Der Duft von Urwald

»Ernesto Neto« bringt die Kultur der Huni Kuin nach Rolandseck

Es war keine Vernissage wie jede andere: Der Brasilianer Ernesto Neto eröffnete seine Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck gemeinsam mit Vertretern des Urwaldstammes der Huni Kuin sowie den Besuchern mit einer ausgedehnten Zeremonie für alle Sinne. Aquarelle der Schamanen sind integriert in das skulpturale und installative Werk des 50-jährigen Künstlers. Man kommt an der Frage nicht vorbei: Was passiert mit der Kunst in diesem Kontext?

 


Polemisch gesagt mag der Eindruck entstehen, dass sich zeitgenössische Kunst mit exotischen Federn schmückt — auch mit Blick auf die letzte Documenta und Berlin Biennale und der dort gut vertretenen Kunst indigener Völker. Allein Netos Motivation für diese Ausstellung sowie dessen Erfahrung mit den »Indianern« sprechen dagegen. Der in Rio geborene und arbeitende Künstler (*1964) trat in Rolandseck in erster Linie an, um die Wahlverwandtschaft zur organischen Abstraktion, zu der von Rundungen bestimmten Formensprache der Werke seines modernen Künstlerkollegen Hans Arp aufzuzeigen. Auch um zu veranschaulichen, weshalb er dort anfängt, wo Arp aufhört, wie es Neto mehrfach betonte. Ganz in der Tradition der brasilianischen Moderne nämlich spricht seine Kunst, mit der er in den 90er Jahren bekannt wurde, mehr als nur den Sehsinn an: Sie darf berührt, betreten werden, vor allem — ein »Markenzeichen« von Netos Œuvre — dufte sie.

 


In der Ausstellung legen sich Netos organisch geformten Skulpturen quer zu den meist aus harten Materialien bestehenden Werken von Arp. So hat er im ersten Stock des Neubaus hoch über dem Rhein zwei raumgreifende Zelte installiert, die den Rundgang entschleunigen, weil sie erst betreten werden müssen, um das beeindruckende Farbenspiel im Inneren der Raumkörpers erleben zu können. Tropfenförmige, mit Stein, Glas, Edelsteinen oder Gewürzen gefüllte Skulpturen teilen lianenhaft den Raum auf oder verbinden gar Etagen miteinander.

 


Aber auch kleinere Softsculptures lassen innehalten, weil ihr Duft sehr intensiv ist. Ernesto Neto hatte sich vor anderthalb Jahren bei der Erforschung von Heilpflanzen auf das spirituelle und künstlerische Abenteuer mit der Kultur der Huni Kuin einge­lassen und mit ihnen zusammen gelebt. Das Ergebnis seiner künstlerischen Recherchen lohnt einen Kunstausflug nach Rolandseck —wie auch der famose Blick aufdas Rheintal.