Geschenke vom Fließband

Der Hai im Becken der Buchhändler ist immer für Schlagzeilen gut. Erst im Oktober standen bei Amazon streikbedingt die Sortiermaschinen still, weil der Konzern seine Angestellten nicht nach Einzelhandelstarif bezahlen will. Im August unterschrieben über 500 deutsche Autoren einen offenen Brief, weil der Großhändler angeblich Suchergebnislisten manipuliert und damit Verlage für mangelnde Kooperationsbereitschaft bestraft haben soll.

 


Eine eher beiläufige Äußerung ist da das Buch »Saisonarbeit«. Heike Geißler, die Autorin, hat mit 25 ihren gefeierten Debütroman »Rosa« veröffentlicht und mit 31 beim Bachmann-Preis in Klagenfurt gelesen. Trotzdem musste die Mutter von zwei Kindern ein paar Jahre später aus einer finanziellen Notlage heraus bei Amazon anheuern. Nach ihrer Zeit als Weihnachtsaushilfe in der Leipziger Versandhalle waren ihre Hände rau und schmutzig. Dafür hatte sie Geschichten, Zitate und Erfahrungen gesammelt — genug für ein 260-Seiten-Buch, das zeigt, wie es so ist in der Welt der unfreien Arbeit.

 


Eine Passage des Buchs be­­richtet von einer — natürlich unbezahlten — Schulung neuer Mitarbeiter. Dort stimmen Robert, der Praktikant mit amerikanischem Akzent, und Sandy, trotz ihrer erst 30 Jahre schon ein alter Hase der Versandhalle, die Angeworbenen auf die Tätigkeit ein. Die flapsigen Sprüche erinnern an Zwangsanimation im Cluburlaub, nicht zu überhören ist aber der drohende Unterton: Handys und Kameras sind in der Halle verboten und werden, falls doch gefunden, ohne SIM-Karte zerstört. Falsches Heben gefährdet nicht nur den eigenen Rücken, sondern vor allem die Arbeitskraft für Amazon, und ist deshalb zu unterlassen.

 

 

»Saisonarbeit«, das betont Geißler, soll kein Enthüllungsbuch sein wie die Reportagen von Günter Wallraff. Vielmehr geht es ihr um die heutige Arbeitswelt im Allgemeinen, die noch immer die Entfremdung der Fließbandarbeit in sich trägt. Und darum, »Alarmbereitschaft« zu erzeugen, wie sie im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte: »um das gute Arbeiten und die sogenannte freie Arbeit und vielleicht sogar die Freiheit zu verteidigen.« Dass sie von ihrer sogenannten freien Arbeit kaum leben kann, ist die feine Ironie des Bezos’schen Hyperkapitalismus.