgenpost geht indes einen neuen Weg, den sie Paylater nennt. Für Hintergrund-Geschichten, Serien oder den Veranstaltungskalender werden Preise von 10 bis 45 Cent berechnet. Sobald der User Artikel in Höhe von fünf Euro gekauft hat, wird er zur Kasse gebeten. Rund zehn Prozent der Inhalte sollen künftig kostenpflichtig sein.

 

Jugendliche, es ist bekannt, nutzen Tageszeitungen kaum, obwohl (oder weil?) sie die Tageszeitung für das glaubwürdigste aller Medien halten. Das veröffentlichte der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest in der JIM-Studie, deren Kürzel für »Jugend, Information, (Multi-) Media« steht. Auch an dieser Stelle überzeugende Statistiken: 40 Prozent der befragten Zwölf- bis 19-Jährigen glauben demnach der Berichterstattung der Tageszeitungen, ein Viertel dem Fernsehen und 17 Prozent dem Radio. Der Berichterstattung im Internet vertrauen lediglich 14 Prozent der jungen Menschen, also jenem Medium, das immerhin 94 Prozent regelmäßig nutzen. Die gute alte glaubwürdige Tageszeitung liest aber nur ein Drittel der Befragten. Im Netz vertraut und glaubt die Jugend am ehesten den Angeboten von Spiegel Online, Google, Wikipedia sowie dem, nun ja, Nachrichtenmagazin Facebook.

 

Wenn nach dem Waldsterben also auch das Zeitungssterben gestoppt ist, dann soll auch das Fernsehen leben. Und ja, in der Tat, es ist mindestens untot: »Das Fernsehen führt seine Erfolgsgeschichte ungebrochen fort und bleibt das meistgenutzte Medium in Europa«, so Magnus Brooke, Direktor der Association of Commercial Television in Europe anlässlich des Weltfernsehtags der Vereinten Nationen. Denn, nächste beeindruckende Statistik, trotz der Konkurrenz durch Streaming-Offerten sehen sich 87 Prozent der Europäer täglich Fernsehsendungen am eigens dafür erfundenen Fernsehgerät oder online an. An dieser Stelle meldet sich sogar Ban Ki-moon zu Wort und preist die Flimmerkiste als Quell einer besseren Welt. Die UN würden auch weiterhin gemeinsam mit den Fernsehsendern informieren, Wissen vermitteln und eine bessere Welt gestalten, kündigte der UN-Generalsekretär an. Was viele nicht wissen (müssen): Die UN würdigen seit 1996 das Medium und seinen Einfluss auf das Leben der Menschen mit dem »Welttag des Fernsehens«.