Im Krisengebiet

Flüchtlinge in Köln - worum geht's da eigentlich?

Wie viele Flüchtlinge kommen nach Köln?

 

»Höchststand seit dem zweiten Weltkrieg« — das hört man häufiger, wenn von Flüchtlingen die Rede ist. Weltweit mag das richtig sein, für Köln aber nicht. Aktuell sind 5033 Flüchtlinge in der Stadt, aber um die Jahrtausendwende lag die Zahl um gut 100 Menschen höher. Die Probleme in der Flüchtlingspolitik haben sich seitdem aber kaum gebessert. Schon 2002 führte die Polizei Razzien in Flüchtlingsheimen durch, eine Gruppe von Roma streikte gegen die Versorgung mit Fertignahrung und erreichten, dass ihnen wieder Geld ausgezahlt wurde. Im Dezember 2002 legte unter heftigen Protesten ein Schiff mit Wohncontainern in Deutz an. Die Bedingungen an Bord waren miserabel: 190 Flüchtlinge wohnten in 16 Quadratmeter großen Vier-Bett-Kabinen ohne Kochgelegenheit. Das ­Containerschiff wurde im September 2003 aufgegeben, aber es wirkt bis heute nach. Es war Anstoß für die »Kölner Leitlinien« zur Flüchtlings­unterbringung, die 2004 vom Rat verabschiedet wurden und eine dezentrale Unterbringung vorsehen. Mittlerweile sind die Leitlinien nur noch auf dem Papier gültig. Stattdessen werden Flüchtlinge in einem Baumarkt und in einer Turnhalle untergebracht und SPD, Grüne, FDP und CDU planen, mehrere Hotelschiffe als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen.

Woher kommen die Flüchtlinge und weshalb fliehen sie?

 

Eine große Gruppe von Flüchtlingen ist vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen, eine andere große Gruppe kommt aus Ex-Jugoslawien und gehört größtenteils der verfolgten Roma-Minderheit an. Einen anderen großen Teil nehmen Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Afghanistan, im Kaukasus oder auch in Somalia und Eritrea ein. Hinzu kommen die klassischen Asylgründe wie etwa Verfolgung wegen politischer Ansichten oder sexuelle Gewalt. Die vermeintliche Attraktivität von Köln oder Deutschland auf Flüchtlinge spielt für die Zahl der Flüchtlinge, die nach Köln kommen, jedoch keine Rolle. Eine Studie des Berlin-Instituts hat herausgefunden, dass Fluchtbewegungen in der Regel durch die Situation in den Heimatländern motiviert sind und die Zielstaaten darauf nur reagieren können. Die Stadt Köln wird sich also auf einen Anstieg der Flüchtlingszahlen einstellen müssen, da ein Ende der Konflikte in Ost­afrika, Syrien oder dem Irak nicht in Sicht ist. Diese Aufgabe ist hierzulande aber zu bewältigen, denn neunzig Prozent der Flüchtlinge werden von den unmittelbaren Nachbarländern der Konfliktherde aufgenommen. Im Libanon etwa befinden sich laut UN-Flüchtlingshilfswerk im Moment 1,2 Millionen Flüchtlinge, das entspricht einem Viertel der Bevölkerung. In Köln beträgt der Anteil circa 0,5 Prozent.

 

Wie ist die rechtliche Lage für Flüchtlinge?

 

Mit einem Wort: kompliziert. Denn obwohl es ein prinzipielles Grundrecht auf Asyl wegen politischer Verfolgung gibt, gilt es nicht für alle Flüchtlinge in gleicher Weise. In Deutschland können nur diejenigen Flüchtlinge Asyl erhalten, die direkt nach Deutschland kommen, ohne einen anderen EU-Staat oder einen »sicheren Drittstaat« (Norwegen/Schweiz) betreten zu haben — also fast niemand. Laut dem Dubliner Übereinkommen findet das Asylverfahren zudem in dem Land statt, in dem die Flüchtlinge zum ersten Mal EU-Territorium betreten haben. In der Regel sind das die südlichen Mitgliedsstaaten der EU, was be­reits zu einigen diplomatischen Verwerfungen geführt hat. Deutschland lehnt jeglichen Ausgleich, etwa eine anteilige Verteilung der Flücht­linge, ab.

 

Der Ausgang des Asylverfahrens wiederum ist nur begrenzt vom Einzelfall abhängig. Kommt ein Flüchtling aus einem »sicheren Herkunftsstaat«, sind die Chancen auf einen positiven Asylbescheid gering. Die Klassifizierung eines Herkunftslands als »sicher« ist dagegen ein Politikum. Seit der letzten Novellierung des Asylgesetzes im Septem­­-ber 2014 gelten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als »sicher«. Kritiker bezeichnen diese Änderung als rassistisch, weil sie sich eindeutig gegen Roma und Sinti richte. Zusätzlich zum Asylver­fahren gibt es die Möglichkeit, als »anerkannter Flüchtling« in Deutschland zu leben, etwa wenn man wegen seiner Ethnie oder Religion verfolgt wird. Eine dritte Möglichkeit ist der »subsidiäre Schutz« wegen »Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit« etwa in einem Bürgerkrieg. Ein negatives Asylverfahren bedeutet zudem nicht die sofortige Abschiebung. Ist die Person minderjährig oder krank, kann eine Duldung erreicht werden. Die Bundesregierung will die Zahl der Abschiebungen jedoch erhöhen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde im Dezember im Kabinett diskutiert.

 

Asylbewerber unterliegen strengeren Auflagen als der Rest der Bevölkerung, was die Wahl des Wohnsitzes oder des Arbeitsplatzes angeht. Erst vier Monate nach ihrer Ankunft dürfen sie sich frei im Bundesgebiet bewegen, der Wohnsitz wird von der Ausländerbehörde festgelegt. Eine Arbeit aufnehmen dürfen Asylbewerber nach drei Monaten, erst nach 15 Monaten entfällt jedoch die »Vorrangprüfung«: Gibt es einen gleichqualifizierten deutschen Bewerber, erhält dieser die Stelle. Eine besondere Aufmerksamkeit im medialen Diskurs nehmen die »unerlaubt eingereisten« Flüchtlinge ein. Damit ist in der Regel eine ­Einreise ohne gültigen Pass oder Visum gemeint, was bei einer Flucht nicht weiter ungewöhnlich ist. »Unerlaubt Eingereiste« sind rechtlich verpflichtet, sich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden oder Asyl zu beantragen.

 

Wie sind die Flüchtlinge in Köln untergebracht?

 

Insgesamt gibt es 58 Flüchtlingsunterkünfte in Köln. Darunter sind die zwei Notunterkünfte in der Herkulesstraße und der Vorgebirgsstraße, 21 Hotels und 35 Wohnheime. Idealerweise sollen in den beiden Notunterkünften oder auch in der Weidener Turnhalle lediglich Menschen wohnen, die keinen Asylantrag gestellt haben oder deren Asylverfahren noch nicht eröffnet ist. Mit dem Beginn des Asylverfahrens werden die Flüchtlinge durch die Bezirksregierung Arnsberg einer Kommune zugewiesen. Eigentlich soll dies innerhalb von einem Monat geschehen, zumeist dauert es aber länger. Flüchtlinge, die der Stadt Köln zugewiesen werden, sollen in den einzelnen Fertigbauheimen, in Hotels oder in Privatwohnungen wohnen. In der Praxis kann die Stadt Köln diese Trennung jedoch nicht gewährleisten, so dass auch Flüchtlinge im Asylverfahren noch in Gemeinschaftsunterkünften wohnen müssen. Die GAG hat unterdessen angekündigt, in den nächsten Jahren Wohnungen für Flüchtlinge zu bauen, nannte aber keine konkreten Zahlen. Sozialde­zernentin Henriette Reker legte Ende November einen neuen Plan vor, nach dem elf ­weitere Flüchtlingsheime in der Stadt gebaut werden ­sollen. Der Kölner Flüchtlingsrat hält auch diese Maßnahmen für nicht ausreichend und fordert einen »Masterplan« für die Bereitstellung neuer Wohnungen.

Worüber streiten sich Land, Bund und Kommunen?

 

Ums Geld. Die Kommunen bekommen Geld für die Aufnahme von zu­­gewiesenen Flüchtlingen, aber nicht für alle »unerlaubt zugereisten« Flüchtlinge. Ein anderes Problem sind die Kosten für die medizinische Versorgung. Laut Asylbewerberleistungsgesetz steht Flüchtlingen eine medizinische Notfallversorgung zu, aber auch die Kosten dafür werden nicht komplett erstattet. Im Oktober bewilligte das Land NRW 8 Millionen Euro zusätzlich, damit Köln Flüchtlinge unterbringen, versorgen und psychosozial betreuen kann. Ende November erklärte zudem die Bundesregierung, dass die Kommunen 2015 eine halbe Milliarde Euro als zusätzliche Unterstützung erhalten sollten. Das Verhältnis der Stadt Köln zum Land ist dennoch angespannt. OB  Jürgen Roters (SPD) forderte im Oktober einen Zuweisungsstopp für Flüchtlinge und erhielt dafür Beifall von der AfD. Und Sozialdezernentin Henriette Reker beschwerte sich im Express, dass das Land 2500 Plätze in den Landeseinrichtungen für Notfälle freihalten würde, während Köln Probleme habe, seine Flüchtlinge unterzubringen.

 

Was genau ist eigentlich eine »Willkommenskultur«?

 

Mit »Willkommenskultur« meint man all die zivilgesellschaftlichen Maßnahmen, die Flüchtlingen bei ihrer Ankunft helfen sollen. In Köln gibt es etwa 20 Willkommensinitiativen. Sie bieten Deutschunterricht an, organisieren Winterkleidung oder begleiten die Flüchtlinge bei Amtsgängen — alles ehrenamtlich. »Wir wollen, dass die Flüchtlinge ein positives Bild von Köln bekommen«, sagt Jennifer Metzing von »Willkommen in der Moselstraße«, wo afrikanische Flüchtlinge in einem Hotel wohnen. Einmal in der Woche veranstaltet die Nachbarschaftsinitiative ein Café für die Flüchtlinge, sie hat Soccerboxen an der Universität organisiert, für die Zukunft stehen eine Fahrradwerkstatt und Radfahrkurse auf dem Programm. Unterstützung erhalten sie dabei von den umliegenden Kirchengemeinden. »Die Stadt ist überfordert«, findet Jennifer Metzing. Die Rolle der »Willkommenskultur« in der Flüchtlingspolitik ist ambivalent. Einerseits ist die ehrenamtliche Arbeit notwendig und wichtig, andererseits berufen sich Politik und Verwaltung auf die Willkommenskultur, weil sie selbst nicht in der Lage sind, die dringend notwendigen Maßnahmen etwa zur psychischen Betreuung umzusetzen. »Die Willkommenskultur ersetzt keine politische Forderung«, meint deshalb auch Carl-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat, der gemeinsam mit der Freiwilligenagentur Helfer für die ehrenamtliche Arbeit mit Flüchtlingen weiterbilden möchte.